piwik no script img

BewegungsmelderMit Diepgen gegen Zurwehme

■ Von Uwe Rada

Neulich, bei der CDU, war es richtig nett. Ich meine, so menschlich warm und herzlich, wie man es sonst nur von der PDS kennt. Ich hatte mir am Morgen vorgenommen, um den Schlachtensee zu laufen – nur, die Jogging-Schuhe, die hatte ich vergessen. Aber wozu, dachte ich, gibt es die CDU und unseren Regierenden Bürgermeister. Diepgen rennt ja schon seit langem, und von einem Freund hatte ich gehört, dass sein PR-Berater „Walli“, geradezu ein Prototyp der neuen Fit-for-Berlin-Generation, auf die Idee gekommen war, Diepgens Jogging-Schuhe als den „Ebi-Runner“ zu vermarkten.

Von da an war alles nur eine Frage des Charmes. Ein Telefonat mit „Walli“, eins mit Diepgens Wahlkampfbüro „Checkpoint-Ebi“, ein letztes mit Diepgens Sprecher Matthias Wambach in der nach Peter Lorenz benannten CDU-Geschäftsstelle. Zwei Stunden später hatte ich als erster Journalist der Hauptstadt ein Rezensionsexemplar des „Ebi-Runners“.

Drei Stunden später war ich fertig. Keuchend lag ich am Ufer des Schlachtensees, riss mir die Schuhe von den Füßen und überlegte, wie ich meine Rezension beginnen würde. War der „Ebi-Runner“ nun ausdrucksstark, formschön oder vollendet? Sollte ich ihn einordnen ins extravagante Umfeld der Nike-Lyrik oder damit beginnen, dass unsere Nationalmannschaft gut daran täte, mit dem „Ebi-Runner“ ein Anfängertraining zu absolvieren? Am meisten Sorge bereitete mir allerdings das Kapitel „Form und Inhalt“. Dass es sich mit Eberhard Diepgens Schuhen wie von allein lief, war schnell geschrieben. Was aber, wenn es einer schwarz auf weiss sehen wollte?

Allzu kritisch wollte ich wiederum auch nicht sein. Sätze wie „Diepgen rennt – seiner Form hinterher“ wären nicht nur ungerecht, sondern auch gemein gewesen, vor allem Herrn Wambach gegenüber. Immerhin hatten wir im Peter-Lorenz-Haus zusammen über Walter Momper und seine Berlin-Fitness gescherzt und festgestellt, dass selbst ein Alt-Autonomer wie ich der Versuchung nicht widerstehen kann, sich in die Fußstapfen des Klassenfeinds zu begeben. Wie gesagt, bei der CDU ist es so nett wie sonst nur bei der PDS. (Ich würde das zwar auch mit den Schuhen von Gysi machen, aber auf etwas größerem Fuß zu leben ist mir schon lieber).

Noch hatte ich keinen einzigen Satz im Kopf gebildet, als plötzlich einer hinter mir stand. Ob ich keine Angst hätte, wollte er wissen. Ich erschrak. War der von der CDU? „Zurwehme“, sagte er, „der Mörder von Remagen ist unter uns.“ Dann rannte er weiter, barfuß.

Später dann, ich hatte mich beim Schwimmen von den Strapazen erholt und brauste auf der Stadtautobahn in Richtung Prenzlauer Berg, nervte auch der Nachrichtensprecher mit dem „Mörder von Remagen“.

Sollen die uns mit ihren Provinznachrichten in Ruhe lassen, maulte ich, bis mir ein Reporter das Geschehen nahe brachte: „Seit Stunden durchkämmen mehr als dreihundert Polizeibeamte den Grunewald, um eine Spur von Dieter Zurwehme, dem Mörder von Remagen, zu finden. Ein Jogger will Zurwehme zuvor am Teufelssee erkannt haben ...“ Moment mal! Grunewald, Teufelssee, das ist ja ... Verdammt, ich war in Lebensgefahr! Und alles nur wegen Eberhard Diepgen!

Am nächsten Morgen wusste ich, dass ich nur um Haaresbreite überlebt hatte: „Deutschlands gefährlichster Verbrecher – er ist in Berlin“, titelte die B.Z. und fuhr fort: „Jagd ihn, fasst ihn!“ Und: „Wie ich ihn erkenne, wie ich mich schütze.“ Gegen diesen Mörder war selbst der zwölffache Amokläufer von Atlanta ein blasses Hemd.

Rat und Tat, mit denen mir die B.Z. zur Seite stehen wollte, fielen freilich etwas dünn aus. „Die Polizei“, hieß es da, „warnt dringend davor, an Zurwehme heranzutreten.“ War das alles, dachte ich? Und plötzlich, ganz im Angesicht der Mördervisage, fiel mir das Fazit meiner Diepgen-Rezension ein: „Der Ebi-Runner – einfach zum Davonrennen!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen