piwik no script img

"Bild", taz und WulffAufklären – ohne Witz

Die "Bild" befasst sich mit ihrer Rolle in der Wulff-Affäre. Der Chefredakteur verspricht Antworten. An wen gab er die Mailbox-Nachricht des Bundespräsidenten weiter?

Für ihn läuft's wie geschmiert: "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann. Bild: dpa

BERLIN taz | Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild, hat Humor. Vielleicht ist damit schon das Freundlichste gesagt über den "wichtigsten Journalisten des Landes", wie er sich selbst in einer Mail an die taz nennt. Er meint das ironisch, versteht sich. Oder halb-ironisch.

Am Freitag schickte die taz Kai Diekmann einen Fragenkatalog zur Rolle seiner Zeitung in der Mailbox-Affäre um Bundespräsident Christian Wulff: Wann gab Diekmann den Inhalt der Mailbox an wen weiter? Und wie? Als Tondokument oder in schriftlicher Form? Warum fragt Kai Diekmann den Bundespräsidenten um Erlaubnis zur Veröffentlichung, obwohl Bild-Redakteure bereits Teile der Nachricht verbreiten?

Diekmann reagiert mit einer Wulff-Imitation, sie kursiert inzwischen im Internet. Und dem Versprechen, die Fragen bis zum Montagnachmittag zu beantworten.

Neues zu Wulff

Der Berliner Film-Unternehmer David Groenewold hat nach einem Bericht der Bild am Sonntag beim Münchner Oktoberfest 2008 für den heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff und seine Frau Bettina ein Upgrade für eine Luxussuite im Fünf-Sterne-Hotel "Bayerischer Hof" bezahlt. "Mein Mandant hat dafür, dass Herr Wulff eine bessere Zimmerkategorie erhält, 200 Euro pro Übernachtung bezahlt. Es waren insgesamt zwei Nächte, also 400 Euro", zitierte das Blatt Groenewolds Anwalt Christian-Oliver Moser.

"Von der Übernahme der Kosten des Upgrades durch meinen Mandanten hat Herr Wulff nichts gewusst", betonte der Anwalt demnach aber weiter. Wulff war dem Bericht zufolge im September 2008 auf Einladung Groenewolds zu seinem ersten Oktoberfest-Besuch nach München gereist. Dabei besuchten der CDU-Politiker und seine Frau ein Fest Groenewolds in "Käfers Wiesnschänke" auf dem Oktoberfest-Gelände.

Bereits zuvor war bekannt geworden, dass Groenewold 2005 gut 10.000 Euro Honorar an den Autor eines wohlwollenden Buchs über Wulff gezahlt hat. Allerdings gibt es unterschiedliche Angaben dazu, wofür das Geld bestimmt war. Wulff hatte sich als Ministerpräsident auch für die Interessen der Filmbranche eingesetzt. (afp)

Warum die Anfrage? Der Bild-Chef ist längst nicht mehr Beobachter in der Affäre Wulff. Sondern Akteur: Er bestimmt die Geschwindigkeit der Affäre mit, er taktet die Weitergabe der Mailbox-Details. Mit wachsendem Einfluss muss sich Diekmann Fragen gefallen lassen, fast wie ein Politiker. Der einzige Unterschied: Er ist nicht gewählt. Doch das sollte ihn nicht schützen vor Kritik. Im Gegenteil. (Fragen am Rande: Warum treten Sie so selten in der Öffentlichkeit auf? Warum weiß kaum jemand, wie Ihre Stimme klingt? Für was stehen Sie?)

"Ich erpresse nicht"

Im Duktus hielt sich die taz-Anfrage an eine E-Mail des "Bild"-Reporters Martin Heidemanns. Er schrieb am Morgen des 11. Dezember 2011, einem Sonntag, um 6:49 Uhr an Olaf Glaeseker, den ehemaligen Sprecher Christian Wulffs, der an jenem Sonntag noch im Dienst war. "Sehr geehrter Herr Glaeseker, im Zusammenhang mit unserer Recherche...bitten wir..freundlich um Beantwortung folgender Fragen..."

Auch das ist eine interessante Frage: Wer ist Martin Heidemanns, der freundliche Absender der Mail? Wie arbeitet er? Der Tagesspiegel veröffentlichte 2004 einen Text, der sich kritisch mit den Methoden des damaligen Unterhaltungschefs der Bild befasste. Heidemanns reagierte prompt mit einer Richtigstellung: "Der Text erweckt den Eindruck, dass ich bei meiner Berufsausübung schreie, drohe, erpresse. Das ist falsch. Ich schreie nicht, ich drohe nicht, und ich erpresse auch nicht."

Im Archiv ist der Text inzwischen gelöscht. Man würde gerne mehr wissen über den Mann, der den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland in die missliche Situation bringen konnte, den Chefredakteur eines Boulevardblatts anzubetteln.

Montag, 16 Uhr

Die E-Mail Heidemanns an Christian Wulff hat Bild inzwischen veröffentlicht, sie brachte die Affäre ins Rollen, beziehungsweise ans Licht. Und den Bundespräsident zu jener dummen Idee, den Chefredakteur der Bild auf die Mailbox zu reden. Christian Wulff in Rage? Jene, die Wulffs Mailbox-Ansprache im Originalton hören konnten, berichten eher von einem gefassten, einem bettelnden Präsidenten. Macht das die Sache besser? Wohl kaum.

Aber es stellt einige Schlagzeilen der letzten Wochen in Frage: "Wulff und der Wutanruf" (Hamburger Abendblatt), "Wulffs Wut-Anruf irritiert Koalition" (Zeit-Online), "Wutanrufe, Kreditaffäre, Glaubwürdigkeitsprobleme"(taz.de). Wie kann man so etwas schreiben, ohne die Nachricht gehört zu haben? Oder andersherum: Wie kann man so etwas noch schreiben, nachdem man sie gehört hat?

Es bleiben viele Fragen offen. Die Affäre Christian Wulffs ist auch eine Affäre der Medien. Erste Antworten gibt es bis Montag, 16 Uhr. Bis dahin will Kai Diekmann auf die Anfrage der taz reagieren. Der "wichtigste Journalist des Landes" hat sein Wort gegeben. Er will aufklären. Ohne Witz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • D
    DocEx

    Christian Wulff sollte den Axel-Springer Verlag auf Herausgabe des Bandes mit dem Telefonat verklagen, wie die wohl reagieren würden...

  • D
    DocEx

    Ich lese gerade den Namen Dr. Mathias Döpfner. Da fällt mir ein, welch seelische Schmerzen er und Tricky Dicky wohl durch die Mailbox-Drohung von Herrn Wulff erlitten haben müssen, dass sie sich erst nach drei Wochen erholt hatten, um mit Paukenschlag 1. Januar ganz Deutschland über ihre seriösen Kollegen von Spiegel, FAS/FAZ und SZ von dem erlittenen Unbill in Kenntnis zu setzen.

     

    Eine echte Schmierengeschichte, passt gut zu dem gel-schmierigen Nerd Diekmann. Eine Machtanmaßung der Medien. Cui bono?

  • J
    Jürgen

    Ein BP, welcher sich enerseits als "Moralapostel" (s.seine früheren Reaktionen auf das Verhalten andere Politiker) aufspielt und andererseits gegen seine gepredigte Moral ständig verstößt, ist unglaubwürdig und für diese Postion unqualifiziert. Seine Betonung der Wichtigkeit von Netzwerken (Äußerung bei der Hoteleinweihung eines Hotels eines seiner vielen derzeitigen "Amtsfreunden" ) wirft Fragen auf und führt durch das Verhalten zu Missverständnissen. Wie der Köllner sagt: man kennt sich - man hift sich.

    Schnell in eine Postion der Wirtschaft wechseln. Vielleicht bei Maschmeier anfragen. Er nimmt gerne ehemalige Politiker auf, z.B als Berater für die Riesterrente.

  • HH
    Hardy Heron

    Ich finde es einfach Klasse, wie die taz gegen den medial inszenierten Machtkampf agiert!

  • M
    Martin

    Klasse Artikel über Diekmanns äußerst dubioses Treiben!! Dieser Mann ist schlicht und ergreifend beleidigt. Bin mal gespannt auf die Antworten des Fragenkatalogs, wenn er sie denn wirklich gibt!

    Und dass er selbst schon negative Artikel über sich verhindert hat, das passt absolut ins "Bild". Man sollte rechtliche Schritte gegen ihn einleiten, denn er stellt eine ECHTE Gefahr für die Pressefreiheit dar!!

  • W
    Wolfgang

    Die "Causa Wulff" ist an Peinlichkeiten nicht mehr zu überbieten: in allen politischen Lagern, bei den Medien und bei der zweigeteilten Gesellschaft.

    Die Konsequenz dabei, die Wähler gehen nicht mehr zur Wahl.

  • F
    Frank

    Herr Wulff ist nicht nur BP sondern tritt auch für "Pro Christ" mit ultrakonservativen Thesen in die Öffentlichkeit - und wenn an den Gerüchten im Internet über seine Frau etwas dran ist, dann muss das auf den Tisch. Sorry.

  • ET
    Erwin Thomasius

    Ich habe auch schon seit längerem den Eindruck,

    dass es eine Affäre hinter der Affäre gibt.

    Wahrscheinlich sind wir alle auf eine Kampange des Springer-Verlages hereingefallen.

    Der Axel-Springer-Verlag ist das Problem.

  • B
    Brett

    Na endlich. Dass es eine Affäre hinter der Affäre gibt, ist doch klar. Das Durchstecken der Informationen über den Anruf W's. an die Kollegen hatt dabei wohl nicht nur den Zweck, etwas zu leaken, was man nicht selbst veröffentlichen wollte, sondern es ging darum, die Zeitungsfront festzusammenzuschließen, also den Kollegen ein ehrwürdiges Motiv fürs Weiterbohren zu liefern. Praktisch alle sind auf den Schlachtruf "Verteidigung der Pressefreiheit - jetzt erst Recht gegen Wulff" hereingefallen. Nach wie vor ist die Presse als demokratische Instanz aber von niemandem mehr bedroht als vom Springer Verlag, der seine Meinungsmacht völlig nach Belieben und ungeheuer trickreich einsetzt. Für Publizistikwissenschaftler muss das doch geradezu ein sensationell schöner Fall sein. Wie da auch psychologisch vorgegangen wird, damit z.B. keine unerwünschten Kollateralschäden an Merkel entstehen, das ist extrem kunstvoll gemacht.

  • P
    p3t3r

    warum spielen diekbild´s und sonstige ambitionierte und gewählte und nicht gewählte, linke wie rechte "polanisten" nicht ihr SCH...SCHACHSPIEL zuhause im wohnzimmer und lassen den rest der menschen in ruhe

  • W
    Wolf

    Ein früherer Ministerpräsident mit Nehmerqualitäten und einem "Gedächtnis" eines Primaners ?

     

    Das wird ja immer doller und peinlicher.

     

    Abtreten ist angesagt, ganz fix !