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Bildungsmesse DidactaBeim E-Learning sitzengeblieben

Auf der Fachmesse Didacta spielt digitales Lernen eine untergeordnete Rolle. Desinteresse der Lehrer oder mangelndes Angebot der Verlage?

Vernetzen ist angesagt: Doch Lehrerinnen und Lehrern wird es schwer gemacht. Bild: imago/Jochen Tack

KÖLN taz | Als ich auf der Didacta in Köln ankomme, bin ich über einen Teil der Besucher dieser Bildungsmesse amüsiert. Hatte ich es zunächst für ein Gerücht gehalten, dass viele Besucher Koffer auf Rollen dabei haben, um das einzusammelnde Material transportieren zu können, sehe ich nun, dass dieses Gerücht stimmt.

Aus dem Zug steigen an der Messe Dutzende von Besuchern mit leeren großen Rucksäcken, Trolleys und Reisekoffern. Viele, die ohne diese Utensilien angereist sind, finden später auf der Messe Aussteller, die Pappkartons auf Rollen verschenken. Man kennt eben die Bedürfnisse der Besucher.

Mein Bedürfnis ist es nicht, mich an den Ständen von Schulbuchverlagen mit Büchern einzudecken. Obwohl sie zu Preisen angeboten werden, die zum Teil sehr günstig sind. Mein Bedürfnis ist es zu erfahren, wo ich diese Schulbücher als E-Books erwerben kann, wie ich sie auf mein digitales Lesegerät bekomme und nutzen kann, ohne dass ich einen Laptop brauche oder mit dem Tablet online sein muss, wie es momentan beim Angebot digitale-schulbuecher.de der Schubuchbranche noch der Fall ist.

TORSTEN LARBIG

Der Autor ist Lehrer an einem Gymnasium und Blogger in Frankfurt am Main. herrlarbig.de, twitter.com/herrlarbig

E-Learning ist ein Schwerpunkt der Didacta

Diese Frage nach E-Books löst verschiedenste Reaktionen aus. An einem Stand sagt man, dass das nicht möglich sei – und lacht. An anderen Ständen ist man ratlos oder man verweist mich an die Entwickler der verlagseigenen Onlineangebote, die neben dem zentralen Angebot des Branchenverbandes den Markt abdecken sollen.

E-Learning ist zwar ein Schwerpunkt im Rahmenprogramm der Didacta 2013, an den Ständen der Schulbuchverlage dominieren aber nach wie vor Bücher aus Papier. Die E-Learning-Angebote, die ich sehe, sind instruktiv, bilden in der Regel Frontalunterricht in Form von Schulbüchern ab.

Die Möglichkeiten des Internets für das Lernen, die Vernetzung von Lehrern und die digitale Schulentwicklung, das alles scheint die Besucher am Messesamstag kaum zu interessieren.

Lehrer bleiben bei den Büchern

Dort, wo es um Bildungstechnik geht, sind die Hallen leer. Man habe, höre ich an verschiedenen Ständen, vor allem mit Schulleitungen und Entscheidungsträgern von Schulträgern zu tun. Lehrer, Referendare und Lehramtsstudenten interessieren sich im Vorübergehen höchsten für digitale Tafeln. Schon die vor Ort in Aktion zu sehenden 3-D-Drucker wecken nur wenig Interesse.

Langsam weicht mein anfängliches Amüsement über die Rollenkofferfraktion einem ambivalenten Gefühl. Ist das große Interesse an den Büchern dem Desinteresse der Lehrer an digitalen Medien geschuldet?

Oder ist das geringe beziehungsweise nach wie vor nicht wirklich komfortabel zu handhabende Angebot an digitalen Medien schuld, dass Lehrer bei Büchern bleiben?

#didacta

Ohne eine Antwort auf diese Frage gefunden zu haben, nutze ich den Messetag, um Menschen zu treffen, mit denen ich digital vernetzt bin. Zum Teil gehe ich unangemeldet zum Stand, zum Teil haben wir uns unter dem Hashtag #didacta via Twitter verabredet.

Ich erlebe für mich selbst den Mehrwert dieser Vernetzung für meinen Austausch und mein Nachdenken über Bildungsmedien. Aber selbst in diesen Begegnungen höre ich viel Skepsis über ein allzu großes Engagement im digitalen Bereich. Der Markt sei da noch zu unberechenbar, heißt es, die digitale Bildungsrevolution schon zu oft vertagt worden.

Dass sich dies ändern könne, stellen Lehramtsstudenten in Frage, die ich beim Mittagessen treffe. Ob sie nicht digitale Angebote von den Schulbuchverlagen vermissen würden, frage ich. Sie verneinen, sie seien da nicht so interessiert.

Verborgene Triebfeder im Messegetümmel

Später sehe ich, wie sie bei einem Verlag einen Adresszettel ausfüllen und dabei auch ihre E-Mail-Adresse hinterlassen. Völlig fremd scheint ihnen das Netz also nicht zu sein.

Was aber passiert auf dieser Messe? Was erfahre ich hier vielleicht über Deutschlands Bildungssystem? Steht hier irgendetwas zwischen den Zeilen, das nicht offensichtlich erkennbar, aber vielleicht doch eine verborgene Triebfeder im Messegetümmel ist?

Also noch einen Gang durch jene Messehallen, in denen der Schwerpunkt auf schulischer Bildung liegt. Schulbücher bieten Lehrern ausgearbeitete, an Lehrplänen orientierte Unterrichtsmodelle an. Das kenne ich aus meiner eigenen Schulzeit, das weiß ich als Lehrer.

Didaktische Hilflosigkeit?

Dankbar greife ich auf diese Modelle zurück, wenn ich sie für einigermaßen gelungen halte und es im Rahmen von Unterricht, Korrekturen, Beratungen, Konferenzen und sonstigen schulischen Aktivitäten mal wieder nicht gelingt, den Unterrichtsentwurf zu erstellen, den ich eigentlich im Kopf hatte. Mir geht es offensichtlich nicht allein so.

Ist das Sammeln von Material vielleicht tatsächlich eine Reaktion der Lehrkräfte auf den Mangel an Zeit, um eigene Unterrichtsmodelle zu entwickeln, die zu den unterschiedlichen Lerngruppen wirklich passen?

Oder sollte es didaktische Hilflosigkeit sein, die zum Beispiele Referendare umtreibt, sich möglichst schnell einen großen Pool an Lernmaterial anzuschaffen?

Digitales Material hat eigentlich keinen Mehrwert

Da ist es egal, ob das Material analog oder digital vorliegt, denn es gibt beim digitalen Material eigentlich keinen Mehrwert, außer in Zukunft ein paar Animationen.

Was ich bei den Schulbuchverlagen sehe, hat nichts mit einer Veränderung des Lernens zu tun, sondern nur mit der Veränderung von Datenträgern mit Lernmaterial. Die digitalen Optionen zur Vernetzung spielen in den Bildungsmedien keine für mich auf den ersten oder zweiten Blick wahrnehmbare Rolle.

Selbst die von Schulbuchverlagen in Eigenregie entwickelten digitalen Lehrerarbeitsoberflächen sind letztlich nichts anderes als Sammlungen von Arbeitsblättern zum Ausdrucken; Möglichkeiten, etwa gemeinsam eine Unterrichtseinheit vorzubereiten, sich mit Kollegen zu vernetzen, sind da nicht vorgesehen.

Es geht ums Geld

Kein einziger Verlag wirbt damit, dass man sich das Lehrerleben leichter machen könne, wenn man sich vernetzt, kooperiert, gemeinsam Material entwickelt.

Stattdessen geht es ums Geld. Bei einer Messe ist das wenig überraschend. Aber je mehr ich mir auf dieser Messe als Exot aus Digitalien vorkomme, der durchaus Bücher aus Papier und das Schreiben mit Füller zu genießen vermag, umso irritierter bin ich, dass man bei Verlagen auf bewährte Modelle setzt und wenig innovationsfreudig ist oder visionäre Konzepte zumindest mal in die Diskussion wirft.

Ich erfahren im Laufe des Messetages, dass die Rendite im Schulbuchmarkt um die 3 Prozent liege, dass pro Schüler und Jahr 48 Euro für Bildungsmedien ausgegeben würden, dass man 7.000 Registrierungen für eine Schulbuchplattform nach drei Monaten für einen Erfolg hält, obwohl diese Zahl hochgerechnet bedeuten würde, dass es 25 Jahre dauern würde, bis alle Lehrer sich dieser Plattform digitale-schulbuecher.de bedienen würden.

Digitale Medien als Ersatz für Lehrfilme

Ich erfahre auf dieser Messe nichts über eine Marktforschung, die nach Bildungsinvestitionen jenseits des Status quo fragt. Oder sagt diese Marktforschung womöglich aus, dass alles so bleibt, wie es ist, dass die paar stark an digitalen Lernkonzepten interessierten Lehrer und Lehrerinnen Exoten sind und bleiben?

War ich am Anfang über Rollkoffer amüsiert, beginne ich am Ende zu begreifen, dass die oft beschworene Krise des deutschen Bildungssystems sich auch auf dieser Messe zeigt. Lehrer halten an Unterrichtskonzepten fest, die nach wie vor auf Schulbüchern aufbauen.

Sie sehen digitale Medien vor allem als Ersatz für Lehrfilme oder nutzen sie als Zusatzmaterial; Schulbuchverlage bedienen diese Nachfrage, stecken viel Energie in digitale Angebote, die wiederum die Vorstellung eines Unterricht abbilden, der zwar zur Kooperation und Vernetzung befähigen will, sich selbst aber der Kooperation und Vernetzung über die analogen Grenzen des Schulgebäudes hinaus nach wie vor entzieht.

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7 Kommentare

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  • M
    Maßlos

    Es ist mitnichten die Aufgabe der Schule, sämtliche Antworten auf die aktuellen, gesellschaftlichen Entwicklungen zu finden, sondern zunächst einmal die eines jeden EINZELNEN. DIe Schule kann lediglich versuchen, mit Schülern und ELtern rudimentär zusammen zu arbeiten und Empfehlungen zu geben- und in der Regel tut sie das auch. Viele drückt die Bürde der EIngenverantwortung so schwer, dass sie sich offensichtlich nach einem sie soft pudernden Sklavenstatt sehnen. Was eigentlich ziemlich traurig ist.

     

    So sehr es mich semiamüsiert den Autor scheinbar in schierer Verwunderung über die bösen-bestimmt kapitalistsichen Messetrollies zu erleben- zum Thema Lernen hat die aktuelle Forschung längst eigene Antworten. Der Frontalunterricht ist für den effektiven WIssenserwerb unverzichtbar und aus dem Unterricht nicht mehr fortzudenken. Liefert wohl nachweislich die besten Ergebnisse. Dagegen nicht so toll, die Gruppenarbeit für alles und jeden. Bringt in der politisch unkorrekten Welt meist erst ab einem gewissen ALter etwas-zumindest, wenn es um die Aneignung- nicht Umsetzung- von Wissen geht. E.Lerning als Ergänzung des Lernprozesses bei älteren Schülern alles nett und schön und gut. Bei kleineren Kindern eher Zier. Dazu ein bis zwei Stunden die WOchen Medienerziehung. Und schön wäre alles geritzt und der Rest ist dann bitteschön dem Individuum zu überlassen. Mit allen sich daraus ergebenen Rechten und Pflichten.

  • MM
    Michael Maaß

    Herr Larbig spricht mir aus dem Herzen. Der gleichlautende Print-Artikel in der TAZ hat den Titel "Ein Exot aus Digitalien". Das passt besser, denn um E-Learning im engeren Sinne geht es überhaupt nicht.

    Nach meiner Einschätzung und Erfahrung geht es um einen Kulturbruch, der in der Schule bisher nur marginal stattfindet, wohl aber in der restlichen Gesellschaft:

     

    Der umfassenden Digitalisierung.

     

    Wie man das findet, ist erst einmal egal. Aber eine Antwort darauf haben Schule und Bildung zu finden. Herr Larbig beschreibt eigentlich nichts anderes als den Kopf des Straußes im Sand, wenn er von der Didacta berichtet.

     

    Oder konkreter: Das Horten und der Austausch von Material ist alte Lehrergewohnheit, der Tausch schon weniger. Und das Abbilden dieser Gewohnheit auf Rechner und im Netz bringt in der Tat keinen Schritt weiter.

    Es geht um neue Ideen in der Schule zu kooperieren, es geht um neue Ideen zusammen zu arbeiten und sich gegenseitig zu bilden. Die Schule steht vor der digitalen Welt wie das Kaninchen vor der Schlange.

     

    Und währenddessen sitze ich an Elternsprechtagen vor den angsterfüllten Gesichtern von Müttern, deren Söhne sich schon lange in der digitalen Welt verloren haben. Und kann ihr nur sagen, dass die Schule darauf keine Antworten hat, sich nicht einmal damit beschäftigt.

  • TR
    Tobias R.

    Bei allem Hype um eLearning und den Möglichkeiten, die sich hier auftun: Es besteht die realistische Möglichkeit, dass all die aufwendigen LMS, MOOCs und eLearning-Angebote in 10 Jahren das sind, was die Sprachlabore an Schulen nach 10 Jahren auch waren: vollgestaubte Räume, die nur einen sehr eingeschränkten Nutzen haben/hatten. Die Gründe hierfür sind aber nicht nur bei den Lehrern zu suchen, die zugegebenermaßen an Ihren alten Kopiervorlagen festhalten (und nichts täte ich lieber, als auf diese stattliche subventionierte und überbezahlte Spezies zu schimpfen). Die wenigsten Schüler haben indes die erforderliche Selbstlernkompetenz und Disziplin, die eLearning oft erfordert. Von den noch nicht vorhandenen Kulturtechniken bezogen auf Lernen ganz zu schweigen. "Digital Natives" bezieht sich eben derzeit erst auf die Nutzung von Social Media, aber nicht auf Social Learning

  • H
    hoffentlich

    Desinteresse

  • AH
    Andreas H.

    Youtube ist E-Learning at its best. Es gibt so viele Videos zu Sachverhalten, die im Unterricht so dermaßen schlecht durchgenommen worden sind, dass man sie einfach nicht verstehen konnte. Gerade das Thema Physik wird sehr gut erklärt. Hier mal ein ca 40 minütiges Video, das Universum und seine Kräfte erklärt:

     

    http://youtu.be/0NbBjNiw4tk

     

    Alles auf Englisch... klar, die Deutschen schaffen es nicht, so einen Kanal auf die Beine zu stellen. Minutephysics bietet ebenfalls Wissen und stellt alles in Comics dar. Selbst Mathe kann interessant sein: numberphile geht manchmal sehr tief in die Materie hinein, bietet aber durchaus Themen und Zahlen, die mit entsprechender Aufbereitung einen "Cool, mit dem Wissen kann ich angeben"-Effekt erzeugen.

     

    Unser Problem ist nach wie vor, dass Lehrer sich auf Lehrbücher konzentrieren. Hier ein anderes Beispiel, was die Misere verdeutlicht und ein Aufruf an alle Lehrer der Wissenschaften sein soll:

    http://youtu.be/6OaIdwUdSxE

     

    Und noch ein paar andere Kanäle, die empfehlenswert sind: Vsauce (etwas nerdy, aber zum Teil richtig gute Fragen, die beantwortet werden, und ganz gut sind die Leanbacks), TEDtalksdirector, TEDEducation, 1veritasium, scishow.

     

    Es gibt unzählige Ressourcen und kein Lehrer wird diese Ressourcen entdecken. Wie heißt es so schön auf Englisch: Spread the word. Damit's auch der letzte Lehrer weiß.

  • WN
    Wolfgang Neuhaus

    Aus meiner Sicht ist E-Learning ein überholtes Konzept des 20sten Jahrhunderts, das kreative, aktive und handlungsorientierte Formen des Lernens eher behindert. Wir bemühen uns an der Freien Universität Berlin darum, aus der Perspektive eines konstruktivistisch, reformpädagogisch verstandenen Lernens (soweit man den Begriff Reformpädagogik noch nutzen kann ...) heraus ein Lehrbuch der Zukunft zu entwickeln, das aktive und selbstbestimmte Formen des Lernens unterstützt. Das heißt, hier steht nicht die Technologie im Mittelpunkt, sondern die lernenden und kommunizierenden Menschen und ihre jeweils individuelle Art, sich Wissen anzueignen. Unter der Überschrift »Technology Enhanced Textbook« haben wir vom 14. bis 17. März einen Stand auf der Leipziger Buchmesse, an dem wir erste Demonstratoren unseres "Lehrbuchs" vorführen, das zunächst mal ein leeres Buch ist, das mit den Erfahrungen der Lernenden wächst. Wir würden uns freuen vor Ort oder auch parallel Online mit Euch über unseren Ansatz zu diskutieren.

  • HG
    Heinz Gralki

    Die in diesem Artikel beschriebene Situation ist ein Hoffnungsschimmer.

     

    E-Learning ist der Tod der Didaktik und für Didaktiker, die immer wieder nach Möglichkeiten suchen, anderen Menschen Wissen, Haltungen und Gefühle zu vermitteln zu Recht ziemlich uninteressant.

     

    Lerninhalte werden von Mensch zu Mensch vermittelt oder von Mensch über Bücher zu anderen Menschen - und nicht über die Einöde von ewig gleichen Bildschirmen.

     

    Weiter sind Gespräche und Diskussionen über Inhalte wichtig und man irrt, wenn man die Beteiligung an Blogs, Foren oder Wikis für einen Ersatz hält.