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Billigheime bleiben am Markt

■ Pflegeheime sollen auch künftig ohne Mindestquote an Fachkräften arbeiten dürfen. Geplante Vorschrift gestrichen

Berlin (taz) – Pflegeheime sollen auch künftig weiter mit einem geringen Anteil an Fachpersonal und vielen Hilfskräften arbeiten dürfen. Die Bundesregierung will die Qualitätsanforderungen an Pflegeheime senken. Das Bundesarbeitsministerium bestätigte gestern einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung. Danach soll die Vorschrift zurückgenommen werden, daß die Hälfte des Pflegepersonals aus Fachkräften zu bestehen habe. Die Vorschrift sollte im Sommer in Kraft treten.

Bisher gibt es keine Vorgabe, wie hoch der Anteil von qualifizierten Pflegekräften in Heimen zu sein hat. Die Quoten schwanken zwischen 30 und 70 Prozent, wobei auch der Pflegebedarf der Patienten eine Rolle spielt. Im Schnitt liege die Quote bei etwa 40 Prozent, schätzt Rolf Gennrich, Wirtschaftsreferent beim Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA). 1993 wurde mit dem neuen Heimgesetz als Mindeststandard eine Fachkräftequote von 50 Prozent festgelegt, die aber erst nach einer fünfjährigen Übergangszeit wirksam werden sollte. Im Sommer läuft diese Übergangsfrist ab.

In der morgigen Kabinettsitzung in Bonn soll die Rücknahme des geplanten Mindeststandards beschlossen werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat sich Familienministerin Claudia Nolte (CDU), die auch für die Altenhilfe zuständig ist, gegen die Rücknahme der Quote gewehrt. Ein Sprecher des Blümschen Arbeitsministeriums erklärte dagegen, im Rahmen des Pflegeversicherungsgesetzes werde die Qualität der Heime ausreichend gesichert.

Joachim Kendelbacher, Sprecher der Arbeiterwohlfahrt (AWO), warnte davor, daß mit der Rücknahme erhebliche Qualitätsverschlechterungen drohten. Ohne einen gesetzlich festgelegten Mindeststandard könnten die Pflegekassen künftig erheblichen Preisdruck auf die Heime ausüben.

Die Heime der Arbeiterwohlfahrt erfüllten die Quote, so Kendelbacher. Der Anteil der gelernten PflegerInnen in den Heimen der Wohlfahrtsverbände liege höher als in vielen privaten Pflegeheimen, verlautete aus Kreisen der Wohlfahrtsträger. Die Mindestquote hätte verhindert, daß viele private Pflegeheime den Pflegekassen Preisvorteile anbieten.

„Wenn da jetzt eine niedrige Schnur eingezogen wird, werden sich künftig die Pflegekassen daran orientieren“, befürchtet Gennrich vom KDA. Fachkräfte seien unverzichtbar, da beispielsweise Patienten mit Schlaganfallstörungen und Alzheimer eine qualifizierte Betreuung benötigten. BD

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