piwik no script img

Bert Schulz freut sich über die Ehrenbürgerwürde für zwei Holocaust-ÜberlebendeVorbilder in Sachen Mut und Zivilcourage

Margot Friedländer hat in New York viel länger gelebt als in Berlin – von 1946 bis 2010. Und viele Jahre davon hat die heute 96-Jährige nicht im Traum daran gedacht, dass sie je wieder an der Spree würde leben können. Dabei ist ihr Leben untrennbar mit Berlin, mit der schrecklichen deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert verbunden. „Ich bin ja Deutsche, bin hier in Berlin geboren und aufgewachsen“, sagte Friedländer kurz nach ihrer Rückkehr der taz. „Die Wurzeln waren am Vertrocknen. Man hat versucht, sie wieder zu gießen, sodass daraus wieder ein blühender Baum geworden ist.“

Am Dienstag hat der Senat entschieden, Margot Friedländer eine der höchsten Auszeichnungen der Stadt zukommen zu lassen: Sie wird Ehrenbürgerin, ebenso wie die 95-jährige Inge Deutschkron. „Es ist an der Zeit, diese beiden bedeutenden Zeitzeuginnen des schlimmsten Kapitels deutscher Geschichte zu ehren“, begründete der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Ehrung. Beider Lebensgeschichten seien mit Leid und entsetzlichen Erfahrungen in Deutschland verbunden. „Dennoch sind sie hierher zurückgekommen, weil sie den Glauben an ein Deutschland ohne Antisemitismus, Rassismus und Militarismus nicht aufgeben wollten.“

Margot Friedländer und Inge Deutschkron mussten während der Nazizeit untertauchen. Friedländer wird im April 1944 gefasst und nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebt das KZ. Mit ihrem Mann Adolf, den sie dort kennengelernt hat, emigriert sie 1946 nach New York. Nach dessen Tod 1997 reift langsam der Entschluss, nach Berlin zurückzukehren.

Inge Deutschkron, geboren 1922 in Finsterwalde, arbeitet vor ihrem Abtauchen in der Blindenwerkstatt Otto Weidt in Mitte. Nach Kriegsende lebt sie viele Jahre als Journalistin in Deutschland, zieht Anfang der 70er Jahre nach Israel; seit den 90ern lebt auch sie als Schriftstellerin wieder in Berlin.

Deutschkron und Friedländer seien, so Müller weiter, „besondere Persönlichkeiten, von denen wir alle viel über Mut, Zivilcourage und Menschlichkeit lernen können“. Beide sind weiterhin als Zeitzeuginnen aktiv und geben ihre Erfahrungen aus der Nazizeit etwa an Schülerinnen und Schüler weiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen