Besuch auf der Haustiermesse: Elmo will nicht kacken
Wir tun den Tieren eine Menge an, egal, ob wir sie essen oder als Haustiere halten. Wir tun ihnen eine Menge an, damit wir sie lieb haben können. Das zeigt sich am besten auf einer Haustiermesse.
HAMBURG taz | Ein vierschrötiger Kerl mit einer Kaffeetasse steht vor einem mannshohen Glaskasten. Darin sitzen Katzen, „Rassekatzen“, versteht sich. Ein Text erklärt uns, dass es sich um „British Shorthair“ handelt, und vergleicht sie mit einem „Teddy“. Wir werden erst zufrieden sein, wenn die Tiere entweder sprechen können und Turnschuhe tragen oder wie Plüschtiere sind. Wir kommen in beiden Richtungen gut voran, das zeigt die Messe „Haustier Hamburg“, die am vergangenen Wochenende in Schnelsen vielfältige Begegnungen zwischen Mensch und Tier herbeiführte.
Neben dem Glaskasten mit den „British Shorthair“ stehen Kästen mit Siam- und Perserkatzen. Die schwarze Perserkatze, nur Fell und Augen, liegt auf einem Brett. Bei manchen Tieren dauert es eine Weile, bis wir sicher sind, dass sie noch leben. Aber wahrscheinlich würde die Geschäftsleitung dem geneigten Tierfreund außerhalb der Cafeteria tote Tiere nicht zumuten.
Wir tun den Tieren eine Menge an, egal, ob wir sie essen oder als Haustiere halten. Wir tun ihnen eine Menge an, damit wir sie lieb haben können. Sie müssen sein wie wir. Nicht ganz, aber immer näher ran. Die gesamte Palette des Lebens der Tiere mit den Menschen haben wir beim Frettchen. Auf dem Tisch neben dem großen Käfig mit dem Frettchen liegt ein Brötchen mit einer Scheibe Putenbrust. Puten laufen auf der Messe keine rum, wir dürfen die Tiere, die wir essen, nicht zu gerne haben, sonst wird aus Frühstück Kannibalismus.
Das Frettchen ist ein Philosoph und versteckt sich unter einer Decke, was den Katzen in den Glaskästen nicht möglich ist. Die haben keine Rückzugsmöglichkeit. Vom Frettchen unter der Decke sieht man nur die Schnauze. Das Frettchenfrauchen steht neben dem Käfig und redet auf ein Pärchen ein. Damian, fünf Jahre, kommt und ruft: „Frettchen, Frettchen.“ Da zieht das Frettchen auch seine Schnauze unter die Decke. Die Decke bewegt sich, geht hier mal hoch, mal dort, das Frettchen ist fort.
Haustiere verdienen sich durch die Anpassung, die wir ihnen abringen, das Überleben. Wahrscheinlich macht das Leben, das dieses Überleben bedeutet, wenig Spaß. In einem Käfig sitzen, eng aneinander geschmiegt, zwei Chinchillas. „Sind die süß“, sagt eine Frau. Tiere haben drei Möglichkeiten: „süß“ zu sein oder schmackhaft oder nützlich im Hinblick auf Honig, Milch, Wolle und so weiter. Leistet ein Tier nichts von alledem, zucken wir mit der Schulter, wenn es ausstirbt.
Die Meerschweinchen, über die wir auf Tafeln allerhand Nützliches erfahren, zum Beispiel, dass sie es nicht mögen, wenn man sie in die Hand nimmt, verstecken sich in ausgehöhlten Baumstämmen und Röhren, die in ihrem Käfig liegen. Die Informationen werden ihnen nichts nützen, weil sie „süß“ sind. Was würde aus den Meerschweinchen werden, wenn Kinder sie nicht in die Hand nehmen würden, um sie zu knuddeln, im Zweifelsfall zu Tode?
Eine Tierausstellung ist, wie sollte es anders sein, eine Ausstellung über Menschen und ihr Verhältnis zu sich und zur Natur, die wir als das, was wir auch sind, aber beim Aufbau der Kultur verdrängen, immerfort suchen, und wenn wir sie finden, die Natur, nicht aushalten. Und so machen wir, so schnell und konsequent wie es geht, alle Natur zu Kultur. Gerade, wenn es um Tiere geht.
Ein Tisch mit Blättern und Stiften. Ein Kind hat ein Meerschweinchen gemalt, in lila und blau. Die Milkakuh ist wahrscheinlich zu dem Bild von Tier für mehrere Generationen geworden, die erstaunt darüber sind, dass es braune Hunde, schwarze Pferde und weiße Mäuse gibt.
Eine Rattenfamilie mit zwei kleine Ratten, auch sie aneinander gedrängt, in einem Käfig. „Oh“, macht die Frau neben mir mit zitternder Stimme. Das Mitleid, das wir uns nicht trauen, mit Unseresgleichen zu haben, weil das eventuell politische Konsequenzen haben könnte, übertragen wir auf die Tiere. Deshalb ist es ein so falsches Mitleid. Darunter leiden beide, die Tiere und Unseresgleichen.
Wir stehen bei „Pet fit“, Untertitel: „Fresschen für Gourmets“. Auf dem Tresen stehen zwei Schälchen: Für den Homo sapiens eines mit Süßigkeiten, die aus Bindegewebe von Schweinen, Rindern, Geflügel und Fischen gemacht werden, und ein Schälchen für Tiere. Die Preise für „Pet fit“-Haferflocken – es gibt „Amaranthflocken für Allergiker“ und Ähnliches – entsprechen den Preisen für Zweibeiner-Nahrung. Für zwei Kundinnen hat eine Mitarbeiterin ein Döschen aufgemacht. Ein Löffel ist schnell gefunden, und nun sehe ich, wie die Frau kaut. „Meine Lieblingssorte“, sagt die Frau hinterm Tresen.
Am nächsten Stand gibt es vegetarische Nahrung für Tiere, Hundekuchen in Muffin- und Keksform. Verwechslungen sind eingeplant. „Jens von Ypern“ heißt ein Hunde- und Katzenhotel. Hier liegen zwei riesige Plüschkatzen in Liegestühlen, Sonnenbrille, Handtuch, zwischen den Katzen ein Tischchen mit einer Flasche Champagner.
„Bei Hundefutter“, erklärt Kati Witt, die selbiges vertreibt, „müssen sie keine Angst haben, das können sie gut essen. Bei uns wird es gemacht wie Hausmannskost.“ Vom Tisch, sagt sie, soll man Tiere nicht füttern, aber auf dem Tisch das Gleiche fressen wie sie, das geht. Ein paar Stände weiter gibt es „Feinschmeckerwurst“, als „Der leckere Happen für Zwischendurch“ gepriesen, 200 Gramm für 1,50 Euro.
Auf einer großen Wand am Ausgang stellen zwei Hamburger Tierheime einige ihrer Tiere vor: den hübschen Bartagamen Uwe, die Katze Titus, den Pinscher Tapsi, das Kaninchen Biggi, den Bullterrier Emma, die Meerschweinchen Max und Karl-Heinz, den Leguan Leo. Das Wort „herrenlos“ hat ja, wenn man mal drüber nachdenkt, einen merkwürdigen Klang.
Ein Stand wartet mit der Behauptung auf: „Ihre Chancen in einem krisensicheren Wachstumsmarkt“, dieser Markt soll der Tiermarkt sein. An einem anderen Stand gibt es Hundejacken, zu Preisen wie in Boutiquen im Schanzenviertel, und hippe Hundeleinen. Hundeseminare werden angeboten, es gibt „Tierfotografie und Tierpsychologie“ und von 16.40 bis 17.10 Uhr einen Vortrag zum Thema „Depression bei Tieren“.
Wir stehen vor der Halle, mit einem, angesichts der Annäherungen zwischen Tier und Mensch auf dem Nahrungsmittelsektor, flauen Gefühl im Magen, und sehen einen mit Sand gefüllten roten Container, den ein Schild als Hundeklo ausweist. Elmo, ein Australischer Cattle Dog, soll hier kacken. Findet sein Frauchen. Elmo hat keine Lust. Frauchen drängelt, Elmo sitzt. Soll er nicht. Frauchen wird lauter, Elmo verspannt sich. Frauchen gibt auf. Frauchen und Elmo steigen ins Auto ein. Vorher wedelt uns Elmo mit dem Schwanz zu. Gewonnen! Genossen, Tierfreunde, Tiere: punktueller Widerstand ist möglich!
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