piwik no script img

Biden als Präsident vereidigtKeine Rückkehr zur Normalität

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Zurück zur alten Überheblichkeit darf es nicht gehen. Aber es wäre schon was, wenn es Biden gelingt, den Rassismus etwas weniger akzeptabel zu machen.

Alles eitel jetzt? Das wird man sehen, aber erstmal lässt Joe Biden hoffen Foto: Patrick Semansky/ ap

D ie USA haben einen neuen Präsidenten. Endlich. Endlich. Länger schien eine Übergangsphase noch nie gedauert zu haben. Dem Vorgänger haben alle Versuche, sich im Amt festzukrallen, nichts genutzt. Am Ende war es, als ob aus einem Ballon die Luft herausgelassen worden wäre – müde pfeifend, nicht etwa mit einem Knall. Es war einfach nicht mehr interessant, was Donald Trump noch zu sagen hatte. There is a new sheriff in town, die Stadt hat einen neuen Sheriff. Joe Biden.

Mit ihm tauchen plötzlich fast vergessene Begriffe wieder aus der Versenkung auf, schöne Begriffe. Würde. Freiheit. Respekt. Und, natürlich: Demokratie.

Nach vier Jahren, in denen blanker Zynismus herrschte, ist das eine Erleichterung. Unabhängig davon, ob Einzelne wie Joe Biden oder eine Nation wie die USA ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden können: Es ist wunderbar, wenn sich Leute mit sehr unterschiedlichen politischen Vorstellungen hinsichtlich von Werten auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können.

Einerseits. Und nichts spricht dagegen, sich einen Abend lang einfach zu freuen. Andererseits: In die Feierlichkeiten hat sich ein altvertrauter Ton eingeschlichen, den Liberale in den USA jahrelang aus gutem Grund nicht angeschlagen hatten. „Amerika“ – soll heißen: die USA – als Vorbild für die Welt, als unangefochtene moralische Instanz.

Das Leitbild war immer verlogen

Bitte, können wir das auch künftig hinter uns lassen? Es gibt keine Rückkehr zu dem, was jahrzehntelang als „Normalität“ galt. Nämlich zu dem Leitbild der Vereinigten Staaten als Ort der idealen Demokratie, innerhalb und außerhalb des Landes. Dieses Leitbild war immer verlogen. Wenn es darum geht, eine Lehre aus den letzten Jahren zu ziehen, dann die: ein bisschen Demut ist angebracht.

Die Demokratie habe gesiegt, behauptete US-Präsident Biden am Fuß der überlebensgroßen Statue von Abraham Lincoln. Na ja. Warten wir mal ab.

Immerhin: Die ganzen Feierlichkeiten waren erkennbar von einem Leitmotiv getragen. Nämlich dem, dass Rassismus keinen Platz mehr haben soll, haben darf in der Gesellschaft. Weiße Künstlerinnen und schwarze Künstler, eine Vizepräsidentin, die eine andere Hautfarbe hat als die tonangebende Schicht in den Vereinigten Staaten und all das ganz selbstverständlich. Ohne Getue. Wunderbar.

Natürlich macht eine Schwalbe – und machen 200 Schwalben – noch keinen Sommer. Aber wenn es Joe Biden gelingen sollte, den alltäglichen Rassismus in den USA ein bißchen weniger akzeptabel zu machen, dann wäre alleine das ein guter Grund, auf der Straße zu tanzen. Denn es hätte wohl eine Wirkung, die über die Vereinigten Staaten hinausreichen könnte und würde. So stark ist ihr Einfluss eben doch noch immer. Also: hoch die Tassen!

Zumal – und das sollte nicht vergessen werden – sich die rechtsextremen Rassisten offenbar doch nicht stark genug fühlten, um einen Angriff auf irgendein staatliches Symbol zu unternehmen. Das bedeutet nicht, dass sie plötzlich jede Kraft verloren hätten. Aber sie müssen wenigstens kurz nach Luft schnappen. Erfreulich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Würde. Freiheit. Respekt. Demokratie. Und ein weiterer Begriff kommt von Biden immer wieder: Anstand (decency), und Referenzen zu Martin Luther King, den Biden ganz klar als mächtiges Vorbild ansieht. Gut so. Die Wahl Bidens war ein Aufstand der Anständigen. Rassismus ist einfach nur unanständig und es ist gut, dass das auch immer mehr Amerikanern klar wird.

  • RS
    Ria Sauter

    Wie es ausschaut,Frau Gaus,wird aus Ihrer Hoffnung nichts.



    Biden hat genau in diese Töne eingestimmt, die USA ist die größte und friedlichste Demokratie der Welt und Russland der böse, große Feind!



    Es ändert sich nichts, Frau Gaus.

    • @Ria Sauter:

      Ich verstehe nicht, auf welchen Teil des Kommentars Sie sich beziehen, wenn Sie von der Hoffnung der Autorin schreiben. Ich lese in dem Text genau Ihre eigene Kritik darüber, dass sich die USA, auch unter Biden, als moralisch überlegene Instanz darstellen. Über die Haltung des Präsidenten zum amerikanisch-russischen Verhältnis schreibt Frau Gaus wiederum gar nichts.

      Trotz aller angebrachten Kritik an den USA und Joe Biden, kann ich Ihren Negativismus nicht nachvollziehen. Der zutiefst menschenverachtende und weit verbreitete Rassismus der White Supremacists ist eines der massivsten Probleme der Vereinigten Staaten (Spike Lee hat in "BlacKkKlansman" deutlich gemacht, dass mit Trump ein inoffizieller Vertreter oder Sympathisant des KuKluxKlan Präsident wurde).

      Der Rassist Trump ist nach vier quälenden Jahren abgewählt und der neue Präsident wendet sich glaubhaft, und bereits bezeugt durch einige seiner ersten Amtshandlungen, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

      Man muss die US-amerikanische, mit Pathos überladene Politshow nicht gut finden, aber das ist trotz allem ein Grund für Hoffnung, Freude und Erleichterung.

    • @Ria Sauter:

      Von Russland hat Biden gar nicht gesprochen. Ansonsten war da viel Bescheidenheit.

      Den meisten US-Amerikaner ist doch auch klar, dass vieles in ihrer Geschichte nicht so gut lief und läuft. Aber ein Ideal, ein Ziel zu haben, ist erstmal nichts Schlechtes.

      Und man muss es (leider) immer wieder betonen: Sie haben Deutschland großzügig beim Wiederaufbau geholfen und beim Erlernen der Demokratie. Das sollte man nicht ganz vergessen.

      Aber auch Biden ist amerikanischer Präsident wie es auch Obama war, und nicht alles wird uns gefallen.