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Besetztes Uni-Gebäude in FrankfurtRichter lassen Räumung zu

Das „Institut für vergleichende Irrelevanz“ muss dicht machen, so will es das Landgericht Frankfurt. Der klagende Hausbesitzer war mit einem juristischen Kniff erfolgreich.

„Not in our name, Marke Franconofurt“. Dafür lieber ein IVI-Brand Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN dpa/taz | Nach zehn Jahren müssen die Besetzer das „Institut für vergleichende Irrelevanz“ (IVI) im Frankfurter Westend räumen. Das Landgericht gab am Freitag einer Immobiliengesellschaft Franconofurt recht, die das Gebäude 2012 von der Goethe-Universität gekauft hatte. Das in Abwesenheit ergangene Urteil fordert die Besetzer auf, das Gebäude „zu verlassen und an die Klägerin herauszugeben“.

Der Richter fällte ein sogenanntes Versäumnisurteil: Für das beklagte „Institut“, das von linken Studenten ins Leben gerufen worden war, erschien niemand zum Verhandlungstermin. Ein Dutzend Sympathisanten, die als Zuhörer im Saal die Verhandlung verfolgten, quittierten das Urteil mit Buhrufen und Beschimpfungen. Eine kleine Demonstration vor dem Gerichtsgebäude löste sich friedlich auf.

Da die Besetzer ihre Namen stets geheim gehalten hatten und die Räumungsklage nicht gegen einzelne Personen gerichtet werden konnte, ging Franconofurt mit einem juristischen Kniff gegen das IVI vor. Es klagte gegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Und hatte damit Erfolg.

Gegenüber der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau äußerte der Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft, Christian Wolf, seine Zufriedenheit über das Urteil. Er gab jedoch an, das Haus nicht gleich polizeilich räumen zu lassen, sondern zunächst Kontakt mit den Besetzern aufzunehmen, um über eine freiwillige Übergabe zu verhandeln. „Wir wollen eine friedliche Lösung“, so Wolf. Wie lange diese Verhandlungen dauern sollen, ließ er jedoch offen.

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Eine IVI-Sprecherin dagegen zeigte sich entsetzt: „Hier wird ein Präzedenzfall geschaffen“, sagte sie der FR. Es sei nicht zu verstehen, warum das Gericht eine Zivilklage gegen eine nicht existierende Gesellschaft entscheide, ohne dass die Klägerseite auch nur einen einzigen Gesellschafter habe nennen können.

„Klammheimlich“ verkauft

Auch der AStA der Uni-Frankfurt kritisierte die Entscheidung der Richter. Auf die Argumentationen des Arbeitskreises kritischer Juristen seien sie überhaupt nicht eingegangen, so AStA-Sprecher Florian Muhs. Die Juristen hatten in einem vorab veröffentlichten Gutachten dargelegt, dass das IVI gar keine GbR sein könne.

Das IVI ist eine Mischung aus linker Wohngemeinschaft, Gegen-Universität, alternativem Kulturzentrum und Partylocation. Seinen Namen hat es nach Umberto Eco, der ein solches Institut für seinen Roman „Das Foucaultsche Pendel“ erfunden hatte.

Die NutzerInnen des IVI befürchten entgegen der Äußerungen des Franconofurt-Geschäftsführers sehr wohl die baldige Räumung des Gebäudes. Auf ihrer Webseite rufen sie zur Solidariät mit dem Institut für vergleichende Irrelevanz auf.

Das Institutsplenum beschloss am Freitag Mittag die Arbeit fortzuführen und das Haus auf keinen Fall zu verlassen. „Wir erkennen das Urteil nicht an”, so eine der AktivistInnen. Auch für die kommenden Tage sind Veranstaltungen, Plena und Parties am Institut geplant.

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8 Kommentare

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  • MN
    Mein Name

    @Michelle:

     

    Sie haben keine Ahnung von Recht, oder? Es sind keine Vertreter oder Anwälte des Institus dagewesen - wer hätte denn dann bitte etwas sagen sollen? Inwiefern ist der AKJ oder der Professor Hirsch an dem Verfahren beteiligt? Sollen dann etwa auch Vertreter vom RCDS gehört werden oder dürfen nur Leute etwas sagen, die mit Ihrer Auffassung übereinstimmen?

    Was sie wollen ist ein rein politischer Ansatz. Außerdem wäre langfristig sowieso nur eine politische und keine rechtliche Lösung möglich.

  • ET
    Eddy Torial

    Das einzig sinnvolle, was das IVI hervorgebracht hat, war die Vokü.. aber selbst kochen konnte von denen keiner.

  • A
    Anon

    " Wir erkennen das Urteil nicht an”, so eine der AktivistInnen. "

     

    So eine anonyme Gesellschaft das nicht einmal der Author das Geschlecht des Gesprächspartners erkennt oder preisgeben darf.

  • M
    Michelle

    Ein 10 minütiger Prozess, bei dem Anwälte nicht zu Wort kommen, ebensowenig Prof. Dr. Hirsch, der Arbeitskreis kritischer Juristen der Uni Frankfurt, etc. ist kein Prozess. Es handelt sich hierbei eindeutig um ein politisches Verfahren, das nicht nur das Gesellschaftsrecht beugt, sondern die Grundstrukturen demokratischer Gerichtsbarkeit aushebelt.

  • H
    Hannes

    Heute um 21:00 Uhr findet eine Demonstration für das Ivi an der Bockenheimer Warte statt. Der Franconofurt ist nicht zu trauen. Diese Imobilienfirma gehört zu den berüchtigsten in Frankfurt am Main. Mit zweifelhaften Methoden versuchte sie in Vergangenheit Mieter ohne Abfindung aus ihren Wohnungen zu vertreiben. Am Ivi kam sie vor einigen Monaten mit einem Trupp und nahm die Haustür mit. Dazu filmte sie die Leute die sich darin aufhielten. Das Gespräch haben Uni-Leitung und Frankconofurt nie gesucht.

  • D
    D.J.

    Ich befürchte, es ist ein Zeichen des Älterwerdens, dass ich die Besetzer eher als peinlich-aggressive Leute empfinde. Siehe v.a. ab 2:00:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=Gd4oN60Pdq8

     

    Aber wenigstens ein kleines Eckchen zum Spielen hätte man den Kindern lassen können.

  • T
    Tricky

    Wenn rechtmäßige Eigentümer sich juristischer Tricks bedienen müssen, um sich gegenüber anonymen Hausbesetzern durchzusetzen, dann ist etwas faul im Staate Deutschland.

  • MN
    Mein Name

    Der einzige juristische Kniff ist doch wohl die Annahme, dass das Haus nicht geräumt werden kann, weil die Mitglieder des Institus ihre Namen nicht nennen. Diese Argumentation ("Ihr kennt mich nicht, darum darf ich im Haus bleiben.") ist extrem formaljuristisch und umso bemerkenswerter, weil die Mitglieder des Instituts ja sonst eher weniger wert auf Formalien, z.B. Mietverträge, gelegt haben.

    Bei aller Sympathie und Respekt für das Institut ist dieses Urteil weder eine Überraschung noch rechtlich besonders aufregend. Im Extremfall wäre ein Urteil auch noch formloser gegen "die Bewohner des Hauses..." ergangen.