Berliner Talente etc.: Da-da-da auf Englisch
Herr Grossi findet in einem Friedrichshainer Café sein Glück
Kunterbunte Hose, silberne Jacke, viele Ketten, Ringe und Abzeichen, Make-up und auf dem Kopf sein Markenzeichen: die Schallplatte, eine alte Amiga-Scheibe. Derart gestylt bewegt sich Grossi – seinen wahren Namen verrät er nicht – tagsüber durch die Stadt und nächtens in Clubs und Kneipen. Er trat schon in Talkshows auf, spielte in Filmen und Videoclips kleine Rollen, und für seinen „Ulk-Striptease“ kann man ihn auch buchen.
Zudem singt der selbst ernannte Travestiekünstler Grossi auch gern und tritt deshalb immer am Dienstag im Friedrichshainer „Jamboree“ auf. Das Café ist ein Projekt des Berlin-Brandenburger Bildungswerks e. V. und will „Sprungbrett“ für junge Talente sein. Die Bühne steht deshalb allen offen. Mal spielt eine Jazzband, oder es gibt Kabarett. Der Eintritt ist frei.
Grossi ist mittlerweile so etwas wie der Star des Cafés. Also ist der Laden voll. Viele Gäste begrüßt Grossi persönlich, Frauen bevorzugt mit der Frage, ob sie ihn nicht heiraten wollten. Aber alle lehnen immer nur lachend ab. Bevor es losgeht, stärkt sich der 37-Jährige mit Schokomilch und Schokolade. „Auch ein Stück?“, fragt er und erzählt, dass er auch mal abnehmen wollte, es jedoch längst aufgegeben hat. Dabei streicht er sich wohlig über seinen dicken Bauch. Und noch schnell Lidschatten und Lippenstift erneuert, it’s show-time.
Wie es sich für einen guten Conférencier gehört, sagt Grossi „hallo!“ und lehrt zugleich das Fürchten: „Wer nicht ordentlich klatscht, muss mit mir ins Bett!“ Und schon singt die Tunte (Grossi über Grossi) „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. Passend schmachtet der gebürtige Hallenser, der in Kreuzberg aufwuchs, der Reihe nach fast alle Männer an („ich bin bi“). Nur die am Tresen sitzen, bleiben verschont, weil das Mikrokabel nicht bis dorthin reicht.
Das Lied hört auf, und alle applaudieren wild. Das steckt an. Ein paar junge Leute sind übrigens jeden Dienstag da, quasi Grossis Fanklub. Sie klatschen hübsch im Rhythmus und singen mit, denn Grossi trällert manche Songs öfter. „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ zum Beispiel. Oder einen Marianne-Rosenberg-Schlager. Dazu erzählt er Witze.
Als die ersten Takte von „New York, New York“ erklingen, ruft ein Gast: „Und jetzt auf Englisch!“ Aber ein anderer weiß es besser: „Das kriegt er nicht hin.“ Auch egal. Schon singt Grossi „Da-da-da“ und zwischendurch auch immer mal „Berlin, Berlin“. Alles brüllt vor Lachen. Grossi ist echt komisch.
Dazu tänzelt er hin und her. Das sieht ein bisschen ungelenk aus, denn Grossi ist zwar vielseitig, aber dass er zu allem Überfluss auch tanzen kann, hat er nie behauptet. Das übernimmt Edel, eine schöne Kubanerin, die gekonnt zu Salsa und anderen karibischen Klängen tanzt. Dann singt Grossi „Heidi“, doch mit dem Jodeln hat er es nicht so. Und er bringt auch einen lustigen, selbst geschriebenen Song zu Gehör. „Jeder Scheiß hat seinen Preis“, so der vielsagende Titel. Den soll es bald auf CD geben. Andreas Hergeth
Grossi im Café Jamboree, Rotherstraße 1, Friedrichshain, jeden Dienstag ab 21 Uhr
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