piwik no script img

Bevorzugung von SpitzenpolitikernÖsterreich droht Justizskandal

Besonders im Falle von Politikern versanden in Österreich häufig Ermittlungen. Anklagen gegen Vertreter von FPÖ und ÖVP werden oft fallen gelassen.

Nichts zu befürchten: Das Verfahren gegen den Kärntner Landeshauptmann Dörfler wurde ohne Anklage beendet. Bild: dpa

Politiker und Prominente brauchen die Justiz nicht zu fürchten. Das ist die Grundaussage vertraulicher Papiere, die der Wiener Stadtzeitung Falter von einem Mitarbeiter des österreichischen Justizministeriums zugespielt wurden. Am Mittwoch startete das kritische Wochenblatt eine Serie über einen Justizskandal, der die Republik erschüttern müßte.

Man hat es immer geahnt: wenn Politiker betroffen sind, dann verlaufen kriminalistische Ermittlungen schnell im Sande und die Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Anklage, weil "die Suppe zu dünn ist". In den letzten zehn Jahren häuften sich Fälle, bei denen sich schwerwiegende Verdachtsmomente vor allem gegen Spitzenpolitiker von FPÖ und ÖVP in Luft auflösten. Zuletzt letzte Woche, als das Justizministerium mitteilte, das Verfahren gegen den Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler und drei Beamte werde ohne Anklage beendet.

Es ging um den Verdacht des Amtsmissbrauchs in der Frage der zweisprachigen Ortstafeln, die das Bundesland Kärnten seit Jahren wie eine hinterwäldlerische Kabarettbühne erscheinen lässt - auf Kosten der slowenischen Minderheit. Dörfler hatte gemeinsam mit Jörg Haider, damals Landeshauptmann, den Auftrag des Verfassungsgerichtshofs zur Aufstellung zweisprachiger Ortsschilder missachtet und ein - einsprachiges - Schild einige Meter versetzt. Unter den Akten, die dem Falter vorliegen, findet sich die schlüssige juristische Begründung, warum Haider, Dörfler und drei kleine Beamte rechtswidrig gehandelt hätten. Dennoch wurde die Einstellung des Verfahrens empfohlen, denn: "In politischen Konflikten" erweise sich "das Instrument des Strafrechts in keinem Fall als geeignetes Mittel der Problemlösung", da "jede Art der justiziellen Entscheidung sowohl auf Zustimmung als auch auf Ablehnung stoßen wird."

Mit anderen Worten: Nur nicht die Finger verbrennen, wenn Aufsehen droht. Und keiner verstand es besser, als der im Oktober tödlich verunglückte Jörg Haider, die Stimmung in Kärnten zu instrumentalisieren. Für Dörfler wird dann noch seine Unbedarftheit als entlastend angeführt, da er als politischer Quereinsteiger ohne juristische Ausbildung das Unrecht seines Tuns nicht erkannt habe.

Florian Klenk, der sich durch Aufdeckergeschichten im Justiz- und Polizeibereich Verdienste um die demokratische Hygiene in Österreich erworben hat, verspricht spannende Lektüre für die kommenden Wochen. Er sitzt über hunderten Dokumente aus der Weisungsabteilung des Justizministeriums, jener Sektion, die über Anklagen in politisch heiklen Fällen entscheidet. Namen wie die des Ex-Finanzministers Karl-Heinz Grasser, erst FPÖ, dann parteilos, und des ehemaligen Innenministers Günther Platter, ÖVP, Jörg Haider und dessen politische Kofferträger kommen in den Dossiers ebenso vor, wie ein bestechlicher Richter, der im Verdacht steht, von Beschuldigten zehntausende Euros kassiert zu haben.

Wolfgang Swoboda, Sprecher der Vereinigung der Staatsanwälte, sprach im Ö1-Radio von "wilden Spekulationen". Auch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gab sich gelassen. Im Falle des Amtsmißbrauchsvorwurfs gegen Landeshauptmann Dörfler sei das letzte Wort nicht gesprochen. Priorität habe das Aufspüren der undichten Stelle in ihrem Ministerium: Es sei Anzeige wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses erstattet worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • BR
    bicycle repair woman

    @rot: jetzt, wo sie das so klar schreiben... - klar, genau so wird es sich abspielen. eigentlich naiv von mir, schadenfroh in mein fäustchen zu lachen und auf eine einigermassen rigorose entfilzung nicht nur im justizministerium zu hoffen. dabei wäre die so wichtig. wie man aus den diskutierten vorfällen erahnen kann, haftet ihnen immer noch der mief der "wende-regierung" an.

    genügend zündstoff dürfte aber noch im verborgenen liegen: heute wurden vorab aus dem damaligen verfahren gegen haider sehr eigenartige begründungen für dessen einstellung zitiert wurden. kann man doch noch hoffen?

  • R
    rot

    es gibt keinen justizskandal - kaine angst. alles über was nun hierzulande diskutiert wird ist der skandal, dass es eine verräter im justizministerium gibt der die akten weitergegeben hat. und de werden sie schon finden und verurteilen - das ist tardition. und dann ist die sacher erledigt. wo kommen wir denn da hin wenn politiker sich an gesetze halten müssen?

  • A
    Andreas

    Ich verweise hier auch gerne mal auf einen anderen taz-Artikel:

    http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/wir-sind-bereit/

     

    Denen sind also X Seiten bekannt und man könnte sie zu einer Liste zusammen führen und sie an die Provider geben.

    Seltsam... AK Zensur und Carechild

    http://ak-zensur.de/2009/05/loeschen-funktioniert.html

    http://www.carechild.de/news/politik/internetzensur_carechild_versuch_blamiert_deutsche_politiker_566_1.html

    haben bewiesen, dass man innerhalb von wenigen Tagen überall auf der Welt solche Seiten aus dem netz bekommt. Nur unser BKA kann das wohl nicht. Wir können all nur hoffen, dass die Listen möglichst schnell nach der Verteilung an die Provider dann geleakt werden, so dass wir diesen Müll aus dem netz bekommen anstatt nur laienhafte Stoppschilder davor zu stellen!

     

    In meinen Augen ist das aktuell übrigens gerade Strafvereitelung im Amt!

    Man kennt die Server und MUSS ermitteln und die Server abschalten. Tut man aber ganz offensichtlich nicht, da sonst die Liste leer wäre.

  • N
    Nigredo

    In Deutschland ist es doch nicht anders: Da wird ein Steuer- und Spendenbetrüger Innenminister, ein Mann, der sich einmal für Doping ausgesprochen hat, wird Sportminister, ein Postenrowdy, der eine Frau totfährt, wird im Eiltempo abgewickelt...ich gebe ihnen mein Ehrenwort, ich wiederhole: mein Ehrenwort, dass es noch unzählige andere Fälle gibt.