piwik no script img

BerlinmusikFliegen durch das All

Andromeda, das war ja die Tochter von Kepheus und Kassiopeia. Im Mythos jedenfalls. Die Sterne, die nach ihrem Bild zusammengefasst wurden, sind dafür echt. Irgendwo zwischen Mythos und Realität flitzt auch das Andromeda Mega Express Orchestra durch die Welten des Schalls. Seit elf Jahren führt der unerschrockene Kosmonaut Daniel Glatzel sein 18-köpfiges Team von seiner Schaltzentrale in Berlin aus durch Klänge aller Arten, durch bekannte und unbekannte Territorien, ach was, Territorien, Regionen des Weltraums eben, durch Nebel, Superhaufen oder – hoffentlich – vorbei an Schwarzen Löchern.

Nach „Live on Planet Earth“ aus dem Jahr 2014 ist „Vula“ jetzt das vierte Album des AMEO, wie sich die Truppe elegant abkürzt. Wobei der Titel die Frage aufwirft, ob sich dahinter nicht ebenfalls eine Abkürzung verbirgt. Zumindest lässt sich das Wort in „Virtual unbundled local access“ auflösen, womit man in den binär fließenden Datenströmen des Internet gelandet wäre.

Danach klingt „Vula“ allerdings nicht. Tatsächlich stammt das Wort, wie es hier verwendet wird, auch aus der malawischen Sprache Tumbuka und bedeutet „Sturm“. Eher könnte man am Anfang der Platte, im Titelstück, fast den Eindruck gewinnen, der Komponist Glatzel habe seine Neue Musik-Persona die Überhand gewinnen lassen und seinen bisherigen Radikal-Eklektizismus, für den das AMEO seit Anbeginn stand, zugunsten einer impressionistisch inspirierten Klangsprache verabschiedet. Ist selbstverständlich nicht der Fall, im zweiten Stück gibt sich Glatzel sogleich wieder als der überzeugte, freundlich-verwirrende Stilmixkünstler zu erkennen, der er eben doch ist. Seine Astro-Bigband will alles, organisiert sich diesmal lediglich großformatiger, lässt den Nummern noch mehr Raum, ihre Eigengesetzlichkeiten zu entfalten.

In den Kosmos Glatzels passt eine ganze Menge, so verbindet er in „J. Schleia“ gar die HipHop-Ikonen J Dilla und Grandmaster Flash mit den kontrapunktischen Verhakelungen, die zu Lebzeiten Johann Sebastian Bachs üblich waren. „In the Light of Turmoil“ gibt sich in seinem von Schlagzeuger Andi Haberl vorangetriebenen Drive zwar gut geölt geschäftig, doch alles andere als katastrophisch.

Das Universum mag durcheinander sein, wer weiß das im Übrigen so genau, bei Gatzel findet sich dennoch alles zu einer Ordnung. Man muss nur ein bisschen genauer hinhören, um sie erkennen. Notfalls immer wieder.Tim Caspar Boehme

Andromeda Mega Express Orchestra: „Vula“ (Alien Transistor), live 14. 10., Musikbrauerei

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen