: Berlins heißester Exportschlager
Die Küche der deutschen Hauptstadt hat es zu wenig Ruhm gebracht. Aber ein Gericht ist so ikonisch, dass nach ihm die Läden benannt werden, in denen es verkauft wird – europaweit. Zu Besuch beim Berlin Döner in Polen, Schweden, Irland, Frankreich, Spanien und Österreich
„Berliner Rundfunk, Einundneunzigvier“ dudelt es im Berlin Döner in der schwedischen 100.000-Einwohner-Stadt Linköping. Drei Spieße drehen sich im luftigen Eingangsbereich, neben ihnen die Piktogramme von Huhn, Kuh und Schwein. Um 21 Uhr, eine Stunde vor Ladenschluss, sind zwei der Spieße schon abgesäbelt. Rind ist noch da. Ist mir sowieso am liebsten.
Ich warte, während Onlinebestellungen fertiggemacht und von Lieferanten oder Kunden abgeholt werden. „Könntest du bitte ans Terminal gehen?“, fragt eine Mitarbeiterin. Ah, klar: Wir sind in Schweden, wo in den meisten Fast-Food-Läden Selbstbedienungsbildschirme stehen. Aber per Touchscreen einen Döner bestellen? That’s a first for me.
Ich tippe mich durch das Menü. Jede Fleischoption existiert auch im Brot, auf dem Teller, als „Rulle“ (Dürümverschnitt), in der Box und als Salad Bowl. Neben dem „Berliner“ Döner gibt es auch Mexiko-Döner mit Jalapeños – und Gyros. Ich bestelle Döner im Brot, bezahle mit Karte.
Der Berlin Döner ist eher Restaurant als Bude oder Laden, schwedischer Stil trifft hier auf Berlin-Memorabilia. Einige Tische haben eine Oberfläche im blau-schwarz-roten Sitzmuster der Berliner Verkehrsbetriebe. DDR-Ampelmännchen zieren die Toilettentüren. An der Wand Retro-Berlin-Poster und ein Holzbrett mit Büchern zur Stadt.
Nach wenigen Minuten wird meine Bestellnummer aufgerufen. Umgerechnet 11 Euro kostet der prall gefüllte Kebab. Das Fleisch ist leicht-knusprig und nicht zu fettig, das Brot außen kross und innen weich. Es könnte ein wenig dicker sein, um zu verhindern, dass der Inhalt unten raustrieft. Scharfes Gewürz gibt’s auf Nachfrage, jedoch kommt skandinavisches „Scharf“ nicht ans deutsche heran. Dennoch: Trotz leichter Geschmacksabstriche überzeugt Berlin Döner in Linköping als Gesamtpaket.
Klaudia Lagozinski
Hoch oben, vom 33. Stockwerk des Warschauer Kulturpalasts, kann man durch das gewölbte Glaswabendach in die „Goldenen Terrassen“ gucken. Hier befindet sich eines der größten Einkaufszentren der Stadt. Die Menschen da unten sind klein wie Bienen. Auch im Innern erinnert das alles übertönende Summen und Raunen an einen Bienenstock, und ganz oben, direkt unter dem Glasdach, reihen sich in der Fressmeile Waben bekannter Fastfoodketten aus aller Welt aneinander. Mittendrin: das schwarz-rote Logo des Schnellrestaurants Berlin Döner Kebap.
Auf die Frage nach dem populärsten Gericht bekomme ich einen Gemüsedöner empfohlen, in dem auch türkischer Käse und Hähnchenfleisch sein sollen. Der Preis: 33 Złoty, das sind knapp 8 Euro. Ich suche mir einen Platz und nur wenige Minuten später vibriert die elektronische Karte mit meiner Bestellnummer.
Auf den ersten Blick macht der Döner einen überwältigenden Eindruck. Auf dem fein gehobelten Eisbergsalat liegen wie Hagelzucker kleine weiße Käsekörnchen. Mit der Plastikgabel probiere ich Salat und Käse, die zwar frisch sind, aber – da ohne Soße – leider ohne Geschmack.
Darunter kommt zu meiner Überraschung eine große Portion Bratkartoffeln zum Vorschein, darunter wiederum eine Schicht von gegrilltem Gemüse, beides auch nur ganz leicht gewürzt.
Immerhin, das getoastete Brötchen ist schön kross und sehr lecker. Mit der Gabel stochere ich weiter nach unten, doch als ich dann endlich ans Fleisch gelange, ist es schon kalt. Und anstelle der bestellten Tsatsiki- und Knoblauchsoßen habe ich eine milde Joghurtmayonnaise bekommen.
Ich packe mir den kalten Rest ein und schaue, was die Leute an den anderen Tischen essen: Größtenteils irgendwelche Wraps oder sogenannte Kebabteller mit viel Fleisch und Pommes. Jedenfalls keine Gemüsedöner. Gabriele Lesser
Das Berlin Doner Kebab Restaurante ist ein enger Schlund. Ganz hinten im Laden, quasi im Rachen, rotieren zwei Dönerspieße zwischen spiegelnd weißen Wänden, hell erleuchtet vom Neonlicht. Doch bis dort hinten ist es ein langer Weg.
Das Bistro liegt an der Strandpromenade von Ca’n Picafort, einem Hoteldorf im Osten Mallorcas, zwischen dem Yogurt House und der Bar Jamaica. Orange-verblichene Stuhlbezüge senden Alt-Wilmersdorfer Charme, doch an den schwarzen Tischen der Terrasse sitzt niemand. Im Inneren, im Schlund, führen vier Stufen hoch zum weiß strahlenden Thekenbereich. An der Decke überm Treppchen hängt eine Plastikfolie, die das Sortiment anzeigt: Hamburger, Sandwiches, Chicken Wings.
Halt, Stopp, wo ist der Döner?
Der Angestellte an der Theke, in Schlappen und grauem Nike-Shirt, klärt das Missverständnis. Döner gibt es natürlich, in Pide, in Dürüm, für 50 Cent Aufpreis auch im Hamburgerbrötchen. Es gibt scharfe Soße und „Chusso“. – „Chusso?“ – „Garlic!“ Ja bitte, alles rein damit.
Im Kühlschrank verweilt einsam eine Wasserflasche, an der Wand hinter der Kasse klebt das „Halal Certificate“ der Düzgün Food GmbH aus dem westfälischen Versmold.
Der Angestellte reicht den Döner, eingenommen wird er an der Promenade, während nebenan zwei Typen vorm Meer posieren. Das Brot ist bemerkenswert: außen knusprig, innen säuerlich-fluffig. Der Salat blass, doch knackig, zum Ende hin überraschen Mais und Kraut.
Es gibt nun auch einen zweiten Kunden: Braun gebrannt, in Valentino-Shorts und mit blau getönter Sonnenbrille auf der Stirn setzt er sich auf einen Wilmersdorfer Stuhl und beißt in einen Dürüm. Fabian Stark
Die Tragik Berlins liegt in der Geschichte der Stadt mit Mauer, JFK, Clubs in der Umbruchzeit – und dass da jetzt nur noch der traurige schwarz-rote Wegner-Senat ist, dem nichts einfällt, was die Geschichte der Stadt fortschreiben könnte. Wie trostlos dieses Verharren in einst politisch spannungsreichen und in der Folge aufregenden Zeiten ist, lässt sich bei einem – wirklich guten – Döner am Vieux Port, dem Alten Hafen von Marseille, erleben.
Hier befindet sich eine Filiale der französischen Döner-Kette Berliner Das Original. Vorne der Gastraum mit Tresen, Kühlschränken für Getränke und der Speisetafel über einem Durchlass, hinter dem man allerdings nur eine Pommesfritteuse sieht und nicht die sich im Original-Original drehenden Spieße. Hinten die Trostlosigkeit eines in die Jahre gekommenen Berlinmuseums, schlauchartig verschachtelt, weitgehend fensterlos, verwaiste Sitzplätze und gelbe Berlinmotive an capriblauen Wänden: JFK („Ich bin ein Berliner“), der „BeRliNeR“-Bär, der eine Tulpe in der Pfote trägt, ein Kringel, aus dem der Fernsehturm emporragt, eine U-Bahn unter dem Schild „Alexanderplatz“, so was.
Nein, man möchte sich da nicht aufhalten und trägt den kompakt gewickelten Döner vom Typ Dürüm („Kebab Wrap Veau et Dinde“, also Kalb und Truthahn) nach draußen, bloß raus aus Berlin.
Der Döner ist fein-würzig mit allerlei Gemüse (Salat, Paprika, Möhren, Zucchini, Kraut) und „Sauce Signature Berliner“, schön frisch mit gutem Brot. Fast wie am Halleschen Tor in Berlin also, nur eben mit Blick auf den Alten Hafen von Marseille, der alles andere als in seiner Geschichte stehengeblieben ist.
Wäre schön, wenn daraus so eine Art Transfer würde: Marseille guckt sich Döner ab, Berlin Stadt. Felix Zimmermann
„Lammkebab nach Kreuzberger Art“ steht auf der Speisekarte, und: „Genießen Sie den authentischen Geschmack von Berlin.“ Der dazugehörige Laden heißt Berliner Kebab und liegt im Süddubliner Stadtteil Portobello, und früher gab es am Grand Canal tatsächlich einen „schönen Hafen“, 1801 wurde er eröffnet. Um die Ecke, in der Synge Street, ist der Dramatiker George Bernard Shaw geboren. So viel zur Geschichte, aber heute geht es um den Döner.
Ich kenne die Kreuzberger Kebabs und bin gespannt, ob das Versprechen der Speisekarte stimmt. Zu Kreuzberger Preisen kriegen wir die Mahlzeit jedenfalls nicht: Ein Lammkebab kostet 14,50 Euro, die Chickenvariante ist einen Euro billiger. Das Lamm ist irisch, das Huhn auch, aber nicht aus Freilandhaltung, wie bei den meisten Imbissläden in Dublin.
Früher bekam man hier auch einen Gemüsekebab mit 14 verschiedenen Zutaten, aber den haben nur ein paar Deutsche bestellt, sagt Kazim Ersöz. Er ist eigentlich Wirtschaftsingenieur und hat das Berliner Kebab zusammen mit seiner Frau Cemre und zwei kulinarisch geschulten Mitstreitern im Juli vorigen Jahres eröffnet.
Im Imbiss stehen ein paar Tische, aber die meisten Kunden lassen sich die Ware einpacken. Der erste Eindruck: Die Döner kommen im selbst gebackenen Pide, wie schön. Das originale türkische Fladenbrot gibt es sonst nirgendwo in Dublin. Der zweite Eindruck: Die Döner sind größer als in Kreuzberg, und sie haben mehr Fleisch, was mir gut gefällt.
Man kann zwischen sechs verschiedenen Saucen auswählen. Knoblauch, Tsatsiki, Käse, Cocktail, Muhammara und scharf. Wir nehmen Tsatsiki und wünschten, wir hätten Münder wie ein Briefkasten, um unfallfrei in das grandiose Werk hineinbeißen zu können.
Ralf Sotscheck
Das Besondere ist die Kirche. St. Laurenz am Schottenfeld, in hellem Stein gebaut, steht mitten in Neubau, dem 7. Wiener Bezirk. An ihre Außenwand schmiegt sich ein Dönerstand. Man kann sich also nach der Sonntagsmesse direkt an weltlichem Street Food laben, so man denn möchte.
Von der heutigen Besetzung des Berliner Döner weiß keiner, wie es zu diesem Standort kam. Der Laden gehört nicht der Kirche, sondern der Karakülah Gastronomie KG; direkt auf der anderen Straßenseite gibt es einen Schwesterbetrieb, der „Berliner Grill Spezialitäten“ feilbietet, also fast dasselbe, nur irgendwie gastlicher.
Obwohl, gastlich ist es im Schatten der Kirche auch. Unter grünen Markisen stehen Stühle und Tische, und auf der anderen Straßenseite wartet wie bestellt ein Straßenbrunnen, an dem man sich säubern kann. Denn Döneressen kann, wir wissen es, eine schmutzige Angelegenheit werden.
Um 12 Uhr mittags läuten die Glocken, die Gläubigen des Berliner Döners finden sich an der Ausgabe ein. Tatsächlich ist so viel Betrieb, dass ich mit meinen Fragen kaum durchkomme. Ich bestelle einen Döner im Brot. Gemischtes Fleisch, scharf, komplett.
Eine Serviette weht über das Pflaster. Der Döner wird tatsächlich besser, je weiter man sich da durchisst. Gekostet hat er 6,80 Euro, ein für Wiener Verhältnisse okayer Preis. Die Zeiten, wo man eine Dönertasche für 1,50 Euro hinterhergeworfen bekam, sind schließlich auch in Berlin längst vorbei.
Was am Berliner Döner im 7. Bezirk allerdings so berlinerisch sein soll, erschließt sich mir nicht: Das Brot ist härter, österreichisch eben, die Saucen triefen nicht so, das Papier ist nicht im Handumdrehen durchsifft. Alles gut also.
Auf dem Rückweg komme ich am Only Gemüse Kebap vorbei, Untertitel: „Berlinerart“. Den probiere ich dann beim nächsten Mal. René Hamann
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