: Bescherung ohne Augenblitz
Ein handzahmer Stefan Effenberg symbolisiert die aktuelle Situation des FC Bayern München, der ohne Saft und Kraft selbst gegen schwache Mönchengladbacher Borussen nur 0:0 spielt
aus München THOMAS BECKER
„Weihnachtszeit ist auch die Zeit des Schenkens.“ Zugegeben, ein derzeit nur bedingt überraschender Satz. Auf der Homepage des FC Bayern München vermutet man ihn allerdings nicht. Von Bundesligaprofis ist da die Rede, die die Mitarbeiter der Geschäftsstelle beschenken. Von Spielern, die auf der Theresienwiese Sponsoren mit ihrer Anwesenheit beglücken. Und von einer Gabenparty in der Säbener Straße, bei der am Freitag alle zusammen das größte Geschenk überhaupt feiern: die erfolgreichste Saison in der 101-jährigen Vereinsgeschichte.
Fehlt in der Aufzählung der Weihnachtsfeierlichkeiten nur die Bescherung für den Tabellenvierzehnten aus Mönchengladbach, die wohl schwächste Mannschaft, die in dieser Saison im Olympiastadion auflief. Für einen Sieg der Borussia reichte die Mildtätigkeit der Bayern dann doch nicht, aber immerhin einen Punkt durften die braven Gäste mitnehmen. Dumm nur, dass es keine offizielle Geschenkübergabe gab: vor dem Spiel, irgendwo im Warmen, mit Schleifchen dran und Nikolaus-Geschenkpapier. Aber nein, der FC Bayern ist ein ordentlicher Verein, quälte sich und 41.000 frierende Fans die vorgeschriebenen 90 Minuten lang und verabschiedete sich erst dann in den Urlaub, standesgemäß mit Feuerwerk: Goldregen über dem Olympiaberg.
Schade, aber auch verständlich, dass niemand Lust zum Feiern hatte. Statt rauschendem Beifalls für das so erfolgreiche Jahr 2001 gab es Pfiffe für das winterstarre 0:0 gegen Gladbach. Bayerns sechstes Bundesligaspiel in Folge ohne Sieg – so schlimm war es zuletzt vor sieben Jahren unter Giovanni Trapattoni, dem wunderbar impulsiven Trainerdarsteller aus Italien. Der aktuelle Coach ist zwar ähnlich korrekt gekleidet, hat sich aber leider viel besser unter Kontrolle. Unendlich geduldig harrte Ottmar Hitzfeld nach dem Schlusspfiff bei sämtlichen TV-Stationen aus, beeindruckt weder von der Kälte, noch vom Goldregen oder vom vorangegangenen Trauerspiel. Vom roten Bereich redete er, vom leeren Akku und eindeutigem Substanzverlust: „Sechs Spiele ohne Sieg – das ist untypisch für den FC Bayern.“
Eine Erklärung für die Misere hat er natürlich auch: das strapaziöse Programm der letzten Wochen. „Aber ich will nicht jammern“, so Hitzfeld. Natürlich nicht, wäre ja das erste Mal. Trainerkollege Hans Meyer gibt dafür Schützenhilfe: „Das ist ein Riesenproblem für Bayern. Die spielen seit drei Jahren ohne Hänger am Limit. Und was die reisen! Tokio, Nantes, und dann fahren Sie mal nach Osnabrück. Und nach Rostock! Gegen solche Teams hat man nur eine Chance, wenn bei denen nicht alles intakt ist, und ich bin froh, dass wir vor der Pause noch davon profitieren konnten.“
Logisch, dass Meyer auch noch dem als Stehgeiger und Traber des Jahres verhöhnten Stefan Effenberg Amnestie erteilt: „Wissen Sie, was mit dem war? Der war vier Monate verletzt.“ Dennoch: Effenberg, mit dem die Münchner in dieser Saison noch keine Bundesligapartie gewonnen haben, wirkt seltsam lethargisch, auf dem Platz und auch beim Interview. Beckenbauerisch-jovial, fast schmusig, also total uneffenbergisch spricht er vom Glauben, den man nie verlieren darf, gebraucht Verben wie sammeln, besinnen, hart arbeiten. Allein: Es fehlt selbiger Glaube und die bedingungslose Entschlossenheit, die Effenbergs Aura einst ausmachte. Es fehlt das Blitzen in den Augen. Da brennt nichts mehr. Am Ende wünscht er den gehassliebten „Freunden der Sonne“ sogar noch „ein schönes Weihnachten“. Danke, ganz lieb. Als Zornebembel war er uns lieber.
Den gibt dafür Uli Hoeneß. Ausreichend Grund zum Ärgern hat er ja dank Sebastian Kehl. Nun auch noch die sportliche Krise: „Wir haben in diesem Jahr alles kennen gelernt: ganz oben und nun ganz unten. Rang fünf ist für uns schon ziemlich unten.“ Alles kein Grund zur Panik, glaubt der Manager: „Es ist egal, wieviel Punkte irgendwer Vorsprung hat: Der FC Bayern spielt immer um die Meisterschaft.“ Das Schlimme ist: Er hat ja recht.
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