Betancourt-Befreiung: Kolumbien verteidigt Vorgehen

Mit dem Völkerrecht nimmt es Kolumbien sonst nicht so genau – trotzdem will Präsident Álvaro Uribe nun Truppen nach Afghanistan schicken.

Kolumbien verteidigt den Ablauf ihrer Befreiung. Bild: dpa

BERLIN Seit nunmehr sechs Jahren ist Álvaro Uribe unangefochtener Präsident Kolumbiens, und wenn es nach ihm geht, möchte er ebenso lange weiterregieren. Beträchtliches innen- und außenpolitisches Geschick hat ihm bisher dabei geholten, kleine und große Skandale unbeschadet zu überstehen. Sein Kriegskurs gegen die Guerilla ist beim Wahlvolk populär.

Am Donnerstag bemühte sich der rechte Hardliner, die peinlichste Begleiterscheinung bei der Befreiung von Ingrid Betancourt und weiterer 14 Geiseln Anfang Juli herunterzuspielen: Mehrere Soldaten des Spezialkommandos trugen dabei die Logos des internationalen Roten Kreuzes sowie der Fernsehsender Telesur und Ecuavisa, um bei den Farc-Guerilleros den Eindruck einer humanitären Mission zu erwecken – mit Erfolg.

„Bei solchen Aktionen gibt es Dinge, die man nicht machen darf“, sagte Uribe jetzt in einer Ansprache vor der Armee, „und es gibt auch strategische Dinge, die man nicht sagen darf“. Damit spielte er auf Videoaufnahmen an, die dem Fernsehsender RCN zugespielt wurden. Aus ihnen geht klar hervor, wie gezielt die Soldaten den Einsatz der Symbole vorbereitet hatten. Verteidigungsminister Juan Manuel Santos hatte dies mit Hinweis auf den chinesischen Militärstrategen Sun Tzu gerechtfertigt, die Weitergabe jedoch als „Landesverrat“ gegeißelt. Mitte Juli hatte Uribe bereits erklärt, ein Soldat habe aus Angst vor einem Scheitern der Befreiungsaktion spontan das Rot-Kreuz-Logo hervorgeholt.

Auch Uribes Adlatus und Chefideologe José Obdulio Gaviria verteidigte die Täuschung, durch die die Arbeit von Helfern und Reportern im kolumbianischen Krieg weiter erschwert wird, großspurig als „Tugend“: „Nicht einmal der Heilige Franziskus bestreitet, dass ein Staat den Feind täuschen darf“, sagte Gaviria, im übrigen gehöre das Logo der Hilfsorganisation eigentlich dem US-Pharmakonzern Johnson and Johnson.

Der Völkerrechtler Alejandro Valencia Villa sieht das ganz anders: Der Genfer Konvention zufolge stelle das Vorgehen der kolumbianischen Militärs den Tatbestand der “Perfidie” und somit einen klaren Verstoß gegen das Internationale Völkerrecht dar, meint der Jurist. Trotz entsprechender Proteste aus Genf scheint dies die westlichen Regierungen nicht weiter zu stören. Das verwundert nicht, gilt Uribe doch nicht nur George W. Bush, sondern mittlerweile auch der Europäischen Union als verlässlichster Verbündeter in der unruhigen Andenregion.

Nun möchte sich der Präsident mit einem Einsatz kolumbianischer Soldaten in Afghanistan revanchieren, zunächst bei der Suche von Minen und bei dem Einsatz gegen den Mohnanbau. „Man hat uns um Hilfe in Afghanistan gebeten“, sagte er am Donnerstag. Mit der Ankündigung wolle die Regierung von dem Problem mit dem Roten Kreuz ablenken, vermutet der Politologe Pedro Medellín. Eine “schlechte Außenpolitik” beklagt Héctor Elí Rojas. "Unsere Nachbarn sind auch auf Distanz gegangen, weil wir die Kriege in Irak und Afghanistan unterstützen”, sagte der liberale Senator. „Deswegen sind wir in Lateinamerika das hässliche Entlein”.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.