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Bildungspolitik in BremenNur kein neuer Streit

Regierung und Opposition wollen den Schulfrieden bewahren und nicht an alten Grabenkämpfen rühren. Bis Jahresende wird nun Bilanz gezogen.

Hier geht der Trend zum Abitur: Bremen Foto: dpa

Bremen taz | Weiteren Frieden in den Schulen haben gestern die Bildungspolitiker aller fünf Landtagsfraktionen ausgerufen. Sie wollen den 2008 beschlossenen „Konsens zur Schulentwicklung“ nicht nur wie geplant evaluieren lassen, sondern auch verlängern – rechtzeitig vor den für 2019 geplanten Bürgerschaftswahlen.

SPD, CDU und die Grünen hatten sich seinerzeit auf ein zehnjähriges Stillhalteabkommen verständigt. Es sollte nicht nur die jahrelangen Grabenkämpfe in der Bildungspolitik beenden, sondern auch die durch mal großkoalitionäre, mal rot-grüne Reformen zersplitterte Schullandschaft einen.

Die sechsjährigen Grundschulen fielen diesem Pakt damals zum Opfer, dafür mussten SPD und Grüne den existierenden Gymnasien eine „Bestandsgarantie“ geben. Die übrigen weiterführenden Schulen wurden mittlerweile, gemäß den Absprachen des Schulfriedens, in Oberschulen umgewandelt.

Nun soll bis zum Jahresende Bilanz gezogen werden. Dabei sind auch FDP und Linkspartei im Boot, die den Konsens seinerzeit zwar mit verhandelt, aber nicht mit unterschrieben hatten. Der grüne Bildungspolitiker Matthias Güldner versprach eine unabhängige, externe Expertise und „keinen Bremer Sumpf, der sich selbst bespiegelt“. Sein SPD-Kollege Mustafa Güngör bekundete großes Interesse daran, „dass alles auf den Kopf gestellt wird“.

Trend zum Abitur

Zum Schuljahr 2016/2017 erhalten laut Senat 3.395 oder 95,6 Prozent aller Kinder einen Schulplatz ihrer Wahl in der fünften Klasse.

Für 1.136 oder 32 Prozent aller SchülerInnen wurde dabei das Gymnasien gewählt. Im vergangenen Schuljahr waren es 29,5, für 2014/15 30 Prozent.

154 SchülerInnen bekamen keinen Schulplatz ihrer Wahl. 2015/16 waren es 144, 2014/15 nur 108.

550 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge warten auf einen Schulplatz. Daneben gibt es 92 Vorkurse an allgemeinen und 52 an berufsbildenden Schulen.

Entsprechend lang ist auch die Aufgabenliste, die in dem gemeinsamen Antrag aller fünf Landtagsfraktionen steht: Um Inklusion und Ganztagesschulen soll es gehen, um frühkindliche Bildung und die Integration von Zuwanderern, um Schulabschlüsse und Sprachförderung, um die Reform der Lehrerausbildung, Schulsozialarbeit, die Eigenständigkeit von Schulen – und vieles andere mehr. Und die Ergebnisse der Evaluation sollen möglichst noch in diesem Jahr vorgestellt werden.

Und während die CDU verhindern will, „dass die Ideologie in die Debatte zurückkehrt“, will die SPD-Fraktion „keine neue Standort- und Strukturdebatte“. Im Ressort sieht man das ähnlich: „Meine Mitarbeiter und ich sind grundsätzlich mit dem Zwei-Säulen-Modell aus Oberschulen und Gymnasien zufrieden“, erklärte Schulsenatorin Claudia Bogedan gestern. „Tiefgreifende strukturelle Veränderungen und erneute Schulreformen“ werde es mit ihr nicht geben, so die SPD-Politikerin.

„Wir brauchen Ruhe und Planungssicherheit“, sagt auch die linke Bildungspolitikerin Kristina Vogt – „deswegen sitzen wir hier mir am Tisch“. Entsprechend dezent war ihre Forderung nach „längerer gemeinsamer Beschulung“ der GrundschülerInnen, entsprechend zurückhaltend auch das Plädoyer des CDU-Bildungspolitikers Thomas vom Bruch für eine „qualitative und quantitative Entwicklung der Gymnasien“. Und sowohl CDU als auch Linkspartei wollen den neuen All-Parteien-Frieden nicht durch allzu viel Streit ums Geld gefährden: Finanzielle Ressourcen sollte „nicht die Hauptrolle spielen“, so vom Bruch.

Grüne und FDP wiederum wollen die 2009 eingeführte Inklusion genauer unter die Lupe nehmen. Die jüngste Bilanz von elf Grundschulen aus dem Westen fiel da ernüchternd aus: Zuerst gab es erwartbare „Anfangs- und Anlaufschwierigkeiten“, schrieben sie der Schulsenatorin – und im Laufe der Zeit „eine Verschlechterung der Situation“.

Es fehlt vor allem am Personal. Damals sprach die CDU von „eklatanten Missständen“, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gar von einem „bildungspolitischen Desaster“. Solchen Kontroversen wollte gestern niemand entfachen.

Neue Forderungen kamen dagegen aus den Jugendverbänden von Rot-Grün: Sie verlangen unter anderem einen verbindlichen Rechtsanspruch auf einen Schulbesuch bis zum 21. Lebensjahr auch für alle Geflüchteten. Bogedan lehnt das ab: „Damit holen wir uns Probleme ins Haus, die wir nicht haben wollen.“

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