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Berlins Gleichstellungsgesetz feiert Geburtstag"Frauen sind jetzt stärker sichtbar"

Seit 20 Jahren hat Berlin ein Gleichstellungsgesetz. Eins der fortschrittlichsten im Land, sagt Ver.di-Frauenvertreterin Heidemarie Gerstle. Trotzdem gibt es noch zu wenig Chefinnen.

Eine von wenigen: BSR-Chefin Vera Gäde-Butzlaff. Bild: BSR
Antje Lang-Lendorff
Interview von Antje Lang-Lendorff

taz: Frau Gerstle, heute begeht Berlin das 20-jährige Jubiläum seines Landesgleichstellungsgesetzes. Ein Grund zum Feiern?

Heidemarie Gerstle: Unbedingt. Natürlich haben wir noch weitergehende Forderungen als das, was das Gesetz vorsieht. Aber im Vergleich zu anderen Bundesländern steht Berlin wirklich gut da. Wir sind mit diesem Gesetz bundesweit Vorreiter.

Was genau hat das Gesetz denn bewirkt?

Heidemarie Gerstle

53, ist Referentin für Frauen- und Gleichstellungspolitik bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di Berlin-Brandenburg. Sie leitet den dortigen Landesbezirksfrauenrat.

Die wichtigste Folge ist meiner Meinung nach, dass Frauen in der öffentlichen Verwaltung und in den landeseigenen Unternehmen stärker sichtbar geworden sind. Es wurden Frauenvertreterinnen gewählt, Arbeitgeber mussten sich mit dem Gesetz beschäftigen. Frauenförderpläne wurden Teil der Personalentwicklung. Frauen und ihre spezifischen Problemlagen sind dadurch sehr viel mehr ins Bewusstsein gerückt.

Trotzdem muss man feststellen: In Leitungspositionen gibt es immer noch viel weniger Frauen als Männer. Gerade in den Vorständen der landeseigenen Unternehmen sind Frauen nach wie vor eine Ausnahme.

Das kann zum Teil daran liegen, dass Frauen bislang nicht in den richtigen Positionen waren, um nachzurücken. Es gibt auch kaum weibliche Vorbilder, die ermuntert hätten zum Karrieresprung. Die Männer, die im Moment diese Ämter innehaben, wollen zudem in ihren Positionen bleiben. Und wenn doch mal jemand Neues gesucht wird, liegt es für Männer oft näher, einen Bewerber des eigenen Geschlechts nachzuziehen.

Um Frauen auch in die Vorstände zu bringen, hat der Senat eine im November in Kraft getretene Novelle beschlossen.

Durch diese Novellierung hat das Gesetz sehr gewonnen. Sie sieht vor, dass höher dotierte Stellen ausgeschrieben werden müssen, so dass sich auch Frauen bewerben können. Das war bislang nicht so. Neu ist auch, dass die Frauenvertreterinnen im Vorfeld an Beurteilungsgesprächen der Beschäftigten teilnehmen können, wenn es zum Beispiel um eine Beförderung geht. Das ist sehr wichtig. Beurteilungen sind schließlich eine Voraussetzung, um aufsteigen zu können. Und dort sind auch die geschlechterspezifischen Vorurteile nach wie vor dramatisch. Sowohl Männer als auch Frauen, die sich nicht mit Genderfragen auseinandergesetzt haben, bewerten Frauen schnell schlechter. Etwa weil sie meinen, eine junge Frau kriegt vielleicht ein Kind und die Investitionen wären dann vergeudet. Da ist es sehr sinnvoll, dass die Frauenvertreterin Einspruch erheben kann.

Was genau passiert denn, wenn das Gesetz nicht eingehalten wird?

Die Dienststellenleitung muss dann tätig werden. Tut sie das nicht, kann sich die Frauenvertreterin an den Senat wenden. Manche Sachen kann man einklagen, aber der Spielraum ist sehr gering. Man darf sich das nicht vorstellen wie das Strafrecht. Es gibt keinen Paragrafen, der da heißt: Wenn der Direktor sich nicht an das Gesetz hält, kommt er ins Gefängnis.

Sie meinen, das Gesetz ist ein zahnloser Tiger?

Sagen wir so: Es ist, was die Sanktionsmöglichkeiten betrifft, moderat. Zum Beispiel muss der Arbeitgeber laut Gesetz Frauenförderpläne vorlegen. Stellenweise haben sich die Betriebe da nicht dran gehalten. In diesem Fall muss die Frauenvertreterin Druck aufbauen, etwa durch Öffentlichkeit. Eine Dienststelle, die auch dann einen solchen Plan nicht vorlegt, die blamiert sich einfach.

Das Gesetz gilt nur für die Einrichtungen des Landes. Was kann in der Privatwirtschaft getan werden, um Frauen zu fördern?

Meine Forderung ist: Wir brauchen auch ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das in etwa die Qualität hat wie das Berliner Landesgleichstellungsgesetz. Das könnte parallel laufen zum Betriebsverfassungsgesetz. Die Quotierung von Aufsichtsräten wäre hier ein Thema, aber auch die Einführung von Frauenvertreterinnen. Unsere Erfahrung ist: Bei Unternehmen, die vom Land verkauft wurden, hat das Interesse an Frauenfragen sehr schnell nachgelassen.

Zum Beispiel?

Nehmen Sie die Landesbank. Es gibt da heute zwar noch eine Frauenvertreterin. Aber sobald das Unternehmen vom Land ausgegliedert worden war, interessierte sich der Arbeitgeber kaum mehr für Frauenförderung.

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