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Bewusstlos vor GerichtDie jungen „Landesverräter“ von Nigeria

Nach den Protesten im August wurden auch Minderjährige wegen „Landesverrat“ verhaftet. Beim Prozess zeigt sich, wie sie im Gefängnis behandelt wurden.

Auch viele Minderjährige waren bei den Protesten in Nigeria dabei, hier eine Straßenszene Anfang August in Kano Foto: Sani Maikatanga/ap

Berlin taz | Die Empörung war groß, als die TV-Bilder am 1. November durch Nigeria gingen: In einem Gerichtssaal der Hauptstadt Abuja sitzen und liegen spindeldürre Kinder und Jugendliche kreuz und quer auf dem Boden. Viele sind am Ende ihrer Kräfte, vier bewusstlos. Die konsternierten Richter brechen die Verhandlung ab.

Dass Kinder in der Haft bis auf die Knochen abmagern, schockiert sogar in Nigeria, wo man an staatlicher Brutalität einiges gewohnt ist

76 Menschen standen wegen „Landesverrats“ in Abuja vor Gericht, manche erst 12 Jahre alt. Am 3. August waren sie verhaftet worden, als die Polizei rabiat gegen Massenproteste vorging. Es gab 21 Tote und über 700 Verhaftete, 119 davon wurden wegen Landesverrats angeklagt.

Dass Kinder in der Haft bis auf die Knochen abmagern, schockiert sogar in Nigeria, wo man an staatlicher Brutalität einiges gewohnt ist. Am Montag ordnete Präsident Bola Tinubu ihre Freilassung an, am Dienstag stellte die Justiz das Verfahren gegen die Kinder ein. Für die Erwachsenen wurde der 24. Januar 2025 als nächster Gerichtstermin festgelegt.

Denn nicht alle 119 sind minderjährig. Die vier Zusammengebrochenen werden als Muhammed Yahaya (14), Muktar Ishak Alhassan (16), Mustapha Ibrahim (18) und Usman Fatihu (21) genannt. Nigerias Behörden hatten zunächst keine Schuld an ihrem Zustand erkennen können. Man habe ihnen sofort geholfen, „ein Beweis des Engagements der Polizei für das Wohlergehen von Häftlingen“, hatte Nigerias Polizei erklärt. Polizeisprecher Muyiwa Ogunjobi betonte: „Wenn man älter ist als sieben, kann man vor Gericht kommen.“

Nigeria hat mit sieben Jahren das niedrigste Strafmündigkeitsalter der Welt. In einem Land, wo die Hälfte aller Mädchen vor dem 18. Geburtstag heiratet, meist gegen den eigenen Willen, ist das kein Thema. Das islamische Scharia-Recht in Nigerias Norden scheint progressiver – Strafmündigkeit beginnt da mit der Pubertät.

Der Vorwurf des Landesverrats gründet auf der Behauptung, die Massenproteste im August seien ein Ergebnis ausländischer Unterwanderung gewesen. Die Angeklagten sollen „gemeinsam mit Andrew Martin Wynne alias Andrew Povich, ein Brite, zur Meuterei und zum Sturz der Regierung von Präsident Bola Tinubu durch das Militär aufgerufen haben, indem sie ‚Tinubu muss weg‘ und ‚Wir wollen das Militär‘ riefen“, heißt es in der Anklage. Sie hätten „das nigerianische Militär, die russische Regierung und andere westliche Länder“ zum Putsch angestachelt, „unter Einsatz von russischen Flaggen und anderen Flaggen anderer Länder“.

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