Bewegung gegen Rechts in Finnland: Heringe eifern Sardinen nach
Nach Hetze gegen Flüchtlingswaisen in Finnland organisiert sich die „Herings-Bewegung“ gegen rechten Hass. Ihr Vorbild sind Italiens Salvini-Kritiker.
Auch Finnlands Regierung will mit den Frauen nichts zu tun haben – aber immerhin hatte das Außenministerium in Helsinki zumindest kurz vor Weihnachten mitgeteilt, man habe in al-Hol zwei Kinder in Obhut genommen, sie würden nach Finnland zurückgebracht. Die Behörden hatten wohl gehofft, den Transport über die Weihnachtstage recht unbemerkt über die Bühne bringen zu können. Doch das war ein Irrtum.
Den Kindern wurde am Flughafen aufgelauert, sie wurden gefilmt, fotografiert, Bilder und Videoclips ins Netz gestellt. Rechte verbreiteten Namen und Adressen der verantwortlichen Behördenangestellten mit der Aufforderung, „denen den E-Mail-Briefkasten zu fluten“. Und es wurde gehetzt, diese Kinder solle man „jagen“, „sich schnappen“.
Für Johannes Koski brachte es das Fass zum Überlaufen. „Hunderte Kommentare mit kränkendem Inhalt“, empörte er sich in einem Blog-Post. Dagegen müsse man endlich ein Zeichen setzen, „Hass fördert immer neuen Hass“. Koski, Manager bei einer finnischen Videogame-Firma, entwickelte zusammen mit einem Dutzend KollegInnen aus der IT- und Kommunikationsbranche die Idee einer überparteilichen Bewegung gegen Rassismus, Faschismus, Ethnonationalismus und aggressiven Populismus.
Am ersten Februar „Fischmob“ in Helsinki
Ein Aufruf wurde gestartet, man wolle sich „als menschlicher, friedlicher Schwarm zusammen gegen Hass und Diskriminierung“ und „für unteilbare und unveräusserliche Menschenrechte engagieren“: „Oder wollen wir es wirklich einfach hinnehmen, dass Finnland ein Land ist, in dem erwachsene Menschen Kinder unter sieben Jahren hetzen und verfolgen? Wollen wir mit den Neonazis mitmarschieren?“
Beim Namen „Silakkaliike“ („Herings-Bewegung“, vom finnischen Wort „Silakka“ für den kleinen Ostseehering), ließen sie sich von der italienischen „Sardinen-Bewegung“ inspirieren. Das Motto der Heringe ähnelt dem der Sardinen: „Als kleiner Fisch kannst du zwar etwas bewirken, aber erst als Schwarm kann man unüberwindbare und fast unmögliche Hindernisse überwinden.“ Binnen weniger Tage fand der „Schwarm“ auf Facebook über 27.000 Follower. Am 1. Februar will die Bewegung im Rahmen eines „Fischmob“ erstmals in Helsinki demonstrieren.
Auch wenn der Aufruf mit keinem Wort die rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ erwähnt, fühlten die sich sofort angesprochen. Die Bewegung ziele ja eindeutig auf ihre Partei, beschwerte sich deren EU-Parlamentarierin Laura Huhtasaari. Und der Parteivorsitzende Jussi Halla-aho sah gleich die Demokratie in Frage gestellt: Eine Bürgerbewegung gegen eine Partei sei ein Unding. Wolle man sich gegen deren Politik wenden, gebe es dafür ja den Stimmzettel.
Es sei nicht verwunderlich, dass Parteien so reagierten, sagt die Politikwissenschaftlerin Emilia Palonen. In Bewegungen wie den Sardinen oder den Heringen sieht sie ein deutliches Zeichen für die Unzufriedenheit vieler BürgerInnen mit den traditionellen Parteien: „Diese losen Organisationsformen können schnell populär werden. Es ist leichter für Menschen sich mit Bürgerbewegungen zu identifizieren, als mit politischen Parteien.“
Es sei kein Zufall, dass solche Bewegungen gerade angesichts des zunehmenden Rechtspopulismus in Europa wachsen würden und sie seien wichtig für die Demokratie: „Obwohl sie die Säulen der traditionellen parlamentarischen Demokratie herausfordern, nämlich die Parteien, ist solches bürgerschaftliche Engagement erforderlich, um die Parteien und deren Kontakt zu den Bürgern zu erneuern.“
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