Bewerbungspläne zur „Kulturhauptstadt 2025“: Mit Holstentor und Marzipan
Lübeck und Hamburg planen eine gemeinsame Bewerbung für Europas Kulturhauptstadt 2025. Doch Lübeck hat kein Geld und Hamburg Angst vor einem Volksentscheid.
HAMBURG taz | Wenn es nur nach Lübecks Kultursenatorin Kathrin Weiher (parteilos) ginge, würde die Hansestadt sich um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025“ bewerben: „Vom Gefühl her würden wir das gerne machen“, sagt Weiher, aber der Kopf rate zur Vorsicht. „Es ist noch offen, ob wir uns bewerben“, sagt Weiher, „und gerne würden wir das zusammen mit einem Partner tun.“ Der würde voraussichtlich Hamburg heißen – und das macht die Lage nicht einfacher, sondern eher noch komplizierter.
Lübeck, einstige Königin der Hanse, ist klamm bei Kasse, eigentlich fast pleite. Hamburg steht finanziell zwar besser da. Aber seit dem verlorenen Referendum über Olympische Spiele im vorigen November ist in Senatskreisen die Bereitschaft zu einem weiteren großen Bewerbungsverfahren begrenzt. „Nicht noch eine Klatsche“, wehrt einer alle Gedankenspiele ab, der mit den Gesprächen hinter den Kulissen vertraut ist.
Denn die gibt es durchaus, wie Susanne Meinecke, Sprecherin der Hamburger Wirtschaftsbehörde, bestätigt. So hätten jüngst Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) und Wirtschafts-Staatsrat Andreas Rieckhoff (SPD) über Möglichkeiten einer Bewerbung gesprochen. Zwar „ohne handfestes Ergebnis“, aber eine gemeinsame Bewerbung von Lübeck plus Hamburg plus die Metropolregion Hamburg „sei durchaus vorstellbar“.
Rieckhoff ist nicht nur ein langjähriger Weggefährte und Vertrauter von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), sondern auch Vorsitzender des Lenkungsausschusses, des höchsten Gremiums der Metropolregion. Diese umfasst zwei Großstädte und 17 Landkreise in Nordniedersachsen, im Süden Schleswig-Holsteins und im Westen von Mecklenburg-Vorpommern mit mehr als fünf Millionen Einwohnern. Auf dieser Ebene wurden nach taz-Informationen bereits interne Gespräche geführt, doch gebe es „noch nichts Abstimmungsreifes“, so ein Insider.
Drei deutsche Städte waren bislang Kulturhauptstadt Europas: West-Berlin 1988, Weimar 1999 und 2010 Essen mit dem Ruhrgebiet.
Die Bewerbung Essens kostete 63 Millionen Euro, darunter Zuschüsse von Bund, Land und EU. Von den 17 Millionen Euro, welche die Wirtschaft zugesagt hatte, floss tatsächlich nur etwa ein Zehntel. Die Finanzierungslücke betrug unterm Strich rund sechs Millionen Euro.
Kulturhauptstädte 2016 sind Breslau (Polen) und San Sebastian (Spanien). Vergeben ist der Titel bis 2019.
Das bestätigt auch Lübecks Kultursenatorin Weiher. Sie habe eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis November ein erstes Konzept erarbeiten solle, sagte sie im Gespräch mit der taz. „Wir fühlen uns als Kulturstadt, aber alleine können wir eine Bewerbung nicht schaffen.“ Deshalb könnte auch aus ihrer Sicht eine regionale Bewerbung sinnvoll sein.
2010 war offiziell Essen europäische Kulturhauptstadt – stellvertretend für das Ruhrgebiet, wochenweise trugen wechselnde Partnerstädte der Region zum Programm bei. Ein Defizit machte der Kohlenpott dennoch, im Gesamtetat von gut 60 Millionen Euro fehlten am Ende fast zehn Prozent. „Eine gute Vorbereitung kostet viel Geld“, weiß auch Weiher, „aber anders geht es nicht.“ Denn schon jetzt stehen mit Dresden, Magdeburg, Nürnberg und Stralsund vier innerdeutsche Konkurrenten bereit, ein halbes Dutzend weiterer Städte diskutiert noch über eine Bewerbung bei der deutschen Kultusministerkonferenz. Die empfiehlt eine deutsche Stadt weiter an die EU, die 2019 über die beiden Ausrichterstädte für 2025 entscheidet.
Bei einer regionalen Bewerbung indes stellt sich die Frage nach dem Verbindenden, nach der kulturellen Identität. Die Lübecker Innenstadt als Unesco-Weltkulturerbe, Hanseatentum mit Holstentor und Niederegger-Marzipan oder norddeutsches Waterkant-Gefühl wären denkbare Eckpfeiler, andererseits könnte Lübeck allein mit Thomas Mann und Günter Grass immerhin zwei Nobelpreisträger für Literatur sowie mit Willy Brandt einen Friedens-Nobelpreisträger aufbieten. Zusammen mit Helmut Schmidt und Siegfried Lenz ließe sich da vielleicht ein zukunftsweisendes Quintett toter alter Männer basteln.
Die Hamburger Kulturbehörde bestätigt, dass die Gespräche „noch ganz am Anfang“ stünden. Ob es zu eine Kooperation zwischen Lübeck, Hamburg und der Metropolregion komme, sei noch „vollkommen offen“, so Sprecher Enno Isermann, wie die aussehen könnte, ebenfalls. Zumindest dürfe das Konzept „sich nicht auf Hochkultur und Elbphilharmonie beschränken“, stellt der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Farid Müller klar. „Das muss breiter aufgestellt sein, sagt er und denkt etwa an den Hit „Nordisch by Nature“ der Hamburger Hip-Hop-Band „Fettes Brot“.
Außerdem müssten die Kosten des Vorhabens von vornherein transparent und nachvollziehbar sein, sonst drohe erneut wie bei der Hamburger Olympia-Bewerbung Widerstand aus dem Volke. „Das“, sagt Müller, „kann niemand wollen.“
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