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Bildungsinitiative „Teach First“Hilfslehrer zwischen den Fronten

Die Initiative „Teach First“ schickt Hochschulabsolventen ohne methodische Ausbildung an die Schulen. NRW findet das gut, in Berlin sind die Hilfslehrer nicht gefragt.

Ist es Erstklässlern egal, wer sie unterrichtet? Bild: dpa

BERLIN taz | Mit dem Schulbeginn in Nordrhein-Westfalen in der vergangenen Woche sind auch Martin Lichtenbergs Sommerferien vorbei. Er ist ein sogenannter Fellow der Bildungsinitiative Teach First Deutschland (TFD). Anderthalb Jahre lang soll er die Lehrer der Kölner Hauptschule Tiefentalstraße bei ihrer Arbeit unterstützen.

„Ich weiß es zu schätzen“, sagt Lichtenberg, „dass ich kein normaler Lehrer bin.“ Als Fellow genieße er einen Vertrauensvorschuss bei den Schülern. Zwar ist er auch im normalen Unterricht eingesetzt, vor allem aber bereitet er die Schüler auf Prüfungen vor oder leitet AGs, zum Beispiel die Mülheim-AG: Zusammen mit den Schülern will er einen alternativen Stadtführer entwerfen, speziell für den Bezirk Köln-Mülheim, in dem sich seine Schule befindet.

„Was wir bieten können, ist Zeit“, meint der 32-Jährige. Nachtmittags sitzt er immer im Schülercafé, er nennt das „offene Sprechstunde“. Theoretisch könnten natürlich auch reguläre Lehrer die Aufgaben der Fellows übernehmen, sagt Lichtenberg. Im Schulalltag mangele es dann aber oft an Kapazitäten.

Dorothea Schäfer, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Nordrhein-Westfalen, weiß um das Konfliktpotenzial dieser Sonderstellung. Trotzdem spricht sie von „superpositiven Rückmeldungen“ der SchulleiterInnen und begrüßt, dass auch Menschen aus anderen Bereichen an die Schulen kommen. Martin Lichtenberg hat in Köln Lateinamerikanistik studiert, als Diplomstudiengang und nicht auf Lehramt.

Der Mangel an methodischem Wissen stört die Gewerkschafter auf Bundesebene. Zwar seien die TFD-Fellows um gute pädagogische Arbeit bemüht, sagt Marianne Demmer, Vize-Chefin der GEW: „Wir möchten, dass die Schulen mit genügend und pädagogisch ausgebildetem Personal ausgestattet sind.“ Die Fellows, die vor ihrem Einsatz einen Pädagogik-Crashkurs von sechs Wochen erhalten, seien nicht ausreichend qualifiziert.

Gegenwind aus der Hauptstadt

Und noch etwas schmeckt der GEW nicht: Von den Gehältern der Fellows abgesehen, die die Länder zahlen, finanziert sich TFD aus Geldern privater Unternehmen wie der Deutschen Post DHL oder Vodafone. Kirsten Altenhoff von TFD versichert jedoch, dass die Fellows im Unterricht keine Werbematerialien einsetzen.

Allerdings würden in den zweiwöchigen Sommercamps, in denen angehende TFD-Fellows Jugendliche betreuen, Werbematerialien der Förderer verwendet – Stifte, Radiergummis und Schlüsselbänder – mit Logos der Unternehmen. Aber selbst Demmer von der GEW räumt ein: „Man kann den TFD-Fellows wohl nicht vorwerfen, bewusst die Interessen der Privatwirtschaft zu vertreten.“ Worum es den Unternehmen hinter TFD gehe, sei die Imagepflege.

Der stärkste Gegenwind kommt aus der Hauptstadt. Die Nähe zur Privatwirtschaft ist dabei nicht der einzige Kritikpunkt der Berliner Gewerkschafter. Bis zu diesem Schuljahr haben der Berliner Senat und TFD bei der Einstellung der Fellows die Bezirkspersonalräte übergangen. In ihnen sind auch zahlreiche GEW-Mitglieder vertreten. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat diesem Verfahren jedoch ein Ende bereitet und den Personalräten ein Vetorecht eingeräumt.

Prompt haben diese in den jüngsten Einstellungsverfahren ihr neues Recht genutzt und den Einsatz der Fellows in mehreren Bezirken verhindert. Für die Fellows in Berlin, wo das Schuljahr bereits Anfang August begonnen hat, ändert das allerdings nur wenig. Die von den Personalräten abgelehnten Fellows hat TFD in anderen Bezirken untergebracht. Man habe nach der bestmöglichen Alternative gesucht, sagt Altenhoff.

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9 Kommentare

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  • M
    majo

    Es ist gut Leute mit anderen Lebenshintergründen in die Schulen zu bringen um dort etwas zu vermitteln. Schließlich trifft man auf diese Leute ja auch nach der Schule im Leben!

     

    Der Ansatz ist gut, nur wie könnte man die Umsetzung wirklich industriell unabhängig und mit Sicherheit der Fellows einhergehen lassen?

    Das wäre das worum sich die Gewerkschaft bemühen müsste, nicht dass man hier versucht ein Niedriglohn-Fass an Schulen zu öffnen...

  • N
    Noncommittal

    Ein typischer Lehrer (m/w) ist per Definition eine Person, die ausser Schule und Uni sonst nichts gesehen hat. Viele davon haben noch dazu ein sehr grosses Beduerfnis nach Sicherheit (Beamtenstellen).

     

    Ein GEW-Funktionaer ist noch dazu eine Person, bei der dieses ohnehin schon grosses Sicherheitsbeduerfnis absolute Ueberhadn genommen hat. Die scheren sich nicht um methodische Ausbildung!

     

    Sie fuerchten Konkurrenz von den Fellows, die den Kindern zeigen koennen, dass man auch anders das Leben angehen kann, sich engagieren kann (ausser den "genehmigten Schul-AGs), etwas wagen kann.

     

    Als ehemalige Lehrerin bin ich davon ueberzeugt, dass ein 6-woechiger Methodik-Kurs absolut ausreicht, um 1 Jahr lang in einer Schule auszuhelfen.

     

    Sie spinnen, die GEW. ;)

  • OV
    Olav van Gerven

    Als ich die Arguemente der GEW gelesen habe, musste ich doch schmunzeln. Wie groß st der Anteil an Methodik im Lehramtsstudium? Und wie viel Pädagogik wird gelehrt? Und dann noch, die Studenten wissen alles, können jeder einzelnen Schritt im Unterricht methodisch und pädagogisch begünden, doch die Spezies "Schüler" die sie demnächst in der Schule antreffen werden, haben sie in der Praxis nur selten kennen gelernt. Da zeigt sich dann, wer nicht nur weiß, sondern auch kann. Immer wieder erlebe ich Referendare, die einfachste praktische Dinge nicht gebacken bekommen, weil sie zwar wissen wie es theoretisch sein soll, aber die große Pädagogen wie Reggio, Montesori und wie sie allen heißen mögen, nicht geusst haben, dass es einmal Mobiltelefone geben würde und sich auch nicht vorstellen konnten, dass ein Staat sich so fahrlässig in Sache Bildung aufstellen könne, wie es seit Jahre geschieht.

    Da habe ich lieber ein praxisnahen "Fellow" der einen Draht zu den Kindern hat und zwar nicht genau wissenschaftlich begründen kann warum er etwas macht, es dafür aber richtig macht und den Kindern eine Hilfe und Vertrauensperson ist. Auch wenn das die GEW nicht unbedingt ins Konzept passt.

  • K
    Kerndummheit

    Hahaha, oh Gott ist das schlecht geschrieben!

    Was ist die Kernaussage?

     

    Ich bitte um einen Artikel mit dem Titel:

    "die tageszeitung (taz) schickt Hochschulabsolventen ohne journalistische Ausbildung an ihre Schreibtische. taz Leser finden das nicht gut."

  • T
    tilmann

    ist die taz eine gewerkschaftszeitung? anders kann ich mir nicht erklären, dass die lehrergewerkschaft exklusiv dieses tfd kritisieren darf. und wer fragt mal nach den interessen der gewerkschaft?

     

    wenn ich lese, dass sich in berlin die bezirkspersonalräte übergangen fühlen und dann gleich auf blockade schalten, sobald sie wieder mitreden, frage ich mich: ist das im interesse der schulen und der schüler? oder geht es um pfründe und proporz?

     

    gegenüber solchen funktionären erscheinen mir unternehmen, die ihr image durch das verteilen von kugelschreibern aufbessern wollen, geradezu harmlos.

     

    ich will nicht polemisieren. eine gute pädagogische ausbildung ist wichtig. aber mal im ernst: die ach so wertvolle lehrerausbildung an den hochschulen ist doch so toll nicht. das kann jeder referendar bestätigen.

     

    sechs wochen intensiver ausbildung würden vielen studenten mehr bringen als ihre jahre in den uni-seminaren. dort sitzen sie ihre zeit ab, damit die gewerkschaft am ende die hohe qualifikation ihre mitglieder loben kann.

     

    wer diese kritik an der ausbildung für unqualifiziert hält, der spreche mal mit einem x-beliebigen lehramtsstudi in berlin.

     

    beim lesen habe ich mich gefragt: wo sind denn stimmen aus den schulen? finden die auch, die leute seien nicht ausreichend qualifiziert? selbst die gewerkschaft spricht doch von "superpostiven rückmeldungen".

     

    in meinen augen zeichnet sich in den worten der gewerkschaft ein widerspruch ab, der dadurch zustande kommt, dass die gewerkschaft ihre - neutral ausgedrückt - prinzipien hat, während die leute an der "front", in den schulen, überaus zufrieden sind mit den tfd-leuten.

     

    da wünscht man sich als leser eine reportage - ohne verlautbarungen und ein bemühtes "einerseits - andererseits". wer der lehrergewerkschaft so viel raum gibt, der hat doch im grunde schon eine entscheidung getroffen, in welche richtig die darstellung geht. schade drum.

  • K
    kyky7

    genau oli: die schüler entwickeln mit dem follow einen alternativen stadtführer (prototyp). vodafone verhöckert den dann als app. die schüler dürfen stolz auf ihre entwicklung sein und merken gleich wie es im leben läuft!

  • B
    Butrint

    Man sieht was die "pädagogische pseudoqualifizierung" MANCHER lehrer in schulen bringt: nix, außer frust bei einigen schülern, eltern und lehrern. Aber begeisterung von jemandem, der eben nicht den alltäglichen pädagisch so wertvollen blabla von sich gibt, das holt die schüler zurück an ihre bücher. Die kids hält man nicht mit pädagosichen methoden vom joint und dem wettbüro fern, sondern über begeisterung, inspiration und vorbild!

    Was die unterstützung der privatwirtschaft angeht, so ist dies der gleiche mechanismus der bei anderen emeinnützigen bzw. Wohltätigen zwecken greift.

    Hier werdenkeine lehrer ersetzt, sondern eingravierendes problem, was die schulen alleinenicht habenlösen können, bedient: das interesse am lernen durch zwischnmenschliches handeln wiedererwecke.

    Die art der recherche in diesem artikel hat mich sehr enttäuscht!

  • O
    Oliver

    Schade. Etwas genauer hinzuschauen hätte dem Artikel gut getan. Da gehen endlich mal fitte Leute an die Schulen, an die kaum ein "normaler" Lehrer mehr will, und dann kommt erst mal der typisch deutsche Reflex: Wo ist der Haken? Über was könnte man sich beschweren? Mit der Haltung ist keinem Schüler geholfen...

  • K
    kyky7

    an berlins schulen gibt es schon länger "aushilfslehrer" die kein lehramtstudium abgeschlossen haben. mathe- und physikmagister in neukölln und kreuzberg zbsp. diese werden gerne als springer benutzt und spätestens nach einem jahr wieder an einer anderen schule eingesetzt. ob das mit befristeten verträgen zu tun hat weiß ich nicht. auf jeden fall werden die nur vom jobcenter gesponsert.