Big Brother Award für Daimler: Die Vampire von Sindelfingen

Daimler bekommt für den Aderlass seiner Angestellten den Big Brother Award. Mit seiner Datensammelwut steht das Unternehmen nicht allein da.

Big-Brother-Trophäe und -Maskottchen in trauter Eintracht. Bild: imago / ecomedia / robert fishman

Bluttests für jeden Arbeitnehmer, "Schnüffelchips" in der Designerjacke und Demo-Überwachung mit Polizeidrohnen - George Orwell hätte es sich nicht besser ausdenken können. Die Daten sammelten die Daimler AG, die Modefirma Peuterey und das niedersächsische Innenministerium im Jahr 2010. Der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD e. V.) verlieh ihnen am Freitag in Bielefeld einen "Brother Award" - den "Oscar für Datenkraken".

Im Internet konnten die Bürger in sechs Kategorien Kandidaten nominieren. FoeBuD will mit den Beispielen über das informationelle Selbstbestimmung aufklären und die Preisträger zum Umdenken bewegen. "Wir hoffen auch auf Bewegung in der politischen Landschaft", so Rena Tangens von FoeBuD. Im Bereich Arbeitswelt stach die Daimler AG die Konkurrenz dadurch aus, dass sie nicht nur Daten, sondern auch Blut sammelte.

Flächendeckend hätte sie von allen Bewerbern nach 2004 Blutproben verlangt; nach öffentlicher Kritik gelte die freiwillige Blutspende immer noch für Bewerber im Produktionsbereich, so FoeBuD. Dies sei "moderner Vampirismus". Die Blutentnahme sei in den meisten Fällen arbeitsrechtlich nicht gedeckt.

Außerdem habe laut FoeBuD die Datenschutzaufsichtsbehörde von Baden-Württemberg keinerlei Zusammenhang zwischen den Bluttests und der späteren Tätigkeit festgestellt und sie für unzulässig erklärt. Es sei also nicht darum gegangen, "Arbeitsunfälle durch plötzliche Ohnmachtsanfälle zu vermeiden oder Kolleginnen und Kollegen vor ansteckenden Krankheiten zu schützen", so die Begründung der Vergabe des Datenschutz-Anti-Oscars an Daimler.

"Das ist einfach der Hammer"

Der Stuttgarter Autobauer ist kein Einzelfall. Nach Informationen von FoeBuD verlangen unter anderem auch BASF, ThyssenKrupp sowie der NDR und der Hessische Rundfunk von ihren Bewerbern Blutproben. Daimler erhält den Big Brother Award stellvertretend für alle.

Ein Daimler-Sprecher betonte, es würden nur rechtlich gedeckte, arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchungen bei Mitarbeitern im Unternehmen durchgeführt. Zum Beispiel bei Risikogruppen, die mit speziellen Stoffen in Kontakt kämen. Einstellungsuntersuchungen von neuen Bewerbern fänden seit 2009 nicht mehr statt.

Die IG Metall leht medizinische Einstellungsuntersuchungen generell ab. Sie dienten lediglich der Auslese von Bewerbern, so Heinz Fritsche aus dem Ressort Gesundheitsschutz.

Wie aus einem schlechten Science-Fiction-Film muten die Praktiken der italienische Modemarke Peuterey an. Sie näht in ihre Kleidung RFID-Chips (Radio Frequency Identification) ein, unter einem Aufnäher mit der Aufschrift "Dont remove this label" (Aufnäher nicht entfernen). "Das ist einfach der Hammer", so Tangens. Peuterey wolle so wahrscheinlich Produktpiraterie aufspüren. "Das ist allerdings kein Grund, Kunden mit einer Wanze rumlaufen zu lassen." Verschiedene Hersteller nutzen diese Technik, etwa Gerry Weber.

Die Chips von der Größe der kleinen Weltkugel auf einer 1-Cent-Münze werden an jedem Lesegerät ausgelesen, die Daten weitergesendet. "Man könnte zum Beispiel ein Bewegungsprofil erstellen", sagte Tangens. Weder Peuterey noch der mit nominierte deutsche Vertrieb, die Modeagentur Thorsten Müller, wollten sich auf taz-Anfrage äußern.

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