Besserer Schutz vor Bedrohungen: Islam-Professor muss umziehen
Islamforscher Muhammad Sven Kalisch zweifelt die Existenz des Propheten an. Aus Sicherheitsgründen muss sein Institut an der Uni Münster umziehen.
Zuerst wurde das Schild am Eingang entfernt, doch das reicht nicht. Jetzt muss der Islam-Professor Muhammad Sven Kalisch mit seinen Mitarbeitern in ein anderes Gebäude der Universität Münster ziehen. "Es gibt keine konkreten Bedrohungen, aber in Absprache mit der Polizei ziehen wir in ein neues Gebäude um, das besser zu schützen ist", sagte Kalisch.
Der Professor, der seit 2004 den ersten Lehrstuhl für "Religion des Islam" an einer deutschen Universität inne hat und bislang Lehrer für den islamischen Religionsunterricht ausbildete, fühlt sich der historisch-kritischen Forschung verpflichtet - und zweifelt die historische Existenz des Propheten Mohammed an. Seitdem er dies öffentlich kund tat, kritisiert der Koordinierungsrat der Muslime ihn.
Der Koordinierungsrat, zu dem sich die vier großen, konservativen muslimischen Dachverbände zusammengeschlossen haben, kündigte die Mitarbeit im Beirat von Kalischs "Centrum für religiöse Studien" auf und rät muslimischen Studierenden davon ab, sich für den Münsteraner Studiengang einzuschreiben. In Absprache mit dem nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) zog die Universität Kalisch daraufhin von der Lehrerausbildung ab. Am Centrum soll im Wintersemester eine zweite Professur besetzt werden, die dann die Ausbildung der Religionslehrer übernehmen soll.
Kalisch, der mit 15 zum Isalm konvertierte, versteht sich weiterhin als Muslim - doch für manche Traditionalisten gilt er nicht mehr als solcher. Aufmerksam verfolgt der Islam-Professor die Diskussion über ihn im Internet und auch in einigen Medien wie der türkischen Zeitung Zaman, in der er plötzlich nicht mehr als Muhammad, sondern nur noch als Sven Kalisch bezeichnet wird. Der Subtext: Dieser Mann ist kein Muslim mehr. Auf den Glaubensabfall steht in der konservativen Scharia-Auslegung die Todesstrafe.
Morddrohungen bekommen hat der Professor noch nicht. "Aber vielleicht wird ja doch darauf spekuliert, dass irgendein Depp das in die Hand nimmt", sagte Kalisch. Er steht in regem Austausch mit dem Staatsschutz. Nach einer Beratung durch die Polizeibeamten entschied sich die Universität für den Umzug.
Unterdessen hat am Monatg an Kalischs Centrum eine Ringvorlesung begonnen, die unter dem Titel "Geschichte oder Mythos?" die drei monotheistischen Religionen unter die Lupe nehmen soll. Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern sollen, so heißt es in der Einladung , der Frage nachgehen, "ob die religiösen Texte Aufschluss über eine reale Historie geben oder ob sie nicht größtenteils (oder vollkommen) theologische Fiktion zur Versorgung mit Heilsgeschichte und Mythologie sind". Kalisch wird im Januar über "die Frage nach dem historischen Muhammad" referieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml