: Bewegte Jazz-Geschichte
MODERN CREATIVE JAZZ Seit den 60ern schreibt der südafrikanische Komponist und Pianist Abdullah Ibrahim Jazzgeschichte. Dienstag ist er mit seiner Formation Ekaya zu hören
VON ROBERT MATTHIES
Beständig die Vergangenheit hinterfragen, um die Zukunft zu entwerfen: aus dem Mund von Abdullah Ibrahim, geboren 1934 in Kapstadt als Adolph Johannes Brand, bekannt geworden in den frühen 60ern als Dollar Brand und 1968 zum Islam konvertiert, wird das ein Satz mit greifbarer Substanz. Wenn der 76-Jährige heute auf die Jazz-Geschichte zurückblickt und mit seiner langjährigen Formation Ekaya – Heimat – musikalisch bestimmt, was es bedeutet, auch im Exil zu Hause zu bleiben, ist es immer auch ein persönlicher Blick auf das eigene bewegte Leben.
52 Jahre ist es her, dass Ibrahim mit Kippie Moeketsi und Hugh Masekelas als „Jazz Epistles“ das erste Album einer schwarzen Jazzband in Südafrika überhaupt einspielte: Kurz bevor das Apartheid-Regime nach dem Sharpeville-Massaker den Notstand ausrief und den Widerstand schwarzer Südafrikaner immer brutaler unterdrückte, hatte das Trio einen musikalischen Ausdruck für das Leiden gesucht und dabei offensiv an die Tradition afrikanischer Musik angeknüpft. Das missfiel dem Regime, 1962 wurde Ibrahim gezwungen ins Exil zu gehen: ein Zustand, der mit einer Unterbrechung in den 70ern bis in die 1990er andauern sollte, als Nelson Mandela den längst zur Jazzlegende gewordenen Pianisten einlädt, zurückzukehren.
Im Exil indes macht seine spätere Frau, die Sängerin und Komponistin Sathima Bea Benjamin, Ibrahim mit Duke Ellington bekannt. Er tourt durch Europa, entdeckt mit John Coltrane und Ornette Coleman seine spirituelle Ader, wird zum Ersatzpianisten des Duke Ellington Orchestra, spielt im Quartett Elvin Jones’, mit Don Cherry und als Solist.
Woher er kommt, hat Ibrahim dabei niemals vergessen. Zum unverkennbaren Eindruck, den Ellington und Thelonious Monk bei ihm hinterlassen haben, kommen immer südafrikanische Tanzmusik und die Rhythmen, die Ibrahim als Kind in der American Methodist Episcopal Church kennengelernt hatte, wo schon die Großmutter und die Mutter Klavier gespielt hatten.
Und umgekehrt beeinflusste Ibrahim weiter die südafrikanische Musik: Mitte der 70er organisierte er Aufnahmen für Kap-Jazzer wie Basil „Manenberg“ Coetzee, dessen Spitzname von ebenjenem Stück herrührt, das er gemeinsam mit Ibrahim eingespielt hat und das später zur inoffiziellen Hymne der Anti-Apartheid-Bewegung werden sollte. Nach seiner Rückkehr schließlich kennt Ibrahims Engagement für den südafrikanischen Jazz keine Grenzen mehr: er spielt bei der Amtseinführung Nelson Mandelas, gründet die Musikakademie „M7“, initiiert das Cape Town Jazz Orchestra.
Und auch Ekaya ist Ausdruck einer ganz speziellen Hinwendung zu Ibrahims südafrikanischen Wurzeln: Seit den 80ern übersetzt die Formation, die am Dienstag in einer minimalistischen Form in der Fabrik zu hören ist, südafrikanische Vokalmusik in Instrumentaljazz.
■ Di, 26. 7., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36