: Bewährungshelfer für Lambsdorff gesucht?
■ Staatsanwalt fordert im Parteispendenprozeß ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung für Lambsdorff Lambsdorff gibt sich demonstrativ cool / Strafmildernd: Keine persönliche Bereicherung und der Knick in Lambsdorffs Karriere
Berlin (taz) - Der ehemalige Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) hat nach Meinung der Bonner Staatsanwaltschaft ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe wegen langjähriger Steuerhinterziehung verdient. In seinem Plädoyer im Bonner Parteispendenprozeß führte Staatsanwalt Schütz gestern aus, der jetzige wirtschaftspolitische Sprecher der FDP habe fortgesetzt insgesamt rund 1,5 Mio. DM Steuern hinterzogen oder Beihilfe dazu geleistet. In dem fünfstündigen Plädoyer listete Schütz minutiös die Gründung von sogenannten FDP–nahen „Spendensammel–Vereinen“ auf, deren Aufgabe es war, Industriespenden am Fiskus vorbei in die FDP–Parteikasse zu lenken. Daß für die Spenden steuerabzugsfähige Quittungen ausgestellt wurden, wertete der Staatsanwalt in 49 Fällen als Beihilfe zur Steuer hinterziehung. Ferner habe Lambsdorff die Finanzverwaltungen getäuscht, um für die Sammelvereine den gesetzwidrigen Status der Gemeinnützigkeit zu erreichen. Lambsdorff zeigte während des Plädoyers demonstrative Abgebrühtheit, indem er zeitweise Akten bearbeitete und ein Buch las. „Der von ihm aufgewendete Wille wiegt am schwersten“, meinte Staatsanwalt Schütz gestern über die kriminelle Energie des Angeklagten. Was bleibe, sei die „unübersehbare Tatkraft, über zehn Jahre hinweg ein gut funktionierendes Transfersystem allein zu dem Zweck aufzubauen, die Finanzbehörden zu täuschen“. Als strafmildernd will der Staatsanwalt berücksichtigt wissen, daß Lambsdorff sich nicht persönlich bereichert, sondern die Gelder zugunsten seiner Partei verwendet habe. Die allgemeine Hemmschwelle bei der illegalen Parteienfinanzierung sei während des Tatzeitraums nicht sehr hoch gewesen. Von daher habe die „Allianz der Parteischatzmeister“ in erster Linie etwas „Beklemmendes“ an sich gehabt. Auch der Karriereknick Lambsdorffs aufgrund der Veröffentlichungen wirkte mildernd auf den Strafantrag. marke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen