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Berliner U-Bahn-FernsehenDie Welt fliegt aus dem Fenster

Die Betreiberin des „Berliner Fensters“ tauscht die „Welt“ gegen den „Tagesspiegel“ als Contentquelle. Springer-KritikerInnen sind nur halb zufrieden.

Etwas weniger Springer an der Decke: U-Bahn-Wagen der BVG Foto: IMAGO / Berlinfoto

Berlin taz | „Springer raus aus der BVG“, forderte unlängst eine Kampagne in den sozialen Medien und – via Guerrilla-Plakatierung – auch in den U-Bahn-Waggons. AktivistInnen beklebten die Doppelbildschirme des „Berliner Fensters“ mit ihrer Parole auf BVG-knallgelbem Grund. Sie ärgert, dass die Firma mc R&D, die das Infotainment-Programm „Berliner Fenster“ gestaltet, die Fahrgäste seit Jahren mit Schlagzeilen der Axel-Springer-Publikationen Welt und B.Z. berieselt. Die stünden für „rechte Hetze, Fake-News und politische Einflussnahme“, so die Kritik.

Jetzt ist zumindest die Welt aus dem Fenster geflogen. Wie mc R&D der taz bestätigte, wird zum 1. Oktober anstelle der Springer-Zeitung der Tagesspiegel Inhalte über die mehreren tausend Screens im Untergrund verbreiten können. Der Tagesspiegel selbst freute sich per Pressemitteilung, die Kooperation sei für die Zeitung „ein idealer Weg, die Hauptstadt noch besser zu erreichen“.

Und auch „Springer raus aus der BVG“ freut sich: „Dass die rechte Propagandaschleuder Welt, die vielen fälschlicherweise noch als seriöses Medium gilt, nicht mehr im U-Bahn-Fernsehen zu sehen sein wird, ist eine gute Nachricht“, teilten Kampagnenmitglieder der taz mit. „Kaum ein Medium passt in seinem elitären Habitus, mit seiner Verachtung für Nicht-Porsche-Fahrer und einer vielfältigen Gesellschaft weniger zur BVG.“ Das hätten die Verkehrsbetriebe und die Betreiberfirma des Berliner Fensters womöglich nun auch verstanden.

Die BVG weist allerdings auf Nachfrage zurück, in irgendeiner Weise an der Entscheidung beteiligt gewesen zu sein: „Für die redaktionellen Inhalte sowie die Auswahl der Medienpartner ist im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen allein die Berliner Fenster GmbH verantwortlich“, hieß es aus der Pressestelle. Die Berliner Fenster GmbH ist eine Tochter der mc R&D GmbH, mit Letzterer hat die BVG einen sogenannten Gestattungsvertrag abgeschlossen. Der wurde mehrfach erneuert, die aktuelle Laufzeit endet erst im Dezember 2030.

Was gab den Ausschlag?

Bei mc R&D wiederum weist man den Verdacht weit von sich, mit dem Abschied von der Welt auf die KritikerInnen reagiert zu haben, die auf Instagram fast 10.000 FollowerInnen haben. Vielmehr überprüfe man das „gesamte Programm an all unseren Standorten kontinuierlich auf Aktualität und darauf, ob es virulenten Themen und Zuschauerinteressen noch entspricht“, so die Leiterin der Unternehmenskommunikation, Rita Burkert. „Daraus resultierende Veränderungen haben längerfristige Planungen und – wenn erforderlich – Kontaktaufnahmen zu und Verhandlungen mit potenziellen Vertragspartnern zur Folge.“

Neben den Social-Media-Auftritten und Klebeaktionen hatte es auch eine von mehr als 3.000 Personen unterzeichnete Online-Petition gegen Springer in der U-Bahn gegeben. Beim letzten SPD-Landesparteitag setzte der Kreisverband Steglitz-Zehlendorf, einen entsprechenden Beschluss durch, und auch die verkehrspolitischen SprecherInnen der Linken- und Grünenfraktion, Kristian Ronneburg und Antje Kapek, stellten solche Forderungen. Kapek sagte nun, sie begrüße, dass es durch den Wechsel „mehr Medienvielfalt“ gebe.

Die Kampagne ist allerdings noch nicht wirklich zufrieden – denn das Springer-Boulevardblatt B.Z. darf auch weiterhin Content für das „Berliner Fenster“ liefern. „Womöglich auf Kosten der Steuerzahler ohne jeden finanziellen Gewinn für die BVG“, teilten die AktivistInnen der taz mit: „Mit mehreren Anfragen über 'Frag den Staat’ versuchen wir das gerade herauszufinden.“ Die Kampagne gehe darum weiter, bis auch die B.Z. aus dem U-Bahn-Fernsehen verschwunden sei. Grundsätzlich gelte sogar eine weiterreichende Forderung: „Keine privaten Medien in öffentlichen Einrichtungen – Öffis in die Öffis!“

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