Binnenschifffahrt: Frisches Wasser untern Kiel
Die Bundesregierung will die Seewirtschaft wieder auf Kurs bringen. Gestärkt werden sollen vor allem die Binnenschiffer. Nun sorgen sich Umweltverbände vor blindwütig ausgebaggerten Flüssen.
24 Milliarden für die Schifffahrtsbranche: Dieses Investitionsvolumen sieht das erste "nationale Hafenkonzept" vor, das am Mittwoch von der Bundesregierung verabschiedet worden ist. Damit "stellen wir erstmals eine Strategie für unsere See- und Binnenhafenpolitik der kommenden zehn Jahre vor", sagte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bei der Vorstellung in Berlin. Zentrale Ziele sind demnach das Vorantreiben der Hafenentwicklung und ein Ausbau der Verkehrsanbindung an das Hinterland.
Industrieverbände und Gewerkschaften begrüßen das Konzept als wichtigen Schritt aus der Konjunkturkrise. "Davon profitiert ganz Deutschland", frohlockte Tiefensee gegenüber der Deutschen Presseagentur. Heiko Messerschmidt, Sprecher des IG-Metall-Bezirks Küste, sieht besonders in der Intensivierung der Binnenschifffahrt positive Begleiteffekte: Da viele der Binnenschiffe inzwischen veraltet seien, könnten auch neue Aufträge für die darbenden Werften abfallen. "Das passt gut zusammen", so Messerschmidt, "wenn die Schiffe dann auch in deutschen Werften gebaut werden".
Entmischung von See- und Binnenschiffsumschlag: Die Binnenschiffe sollen zur besseren Organisation eigene Liegeplätze in den Hafenanlagen erhalten.
Schaffung von neuem Schiffsraum: Es sollen effizientere und umweltverträglichere Schiffe angeschafft werden. Für das angepeilte Transportvolumen von 500.000 Containern pro Jahr seien zusätzliche Schiffe nötig.
Sicherstellung leistungsfähiger Wasserstraßen: "Modernisierungen" sollen Risiken wie Hoch- / Niedrigwasser, Eisgang und defekte Schleusen minimieren.
Optimierung von Logistikprozessen: Die Nachfrage nach den über Flüsse transportierten Gütern soll durch die Errichtung von "Hinterland Gateways" gefördert werden.
Gestaltung eines ordnungspolitischen Rahmens: Eine Förderrichtlinie soll die Binnenschifffahrt mit der Bahn gleichsetzen. Momentan ist die Binnenschifffahrt nicht rentabel genug im Vergleich zum Schienenverkehr. (JV)
Die Umweltverbände BUND und WWF stehen dem Hafenkonzept derweil kritisch gegenüber: In einer gemeinsam verfassten Stellungnahme werfen sie der Bundesregierung eine bedingungslose Wachstumspolitik zugunsten der See- und Binnenhäfen vor - zulasten der erklärten Klima- und Naturschutzziele. "Das Konzept liest sich wie ein Wunschkatalog der maritimen Wirtschaft", sagt Manfred Braasch, BUND-Chef in Hamburg.
Die Umweltschützer befürchten das Wiederaufflammen der Diskussion um eine Elbvertiefung: Eine jetzt in Hamburg vorgelegte Studie empfiehlt den Containerverkehr auf der Elbe von 120.000 Standardcontainern - Ende vergangenen Jahres - auf 500.000 in den nächsten drei Jahren zu steigern. Dazu wären nur "geringe Anpassungsmaßnahmen" nötig, heißt es in dem 300-Seiten-Papier. "Das Binnenschiff hat als nachhaltigster Verkehrsträger gute Chancen, künftig stärker genutzt zu werden", sagte Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko bei der Vorstellung.
Angefertigt hat die Studie im Auftrag des Senats eine Firma namens Uniconsult. Verfasser Björn Pistol prophezeit der Binnenschifffahrt eine lukrative Zukunft - allerdings nur, wenn mit zuverlässigen Wassertiefen von 1,60 Metern zu rechnen sei. Ein Binnenschiff könne 105 LKW-Ladungen transportieren und sei sogar klimafreundlicher als ein Transport mit der Bahn, behauptet Pistol: "Das Binnenschiff ist das Paradebeispiel für die Verbindung von Ökologie und Ökonomie."
"Hier wird ganz klar der Klimaschutzaspekt gegen den Naturschutzaspekt ausgespielt", sagt dagegen Manfred Braasch. Europaweit sei die Elbe der letzte weitgehend unberührte Fluss. Daher müsse sie "als natürlicher Niedrigwasserfluss erhalten bleiben", fordert der BUND. "Wenn jetzt die Flüsse zu komfortablen Verkehrswegen ausgebaut werden, gehen wertvolle Naturräume verloren", sagt auch Alexander Porschke vom Naturschutzbund Nabu. Die Elbe dürfe kein "Highway für Schiffe" werden.
Die Bedenken der Naturschützer können die Verfasser der Studie nur teilweise nachvollziehen. "Eine Wassertiefe von 1,60 Meter für 365 Tage im Jahr war vor dem Oderhochwasser der Regelfall", sagt Pistol. Außerdem würden zwei Drittel des Warenverkehrs über einen Seitenkanal über das Schiffshebewerk Scharnebeck verschifft. Die in der Diskussion stehende Mittel- und Oberelbe sei demnach kaum belastet.
Auch Michael Ahrens, Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde mahnt zur Gelassenheit: Die Studie sei kein Handlungskatalog. Das Hafenkonzept und die Elb-Studie werden jetzt in einem "Arbeitskreis Binnenschifffahrt" diskutiert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!