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BetriebsverfassungsgesetzDie Bosse stehen auf für Selbstbestimmung

■ Bremer Unternehmer wollen zum ersten Mal demonstrieren

Zwillen, Sitzblockaden und Wasserwerfer wird es wohl kaum geben bei der ersten Unternehmer-Demonstration in Bremen. Das wäre auch kaum im Sinne der 14 Verbände, der FDP und der CDU, die sich zusammengeschlossen haben, um am 17. Mai auf dem Marktplatz zu protestieren. Anfang der 80er Jahre hätten sie „Alle, die gegen das Betriebsverfassungsgesetz sind, sollen aufstehen“ skandiert. Unternehmer-Motto im 21. Jahrhundert: „Freiheit statt Bevormundung!“ 300 Bosse werden zur Demonstration erwartet, eine Jazzband soll spielen. Ein schöner Protesttag soll es werden.

„Wir sind keine griesgrämigen Ausbeuter. Wir sind eine kreative Gruppe, die Jobs schafft und Steuern zahlt“, klärte Demo-Organisator Christoph Weiss bei der gestrigen Demo-Pressekonferenz auf. „Aber“, so der Manager einer Firma für Dentalprodukte mit 100 Jobs: „jetzt wir haben die Nase voll.“ Dorn im Auge der Jungfern-Demonstranten: Die von Bundesarbeitsminister Riester geplante Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Mehr Betriebsräte, mehr von der Arbeit freigestellte Betriebsräte und mehr Mitbestimmung der Arbeiter will die rot-grüne Koalition erreichen. Das schmeckt den Chefs gar nicht: „Schröder ist nicht der Genosse der Bosse, er ist der Genosse der Gewerkschaften“, ärgert sich André-Michael Schultz vom Wirtschaftsrat der CDU. Nach Scheinselbständigkeits-Gesetz, Kündigungsschutz und Teilzeitarbeit sei die Betriebsverfassung „die neue Spitze der Riester-Kette“, betonte Ortwin Baum, Geschäftsführer der Unternehmernsverbände.

„Wenn demnächst die Teilzeitbeschäftigten mitzählen, müssen viele Firmen einen Betriebsrat von der Arbeit freistellen“, sagt Günter Dahlbeck vom Arbeitgeberverband Handwerk. Gerade Reinigungsfirmen wären betroffen. Dahlbeck: „Ein Freigestellter kostet 180.000 bis 200.000 Mark im Jahr.“

Das neue Gesetz würde gerade den mittelständischen Betrieben ihre Flexibilität rauben, betont CDU-Mann Schultz: „Wir sehen unsere kleinen Firmen als Segelyacht, die auf dem Markt gegen die großen Flugzeugträger antreten.“ Bislang seien die kleinen Einheiten wendiger als die Riesenpötte. Die Betriebsverfassung würde ihnen zu viel Bürokratie aufladen, „ein Wettbewerbsnachteil, der uns Zeit und Geld kostet.“ Schon derzeit habe ein Firma mit 21 Mitarbeitern einen Betriebsrat mit drei Mitgliedern, also 15 Prozent der Belegschaft. Ein Konzern mit 200.000 Jobs habe dagegen 163 Betriebsräte – nur 0,08 Prozent aller Stellen.

Auch Stefan Bellinger, Chef einer Autozulieferfirma mit 20 Angestellten, sieht Arbeitsplätze bei kleinen Unternehmen in Gefahr: „Unsere Firma hat eine Exportquote von 30 Prozent. Wenn wir nicht mehr wettbewerbsfähig sind, entstehen die Jobs eben woanders in Europa.“

Also: Keine Angst, nichts wie hin zur Demo der Bosse. Organisator Weiss: „Ich neige nicht zu Gewaltausschreitungen.“ Als einer der wenigen Teilnehmer hat er schon Protest-Erfahrung: „Vor 18 Jahren habe ich gegen die Schließung des Hermann-Böse-Gymnasiums auf dem Marktplatz gesprochen. Damals hatten wir viel Erfolg. Die Schule wurde gerettet.“

ksc

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