Bernd Wagner über Demokratiefeinde: "Nicht alles Linke ist humanistisch"
Der Gründer des Neonazi-Aussteigerprogramms Bernd Wagner über islamistische Hassprediger, linke Autoanzünder und seine Rolle im neuen Anti-Extremismus-Konzept der Familienministerin.
taz: Herr Wagner, wie ist es, von Familienministerin Schröder benutzt zu werden?
Bernd Wagner: Das ist absurd. Wir lassen uns nicht benutzen.
Die Union verschiebt den Diskurs: Nicht nur die Rechten müssten bekämpft werden, sondern alle Formen des Extremismus - gleichermaßen. Kritiker sagen: Damit wird die braune Gefahr verharmlost. Und Ihr Verein wird dafür benutzt.
Bernd Wagner, 54, ist Geschäftsführer des Zentrums Demokratische Kultur in Berlin und Gründer einer Neonazi-Aussteiger-Initiative.
Quatsch. Es ist die Aufgabe eines Rechtsstaats, alle Formen von Angriffen auf die demokratische Kultur abzuwehren. Und dazu gehören natürlich auch linksextremistische oder islamistische Ideologien. Dass deshalb der Neonazismus verharmlost wird, kann ich nicht erkennen.
Sie sind bisher als Kämpfer gegen rechts bekannt geworden, haben das Neonazi-Aussteigerprogramm "Exit" gegründet. Nun wollen Sie auch Islamismus und Linksextremismus bekämpfen?
Wir befassen uns schon seit zehn Jahren mit dem Islamismus, auch in Zusammenhang mit Antisemitismus. Wir wissen aus unserer Arbeit in Berlin sehr viel über ideologische Entwicklungen. Wir kennen die Hassprediger und sprechen mit ihren Anhängern. Wir beraten Eltern, deren Kinder in harten islamistischen Strukturen verschwinden. Und wir bilden Vereine fort, wie sie problematische Entwicklungen erkennen können.
Wie genau wird das neue Programm aussehen, das Sie vom Familienministerium gefördert bekommen sollen?
Wir erarbeiten gerade das Konzept. Wir wollen das, was wir bisher im Kampf gegen den Islamismus gemacht haben, systematisieren und dann zunächst in Berlin und eventuell darüber hinaus anbieten.
Die Präventionsprojekte gegen Linksextremismus sollen nun zwei Jugendbildungsstätten in Schleswig-Holstein und Thüringen umsetzen. Sie haben kein Interesse?
Wir beschäftigen uns auch mit linksextremistischen Ideologien, sind dort aber bisher vor allem analytisch tätig, etwa wenn es um linken Antisemitismus geht. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir in Zukunft auch größere Projekte gegen Linksextremismus auflegen.
Sie stimmen der Familienministerin zu: Der Linksextremismus wurde lange verharmlost?
Ja. Nicht alles, was links ist, ist humanistisch und der Freiheit verpflichtet. Man muss da natürlich differenzieren, aber dann auch diejenigen im linken Spektrum kritisieren, die es mit der Menschenwürde nicht so genau nehmen. Dass immer mehr Autos angezündet werden, macht mir schon Sorgen. Nicht weil ich weine, wenn ein Auto kaputtgeht, sondern wegen des Geistes dahinter. Das Prinzip der revolutionären Gewalt ist für mich inakzeptabel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau