■ Bewegungsmelder: Wie man einen Bierkrieg verzapft
Von jeher war die Verteuerung des Bierpreises ein untrügliches Zeichen für bevorstehende schlechte Zeiten und Kriege. Das ist auch heute nicht anders. Seit gestern verlangt Deutschlands größter Getränkekonzern, Brau und Brunnen, für fünf aus dem Zapfhahn fließende Biersorten bis zehn Prozent mehr – darunter das in den 7.000 Berliner Lokalen beliebte Schultheiss-Bier. Wenn der eine oder andere Wirt ab heute das Gezapfte für zwanzig oder dreißig Pfennig mehr verkauft, kann das nichts Gutes verheißen.
Eine Recherche an der Bierfront im trinkfreudigen Neukölln ergab, daß die Fugen ins Wanken geraten könnten. „Es wird einen Bierkrieg geben“, prognostiziert der Mann am Zapfhahn in der einhundert Jahre alten Kneipe „Zum Hammer“. Doch solange die Hamsterkäufe, die sein Chef wie wie viele andere Wirte zu den alten Preisen getätigt hat, nicht verkauft sind, werde nichts teurer, versichert er. So lange gibt es 0,4 l Schultheiss für vier Mark. „Als die Zigaretten teurer wurden, hat auch keiner mit dem Rauchen aufgehört“, tröstet er sich. Und dann, wenn das Gezapfte 20 Pfennig mehr kostet, werden die Leute vielleicht ein Bier weniger trinken. Mehr nicht. Ohnehin glaubt er nicht, daß Brau und Brunnen das lange durchhalten werde.
Auch im „Blauen Affen“, der Kneipe gegenüber, die ihre Biertanks mit einem Fassungsvermögen von 10.000 Litern schon morgens um acht öffnet und wo das Schultheiss neunzig Pfennig weniger kostet, stehen die Zeichen auf Sturm. Ein Gast fordert fünfzig Pfennig weniger pro Glas, „damit die Leute mehr trinken können“. Ein anderer, der täglich „bis zum Füllstrich“ trinkt, meint, daß die Medien den „Bierkrieg“ „hochjucken“. Das eigentliche Tresenthema sei die doppelte Staatsbürgerschaft.
Weniger Gelassenheit herrscht in der Eckkneipe „Dreieck“ wenige Meter weiter, wo unter dem Motto „Der große Schluck für kleines Geld“ die Leute ihr Bier zum Teil mit Groschen bezahlen. Obwohl es dort kein Bier von Brau und Brunnen, sondern von einer Passauer Brauerei gibt (der halbe Liter für 3,25 DM), spricht die „Tresendompteuse“ von einer „großen Sauerei“. Einen „Bierkrieg“ will auch sie nicht ausschließen. Denn: „Ohne Bier gibt es kein Berlin.“ Es käme ja auch keiner auf die Idee, den Türken ihren Döner oder den Holländern ihren Käse zu nehmen. Ein Gast, der das Passauer Bier als „Lutschpuppenwasser“ bezeichnet, versteht die Welt ohnehin nicht mehr. „Was ist das für eine Realität, wenn Cola teurer als Bier ist?“ fragt er.
Doch ganz hoffnungslos ist die Lage nicht. Gibt es wirklich den vielzitierten Bierkrieg und verkaufen die Wirte tatsächlich Flaschen- statt Faßbier, könnte die Schnapsidee des Getränkekonzerns bald als Bierlaune enden. Denn als Brau und Brunnen 1997 das Brauhaus zu Reudnitz in Leipzig schließen wollte, gingen die Sachsen zu Tausenden auf die Straße, bis die Entscheidung zurückgenommen wurde.
Barbara Bollwahn
de Paez Casanova
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