Bildungstourismus: Cooler Alltag mit Collegefeeling

Wohlfühl-Service für Sprachtouristen: Auf dem GLS-Campus in der Kastanienallee wird gelernt, gewohnt und Kontakt zu Berlinern gepflegt.

In Prenzlauer Berg spricht die Welt in Zungen Bild: ap

Um Punkt 12.30 Uhr überrollt eine Lawine das weitläufige Treppenhaus der Global Language Services (GLS). Knapp 400 SchülerInnen stürmen gleichzeitig aus den Klassenräumen der privaten Sprachschule, entern die Cafeteria, bevölkern die Bierbänke im Innenhof und strömen hinaus auf die Kastanienallee. In den Grüppchen, die sich vor der Rezeption festquatschen, wird englisch, spanisch, französisch und auch etwas Deutsch gesprochen.

Tatjana Morosowa spricht russisch und ein langsames, melodiöses Englisch. Die 20-jährige Wirtschaftsstudentin verbringt einen Monat in Berlin, um Deutsch zu lernen. Die Sprache wird ihr Pluspunkte bei der Karriere verschaffen, hofft sie, "Deutschland ist schließlich ein wichtiger Handelspartner für Russland." Morosowa wohnt in diesem Monat bei einer Gastfamilie in Friedrichshain, die ihr die GLS vermittelt hat. Sie ist mit ihrem Berlin-Paket "sehr glücklich: Die Schule sei toll, die Familie freundlich, die Stadt habe so viel Geschichte", schwärmt die Russin. Nur die Sprache mit ihren langen Wörtern fällt ihr schwer.

Üben kann Morosowa nicht nur im Kurs oder beim montäglichen "Sprach-Get-Together" im GLS-Pub, sondern auch mit den Deutschen, die abends nach Feierabend in der GLS Fremdsprachen lernen und ein Viertel der Gesamtschülerzahl ausmachen. "Unsere Besonderheit ist die Anbindung an den Berliner Alltag", sagt Sabine Kalina, die als Educational Consultant für die Betreuung der Deutschlernenden zuständig ist. "Auf dem Campus treffen sich Menschen aus aller Welt mit eingesessenen Berlinern."

Die 1983 von der Berlinerin Barbara Jaeschke gegründete Sprachschule GLS residierte zuvor in Schöneberg, doch erst seit der Eröffnung des neuen Campus in der Kastanienallee im Mai 2005 kämen auch viele BerlinerInnen vorbei, um im Restaurant "Die Schule" mittagzuessen, im Reisebüro einen Urlaub zu buchen oder nach Feierabend das Englisch aufzubessern. Man füge sich perfekt in den Kiez an der Kastanienallee ein, sagt Kalina. Nur "gelegentlich" gebe es Anwohnerbeschwerden wegen Partylärms.

Die GLS bietet ihren SchülerInnen auf dem Campus 50 schicke Apartments mit Küche, W-LAN und den Ausgehbezirk Prenzlauer Berg inklusive. Das Freizeitangebot umfasst Ausflüge nach Potsdam, München oder Prag, Stadtführungen und Filmseminare.

Die Nachfrage nach dem Rundum-Wohlfühl-Service ist groß: Das Gästehaus ist ausgebucht, die Unterrichtsräume so voll, dass Einzelschüler in improvisierten Kabinen im Flur unterrichtet werden. Rund 50 Lehrkräfte sind für die 40 wöchentlich startenden Standard-, Intensiv- und Business-Deutschkurse im Einsatz.

140 Euro pro Woche kostet ein Standardkurs, je länger man bleibt, desto billiger wird es. Für Western Bonime und Ian Hutchinson lohnt sich die Investition. Beide kommen aus den USA und wollen sich in Berlin niederlassen. Bonime ist Modedesignerin, seit drei Wochen hier und will sich in der billigen Kreativstadt an der Spree selbstständig machen.

Auch der New Yorker Hutchinson, der als 3-D-Designer arbeitet, sieht seine Zukunft in Berlin. Seit drei Monaten ist er in der Stadt und hat es satt, "einfach null zu verstehen". Die beiden mühen sich im Anfängerkurs "A Null" ab, zusammen mit neun anderen aus Spanien, Schottland und der Schweiz. Bonime und Hutchinson finden den Unterricht gut und den Campusansatz "cool". Als echte Neuberliner nehmen sie an den Schulaktivitäten aber kaum teil. "Meine College-Tage sind vorbei", sagt Hutchinson.

Die internationalen College-Tage des Gebäudes in der Kastanienallee 82 sind dagegen noch recht jung. Bis 2004 war es eine ganz normale Ostberliner Oberschule, die dann wegen Schülermangels geschlossen wurde. An die Vergangenheit erinnert heute im schick sanierten Haus noch eine Vitrine im Flur von Haus 2. Darin sind Schutzbrillen für Luftschutzübungen, abgeschabte Tornister und andere Originalfundstücke aus der DDR-Epoche der Schule ausgestellt.

An alternative Nutzungspläne für Künstlerateliers und ein Stadtteilzentrum, die das Rennen um einen Pachtvertrag mit dem Senat verloren, erinnert in der als Siegerin hervorgegangenen GLS nur noch ein Bildband (siehe Text rechts), der an der Rezeption ausliegt. Doch nur wenige interessieren sich für das kantige Berlinsouvenir. Alternativ war gestern, heute wird an der Kastanienallee gelernt, gewohnt - und gezahlt.

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