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Bewegungstermine in BerlinEat the rich, bevor sie die Demokratie verspeisen

80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz paktieren Konservative wieder mit Faschisten. In Deutschland mit dabei: Die Springerpresse. Es gibt Protest.

Beim abhitlern erwischt? Der Oligarch Elon Musk Foto: Angela Weiss/afp

M it dem Faschismus ist es eine wirklich merkwürdige Sache. Manche Menschen sehen ihn nicht. Für die Fa­schis­t:in­nen etwa sind die Nazis immer die anderen: Die Kommunisten, die Antifaschisten, eigentlich alle, die nicht der Meinung der Nazis sind. Doch es gibt auch eine ganze Reihe von Gestalten aus dem eigentlich liberalen Bürgertum, die einen Faschisten offenbar nicht einmal dann erkennen können, wenn er direkt vor ihren Augen im Fernsehen live und in Farbe abhitlert.

Ganz genau, es geht natürlich um Elon Musk, seines Zeichens Oligarch, Schattenpräsident der USA und rechtsextremistischer Agitator. Elon Musk, der die Zerstörung demokratischer Diskurse hauptberuflich betreibt, schlug sich während der Amtseinführung Donald Trumps zweimal auf die Brust und reckte dann den Arm. Und die deutsche Medienlandschaft? Sie diskutiert, relativiert, schreibt vielfach von einer „Hitlergruß-ähnlichen Geste“. Musk selber spricht – natürlich – von „schmutzigen Tricks“.

Was ist dieses cringe-ige Herumdrucksen, dieses Nichtbenennen des Offensichtlichen? Bei vielen Menschen hat das wahrscheinlich etwas mit Verdrängung zu tun. Sie wollen den Faschismus nicht wahrhaben, also ignorieren sie ihn, wie ein kleines Kind, dass die Augen vor etwas Bösem verschließt. Aber es fällt schwer, der Propaganda der Springerpresse die gleiche Naivität zuzugestehen. Die „Bild“ spricht von einer „seltsamen“ Geste, wittert Intrige von links. „Die progressive Meute braucht ihren Stoff – und der Stoff heißt Nazi“, heißt es von Welt-Chefreporterin Anna Schneider.

„Den Reichen in die Suppe spucken“

Bei Springer simpt man seit einiger Zeit ohnehin schon Elon Musk so hart, dass man sich nicht einmal zu schade war, um Musks Wahlwerbung für die AfD abzudrucken. Gefährlich wird das, weil bei Springer zunehmend eine Redaktionslinie auszumachen ist, die den Weg hin zu einer CDU-AfD Regierung zu ebnen versucht. Welt-Herausgeber Ulf Poschardt wird etwa nicht müde, gegen die Brandmauer der CDU zu agitieren. Der AfD wirft er zwar Regierungsunfähigkeit vor, doch dahinter scheint die Hoffnung zu stehen, dass die AfD sich ein kleinesbisschen vom Höcke-Lager lossagt – und dann stünde der Weg zur Macht offen.

Die Trump-Regierung ist das Vorbild für einen solchen Schulterschluss aus Konservativismus, Faschismus und Oligarchie. Wie das in Deutschland aussehen könnte, lässt sich bereits kommende Woche beim „Welt“-Wirtschaftsgipfel erahnen. Bei diesem „einzigartigen Speeddating mit den exklusivsten Entscheidern Europas“, so Springer, soll Elon Musk persönlich (digital zugeschaltet) auf die CEOs deutscher Konzerne und Spit­zen­po­li­ti­ke­r:in­nen fast aller deutschen Parteien (außer den Linken) treffen – darunter auch die AfD-Chefin Alice Weidel, die kürzlich mehr Superreiche in der Regierung forderte.

Dagegen braucht es Widerstand von unten. Zum Glück wird in linken Kreisen schon mobilisiert, um den Gipfel zu verhindern. Am Montag (27. 1.) wird es ab 16:30 Uhr eine angemeldete Kundgebung und einen Protestzug geben, der am Roten Rathaus starten wird. Anschließend ist mit gewaltfreien Aktionen des zivilen Ungehorsams zu rechnen. Das selbsterklärte Ziel der Aktivist:innen: „Den Reichen in die Suppe spucken“, um gemeinsam zu zeigen: „So läuft das nicht!“.

Bereits am Freitag (24. 1.) gibt es die Möglichkeit, den Widerstand gegen die AfD in die Provinz zu tragen, um nach dem antifaschistischen Mobilisierungserfolg in Riesa etwas nachzusetzen. In Neuruppin haben das örtliche Jugendwohnprojekt MittenDrin e.V. und die Linksjugend Großprignitz um 16:30 Uhr am Schulplatz einen Protest gegen den Wahlkampf der AfD angemeldet. Das Solidarische Bündnis gegen Rechts organisiert eine gemeinsame Anreise (Hauptbahnhof, Gleis 6, 14:45 Uhr).

Großdemo gegen rechts

Am darauffolgenden Tag gibt es in Ludwigsfelde die Möglichkeit, den historischen Verbrechen des Nationalsozialismus zu gedenken. Denn bis heute hat die Aufarbeitung der Naziverbrechen Lücken. Wo sich in Ludwigsfelde zum Beispiel einst das größte Arbeitslager von Mercedes Benz befand, soll laut den Ver­an­stal­te­r:in­nen eines Gedenkspaziergangs heute nichts an die Menschen erinnern, die hier Zwangsarbeit verrichten mussten und gestorben sind. Bei einem Besuch vor Ort soll aufgeklärt werden (Samstag, 25. 1., Bahnhof Ludwigsfelde, 11 Uhr).

Ebenfalls am Samstag versucht ein breites Bündnis, eine neue Demowelle gegen rechts loszutreten. Einen Monat vor der Bundestagswahl organisieren Campact, die Eltern gegen Rechts und Fridays for Future ein Lichtermeer vor dem Brandenburger Torgegen den Rechtsruck und für die Demokratie. Mit dabei sein wird unter anderem Luisa Neubauer (Samstag, 25. 1., Platz des 18. März, 16:30 Uhr).

In wenigen Tagen, am 27. Januar, wird es 80 Jahre her sein, dass die Sol­da­t:in­nen der Roten Armee Auschwitz befreit haben. Wie in jedem Jahr gibt es an dem Tag zahlreiche Veranstaltungen in der Stadt. Beispielsweise veranstaltet der VVN-BdA am Loeperplatz in Lichtenberg eine Gedenkkundgebung (17 Uhr). Um das Mitbringen von Blumen wird gebeten. In Pankow organisiert der VVN-BdA eine Lichterkette am ehemaligen jüdischen Waisenhaus (Berliner Str. 120/121, 18 Uhr). Der Webseite der Versammlungsbehörde sind zahlreiche weitere Veranstaltungen zu entnehmen.

Wer sich tiefergehend mit dem neuen Rechtsautoritarismus befassen will, kann am Montag zudem den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft lauschen. Die halten im Mehringhof einen Vortrag über die Fallstricke des Kampfes gegen rechts. Es geht darum, dass es sich mit dem Gegensatz zwischen liberaler Demokratie und Autoritarismus nicht so einfach verhält, wie immer angenommen wird. Die Freun­d:in­nen werden dabei einige Thesen zum Charakter des gegenwärtigen Rechtsrucks vorstellen (Montag, 27. 1., Gneisenaustr. 2a, 20 Uhr).

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Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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