Berlins Grüne Jugend-Chef über Jamaika: „Positionen, die abstoßend sind“
Caspar Schumacher sieht eine mögliche Jamaika-Koalition kritisch. An seine Partei richtet er eine deutliche Warnung.
taz: Herr Schumacher, sagen Sie Jamaika oder Schwampel?
Caspar Schumacher: Wir sagen Jamaika.
Der Grünen Jugend wird ein durchaus kritisches Verhältnis zu dieser möglichen Viererkoalition nachgesagt. Ihre Bundessprecherin Jamila Schäfer sagte in einem taz-Interview, Jamaika könne die Grünen „zerschreddern“. Wie sieht die Berliner Jugendbasis das?
Genauso. Im Zuge der aktuellen Entwicklungen wird vielen erst nach und nach deutlich, was ein solches Bündnis eigentlich bedeuten würde – nichts Gutes. Wir Grünen wurden gewählt, um etwas zu verändern, und nicht, um das Schlimmste bei Union und FDP zu verhindern.
Wo sehen Sie „rote Linien“ für mögliche Koalitionsvereinbarungen?
18, seit Ende 2016 eineR der beiden SprecherInnen der Grünen Jugend Berlin. Seine Themen sind Rechte Transsexueller, Feminismus und Asylpolitik.
Klimaschutz, Menschenrechte, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit – das ist uns total wichtig. Wir sind klar gegen eine Flüchtlingsobergrenze und finden, dass Bleibeperspektiven geschaffen werden müssen. Auch Abschiebungen nach Afghanistan wird es mit den Grünen nicht geben.
Sollte es aber zu Kompromissen, etwa bei der Obergrenze, kommen, wie würden Sie darauf reagieren?
Das ist für uns ein No-go. Man kann nicht mit Menschenleben spielen. Bei dem Thema sieht man den Rechtsruck, den CDU und CSU derzeit vollziehen – es wäre unverantwortlich, wenn wir da mitziehen würden.
Welche Konsequenzen hätte das für Ihr Verhältnis zu den Grünen?
Ich glaube, dass viele junge Menschen dann aus der Partei austreten würden. Das würde ihr massiv schaden. Wir als Grüne Jugend sehen uns auch in der Verantwortung, der Stachel der Partei zu sein, und scheuen uns nicht, scharfe Kritik zu üben. Das hat man auch bei den Jusos gesehen, als es 2013 um die Entscheidung für die Große Koalition ging. Die Jusos haben deutliche Worte an die SPD gerichtet. Wir würden sogar noch härter kritisieren.
Also nicht mal eine Vier minus, sondern eine Sechs plus für die Parteiführung?
Ja. Ich glaube, dass wir kritikfähiger sind und auch keine Angst haben, diese Kritik auszusprechen. Es wäre für ganz viele Mitglieder der Grünen Jugend einfach schwer, in der Partei zu bleiben und zu rechtfertigen, warum die Mutterpartei jetzt dies und das macht.
Wie sieht das Verhältnis zwischen Partei und Nachwuchs in Berlin aus?
Wir haben viel Einfluss und werden sehr ernst genommen. In einigen Bezirken sind Mitglieder der Grünen Jugend in den Verordnetenversammlungen. Es gibt in Tempelhof-Schöneberg sogar einen Listenplatz bei den Grünen, der extra für eineN unserer KandidatenInnen reserviert ist.
Und auf Landesebene?
Wir SprecherInnen, meine Kollegin Louisa und ich, nehmen aktiv an den Sitzungen der Abgeordnetenfraktion teil, sind also nicht nur „stille Gäste“. Wenn wir das Gefühl haben, dass etwas nicht so cool läuft, aktuell etwa die Geschichte mit dem grünen Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel in Mitte, scheuen wir uns nicht, öffentlich Kritik zu üben.
Und das wirkt?
Auf jeden Fall. Machen wir deutlich, dass wir mit einer Sache unzufrieden sind, kommen immer Leute auf uns zu, wir treffen uns zu Gesprächen und diskutieren das. Das ist allerdings nicht nur so, wenn wir mit einer Situation ein Problem haben. Wir waren auch aktiv am Koalitionsvertrag von R2G beteiligt. So soll nun geprüft werden, ob für Berlin eine sogenannte Bärenkarte – eine solidarische Finanzierung der öffentlichen Verkehrsmittel – praktikabel ist. Das haben wir da hineinverhandelt. Darauf sind wir sehr stolz.
Was hätte eine Jamaika-Koalition im Bund für Folgen für die Grünen in Berlin?
Das wäre schwierig für uns, vor allem, da die nächste Bundestagswahl und die Abgeordnetenhauswahl in Berlin im selben Jahr stattfinden. Da müssten wir den Menschen dann erklären, warum wir Rot-Rot-Grün hier als fortschrittlich sehen und gleichzeitig im Bund etwas völlig anderes mittragen – das kann für die Grünen nicht gut sein.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den Nachwuchsorganisationen von CDU und FDP in Berlin?
Wir haben nur im Wahlkampf miteinander zu tun, auf Podiumsdiskussionen oder bei größeren Veranstaltungen. Davon abgesehen sind die Unterschiede einfach viel zu groß. Und gerade bei der Jungen Union werden Positionen vertreten, die wir abstoßend finden.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir wollen, dass sich bei Treffen alle wohl fühlen, auch Frauen und Transpersonen. Darum führen wir eine quotierte Redeliste. So etwas gibt es bei der Jungen Union gar nicht, im Gegenteil, da fallen auch diskriminierende Äußerungen – das geht einfach gar nicht.
Und diese Haltung behalten Sie auch jetzt bei?
Natürlich. Eine Ortsgruppe von uns wurde letztens von JU und JuLis (die Jungen Liberalen, Nachwuchsorganisation der FDP; die Red.) zu einem Gespräch eingeladen. Daran haben wir teilgenommen, obwohl wir uns normalerweise nie mit der JU treffen würden. Davor waren manche noch unsicher, ob sie Jamaika eine Chance geben wollen, doch danach stand für die meisten von uns fest: Gemeinsamkeiten sind einfach kaum vorhanden.
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