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BetriebsratswahlKieler Nachrichten servieren Drucker ab

Die Kieler Nachrichten wollen ihre Druckerei-Belegschaft auswechseln. Mit der Gründung eines Betriebsrats habe das nichts zu tun, so die Zeitung. Die bisherigen Mitarbeiter werden dennoch ausgeschlossen.

Streikende Redakteure der "Kieler Nachrichten": Bisher hat sich ihr Betriebsrat nicht mit den Leiharbeitern in der Druckerei solidarisiert. Bild: dpa

Offiziell haben die Kieler Nachrichten (KN) nichts gegen Betriebsräte. "Nach unserer Erfahrung ist ein kompetenter Betriebsrat generell und besonders in Krisenzeiten unverzichtbar", ließ sich Geschäftsführer Christian Heinrich Ende April in seiner Zeitung zitieren. Nicht so gern sieht es die Geschäftsführung aber offenbar, wenn die 389 Leiharbeiter des zeitungseigenen Druckzentrums einen Betriebsrat gründen: Die Tabel-Gruppe, bei der die Leiharbeiter angestellt sind, ist zum 1. Juli raus - das war demselben Artikel zu entnehmen.

Bei Tabel bekommen die Arbeiter einen Stundenlohn von 6,14 Euro. Die Leiharbeitsfirmen TMI aus Ahrensburg, Stark Unternehmensgruppe aus Bremen und Mahnsen aus Kiel, die nun den Zuschlag für die Druckerei bekommen haben, sollen laut KN Stundenlöhne zwischen 7,60 Euro und 11,40 Euro bezahlen. Gerade wegen dieser Eckdaten "in Bezug auf Lohn und Gestaltung der Arbeitsverträge" seien sie ausgewählt worden, ließ die Zeitung wissen. Allerdings wollte auch Tabel sich im Falle eines Zuschlags für mehr Lohn einsetzen.

Ganz überraschend kam die Nachricht für die Leiharbeiter in der Druckerei nicht. Bereits im Februar, wenige Tage vor der Gründung des Betriebsrats, war ihnen von der Tabel-Gruppe gekündigt worden - vorsorglich, wie der Geschäftsführer Rüdiger Tabel später beteuern sollte. Die Kieler Nachrichten hätten ihm schon damals signalisiert, dass der Auftrag nicht verlängert werde. Der technische Leiter der KN, Sven Fricke, habe ihm gegenüber erklärt, dass der neue Betriebsrat ein "Wettbewerbsnachteil" sei.

Womöglich in der Hoffnung, den Auftrag doch noch zu bekommen, hatte die Tabel-Gruppe die Betriebsratswahl noch im Februar angefochten. Nach Auskunft des Betriebsrats zeigte der von Tabel eingesetzte Geschäftsführer vor Ort bei Klagen jedoch auf die Kieler Nachrichten, die in der Druckerei nach wie vor das Hausrecht haben und leitende Positionen besetzen. Ihm sei etwa beschieden worden, das "Büro im 1. OG des Druckzentrums", das als Betriebsratsbüro fungierte, könne nicht länger vermietet werden, "da in den nächsten Tagen dort unsere Trägerlohnabrechnung einzieht". Beschäftigte berichten, der Raum habe seitdem leer gestanden.

Nach dem Aus für Tabel Ende April versuchten die Kieler Nachrichten den Eindruck zu zerstreuen, sie hätten etwas gegen einen Betriebsrat in der eigenen Druckerei. In einem Gespräch mit Vertretern von Ver.di Kiel-Plön, den neuen Druckerei-Betriebsräten und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels habe die Leitung der Kieler Nachrichten "glaubhaft entkräften können", dass die mittlerweile arbeitsrechtlich geschulte Belegschaft bei den neuen Firmen nicht wieder eingestellt werde, sagte Ver.di-Geschäftsführerin Susanne Schöttke.

Die interne Stellenanzeige der TMI Service GmbH, die Anfang vergangener Woche bei der Agentur für Arbeit einging, widerspricht dem allerdings deutlich. "BITTE BEACHTEN …", steht dort: "KEINE ehemaligen Tabel-Mitarbeiter buchen."

Beschäftigte der Firma Mahnsen, die bereits einen Auftrag im Vertriebsbereich am Druckzentrum hat, haben in der vergangenen Woche neue Kollegen mitgebracht. Tabel-Arbeiter berichten, dass sie sich zu ihnen an die Geräte gestellt hätten, um "einfach mal zuzuschauen". Die Stark Holding GmbH sucht per Stellenanzeige im Anzeigenblatt Kieler Express schon ab Mitte Juni nach "Staplerfahrer/innen" - obwohl die alte Belegschaft noch bis zum 30. Juni beschäftigt sein wird.

Ohne eingearbeitete Mitarbeiter bräche der Druckereibetrieb zusammen, sagt der Betriebsratsvorsitzende der Tabel-Leiharbeiter, Marcus Peyn. Dann könnten die Kieler Nachrichten externe Druckaufträge wie den der Hamburger Morgenpost verlieren. Die Leiharbeitsfirmen, die laut Ver.di-Sekretär Heino Stüve ebenfalls für Fehler belangt werden können, scheinen das Risiko des Personalaustauschs in Kauf zu nehmen.

Im Gegensatz zu den Betriebsräten der Hamburger Morgenpost und der Bergedorfer Zeitung hat der Betriebsrat der Kieler Nachrichten bisher noch keine Solidarität zu den 389 entlassenden Leiharbeitern bekundet. Der Betriebsratsvorsitzende Richard Ernst möchte dazu "keine Auskunft geben."

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2 Kommentare

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  • SF
    Shmuel Fried

    Da haben wir es doch,

    es wird noch schlimmer kommen.Unsere Gesellschaft ist schon,durch die Leiharbeitsfirmen,zur Versclavung gelangt.Die Soz.kasse und der Rentenpott wird durch diese Machenschaften immer weiter ruiniert.Die Politiker,welche mal eben 8 Jahre[(2 legisl.perioden) im Politischen Geschäft waren -haben Anspruch auf eine Rente -wie ein Arbeiter(Ing.-Techn.) mit gehobener Gehaltsklasse nach 45-50 Jahren arbeit,ca. 1600,-€.)]Vor allem,maßen sich diese Jungen Politiker an,Verteilungsvorschläge zu machen.

    Eigentlich wollte ich der KN-Redaktion einen Recherchentipp geben bezüglich eines schlecht geführten Altenpflegeheims (die Bewohner werden barsch kommandiert und schlecht gepflegt)-Priv. Seniorenheim Probstei/Schönberg-Host.

    Recherchen können unterstützt werden,bei Privat,(Bewohnern-nicht bei der Verwaltung)gegenüberliegenden service Wohnanlage "Heinschönberg".Diese Bewohner der gegenüberliegenden Service Anlage sind unmittelbar secundär damit konfrontiert,wie mit den zu pflegenden Personen umgegangen wird.Es wird mit Schrecken registriert(Aussage von "Heinschöbergbewohnen" : ""!!Da möchte ich nicht hin um gepflegt zu werden!!""

     

    Ich selbst hatte Folgendes Erlebnis,bei einem Besuch in der "Heinschönberg Anlage"wie gegenüber im Pflegeheim,ein Bewohner mit derart barschem Wortlaut zurückgewiesen wurde:" -WIR HABEN JETZT PAUSE,hau ab"-.

    Das kann nur von unquallifiziertem Personal kommen!

    Nur wenn natürlich auch hier die "Lobby" mehr Einfluß hat,als der Mensch....na, dann viel Spass liebe Menschheit.

    "Der Teufel wacht,das Geld es macht."

    Natürlich müsste dieses der Redaktion zugespielt werden.

    Betriebsräte werden so schlecht gelitten,weil der Arbeitgeber,dann nicht mehr alles kontrollieren,und die Menschen nicht mehr versclaven kann.

    Alle anderen schmierigen,augenwischerischen Aussagen,sind nur um sich später ein Hintertürchen aufzulassen,sollte diese Geschichte in die Hose gehen.

    Ich hoffe in unserer Gesellschaft kommt es bald zu einer Solidarität.denn die Geldgeier,sind sich nur in einem einig,ALLES für Mich.

    Allerdings ohne die arbeitende Bevölkerung hätten SIE nichts.

    Wenn ich dann höre,ja aber wenn ich nicht für den Hungerlohn arbeite habe ich ja garnichts.....Wie hohl ist diese Aussage.....

    Somit Horrido den Gewerkschaftlich organisiérten Betriebsräten...

    Packt es richtig an !!!!

  • RS
    R. Smal

    Ich finde das verhalten der Kieler Nachrichten Schäbig und Scheinheilig! Und das verhalten des Betriebsrates der KN mehr als fragwürdig! Darf er nichts sagen?Ist er womöglich...?

     

    Ich fasse das alles nicht!

    Wo sind denn jetzt unsere Komunalpolitiker? Ach ja die fürchten die schlechte Presse!

     

    Das ist ein Skandal!

     

    Also ich werde keine KN mehr kaufen.