Billige Wohnungen: Zu wenig Angebot für Flüchtlinge und Obdachlose
Die Wohnungsbaugesellschaften vermieten weniger an besonders Bedürftige als per Quote vereinbart. Besonders fehlt es an Single-Wohnungen.
Es gibt Menschen, die brauchen dringender eine Wohnung als andere. Weil sie akut davon betroffen sind, obdachlos zu werden, etwa wenn die Wohnung geräumt wird oder wenn sie aus der Haft entlassen werden. Oder wenn sie gerade in einer Obdachlosenunterkunft wohnen. Auch Flüchtlinge haben es schwer, eine eigene Bleibe zu finden. Für all jene sind Wohnungen im „geschützten Marktsegment“ gedacht.
Der Senat hat diese Wohnungsbörse für Bedürftige 1993 eingeführt. Die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und einige private Unternehmen haben sich verpflichtet, 1.350 Wohnungen pro Jahr im „geschützten Marktsegment“ zu vermieten. Diese Zahl erreichen sie aber nicht. Es fehlten 2011 unterm Strich 356 Wohnungen – das ist gut ein Viertel. Bei den besonders nachgefragten Single-Wohnungen wird das Soll gar nur zur Hälfte erfüllt. Diese Zahlen veröffentlichte die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Katrin Lompscher (Linkspartei).
Als Hauptgrund dafür, dass die zugesagte Quote nicht erfüllt wird, sieht die Sozialverwaltung den Immobilienmarkt. Preisgünstige Wohnungen in Berlin sind allgemein rar, besonders in den Innenstadtbezirken. So finden sich die Wohnungen im „geschützten Marktsegment“ dann auch vor allem in den Außenbezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Spandau und Reinickendorf.
Dort würden die Wohnungsunternehmen aber nicht alle frei werdenden Wohnungen dem „geschützten Marktsegment“ zur Verfügung stellen, so die Senatsverwaltung. Schließlich solle die „soziale Durchmischung“ der Mieter gewährleistet sein. Zudem gebe es bei der Miete billiger Wohnungen wenig Fluktuation. „Uns sind da die Hände gebunden“, sagt Kirstin Gebauer von der HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft, die 100 Wohnungen weniger anbietet als vereinbart. „Wir können die jetzigen Mieter ja nicht rausschmeißen.“
Die Senatsverwaltung zeigt wenig Engagement, die Situation zu ändern. Man sei „im laufenden Gespräch mit der Wohnungswirtschaft“ und wolle prüfen, ob die Bereitstellung von Wohnungen als offizielle Zielvereinbarung zwischen Senat und Wohnungsbaugesellschaften festgeschrieben wird. Die haben auch weiterhin wenig zu befürchten, wenn sie die Quote nicht einhalten: Sanktionen sind nicht geplant.
„Der Senat muss nicht nur durchsetzen, dass die vereinbarte Wohnungszahl erfüllt wird, er muss sie erhöhen“, fordert Karin Baumert von der Kampagne gegen Zwangsumzüge. Einmal mehr zeige sich, „dass der Senat kein Interesse daran hat, dass die Stadt für alle da ist“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren