Bernd Müllender eingelocht: Vereinsmeier, die gendern und sich vom Aldi-Image emanzipieren
Bälle flogen am vergangenen Montag keine. Stattdessen stand die „Ordentliche Mitgliederversammlung“ des Golfclubs an. Von rund 900 SchlägerschwingerInnen waren gut 40 gekommen, das ist fast schon FDP-Niveau. Satzung und Vereinsrecht verlangen eine solche Zusammenkunft – für Wahlen, Neuwahlen, Blick in die Finanzen, Entlastungen, dazu vielerlei Danksagungen. Golf ist halt auch Vereinsleben.
Internationaler Golfclub Mergelhof, Sektion Deutschland e. V., so heißen wir. Der Platz liegt kurz hinter der Grenze in Belgien, hat aber mehrheitlich deutsche Mitglieder. Klaus P., unser Präsident, spricht 36 Minuten am Stück, vom „Sport als Markenkern“, von der „Verbesserung des Wohlfühlklimas“ und der „Stärkung des Wir-Gefühls“. Ex-Journalist P. war zuletzt so was wie Kampagnenmanager beim Aachener Zeitungs-Verlag (offizieller Titel: „Referent Kooperationen“). Er preist allerlei und lobt. Einmal gendert er sogar: „die Kassenprüfenden“.
Aber er weiß auch Unschönes anzusprechen. Der Internetauftritt sei „lange nicht mehr state of the art“, die Jugendarbeit müsse umfassend umstrukturiert werden. „Es gibt viel zu tun.“ Auch der Ärger mit den früheren Clubhauspächtern („Bier warm, Kaffee kalt“) muss noch einmal kurz angesprochen sein.
Anderes ist vorbei: „Wir hatten mal das Image des Billigklubs, sogar vom Aldiklub war die Rede! Das haben wir hinter uns dank einer neuen Sponsorenstruktur, wie wir sie hier noch nicht kannten.“ Das mag Vorteile haben. Aber ist Billigklub ein Makel? Damit hebt man sich doch von diesen versnobten Altgolffiguren ab, vom naserümpfenden Getue und Gewese woanders.
Sportlich gibt es auch Erfreuliches zu berichten. Mehrere Mannschaften in diversen Altersklassen sind aufgestiegen. Ja, Klubgolf ist auch Teamsport, allerdings nicht eben klimafreundlich durch die vielen Autofahrten quer durchs Land, nur um in Ostende oder Brüssel Bälle in die Luft zu bringen statt auf dem Heimatplatz. P. wird einstimmig wiedergewählt. Applaus der Ex-Aldis.
Dann das Besondere: Zehn Minuten nach diesem Mitgliedermeeting folgt, mit den gleichen Anwesenden, die „Generalversammlung des Club de Golf Mergelhof“. Unser Klub ist nämlich zwei Golfklubs: deutsche Sektion inklusive Dasein im DGV und, weil auf wallonischem, frankophonem Boden gelegen, belgischer Club. Also alles noch einmal. Es herrscht eine gewisse Unruhe im Clubhaus, als P. erneut anhebt. Jetzt, denkt man, kommt gleich bestimmt ein lautes „Fore!“, so wie vor Jahren einmal. Das hatte jemand ins anhaltend laute Gequatsche gerufen, und augenblicklich war es still geworden.
Fore! ist der weltweit übliche Warnruf auf dem Golfplatz, wenn jemand den Schlag verzieht und das Geschoss anderen gefährlich werden könnte. Dann gilt für die potenziell Bedrohten, sich sofort zu bücken und die Hände vorsichtshalber über den Kopf zu halten. Angeblich ist Fore die Abkürzung für Flying object reaching earth.
Heute ist kein Fore! nötig. Niemand geht sicherheitshalber unter den Tischen in Deckung. Klaus P. trägt alles noch mal vor. Nicht etwa auf Französisch, das wäre zwar eine Abwechslung gewesen, hätte aber viele überfordert. Gut, dass das belgische Vereinsrecht im dreisprachigen Königreich offenbar keine Sprache vorschreibt. Grenzüberschreitende Komplexität gibt es auch so: „Der Belgier sieht es nicht so gern“, hatte der Schatzmeister erklärt, „wenn man (bei Feiern) Künstler aus Deutschland bezahlt“. Steuerrechtlich. Und la Gema, falls sie in Belgien so heißt, ist auch anders strukturiert.
Wieder steht in P.s Beamer-Präsentation mal Golfclub, mal Klubleben. Wie will der Club/Klub recht geschrieben sein: ein ungelöstes Rätsel (auch in dieser Zeitung). P. wird schon wieder wiedergewählt, erneut ist er doppelter Club/Klub-Präsident. Zufrieden gehen alle nach Hause. Morgen kann man wieder einfache Bälle wegschlagen, vielleicht Fore! rufen oder Fore! hören.
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