Berliner Szenen: Kinder von Sasha Waltz
Die Kiste swingt
Die Kindertanzcompany von „Sasha Waltz & Guests“ ist das Gegenteil der „Mini Playback Show“. Das konnte man am Wochenende wieder feststellen: Erst rollen, schubbern und fallen Siebenjährige so anmutig und neugierig über die Bühne, wie das eben nur sie können. Dann tanzen Neun- bis Elfjährige zu Debussy ein paar Märchen-Miniaturen, und bringen die jeweilige Symbolik durch reduzierte Accessoires auf den Punkt: Was braucht es für „Rapunzel“ mehr als lange Bänder, die – als Haare – vom Turm heruntergelassen werden und aus denen sich die StreicherInnen wickeln?
Die Bühne bei „Aschenputtel“ wird dagegen von einer frontal stehenden Harfe wie durch einen Spiegel getrennt, auf dessen beiden Seiten zwei Puttels in klappernden, zu großen roten Schuhen synchron tanzen. Und vielleicht weil – nach Mae West – too much of a good thing wonderful sein kann, holzen und hacken danach gleich 13 Prinzen und Prinzessinnen mit dem Schwert auf die Dornröschenhecke ein, um das 100-Jahre-Pofen zu beenden. Der, der es schließlich schafft, wirft seinen Erweckungskuss direkt ins Publikum.
Die Gruppe der Zwölf- bis Vierzehnjährigen hat gar den Mut, vor dem vollen Saal zu improvisieren: Die Teens sprechen beim Tanzen in Headsets über Zicken, die sich während des Unterrichts heimlich Concealer auf die (nicht vorhandenen) Augenringe schmieren, über Werbung und über die ewigen Ansprüche der Umwelt an sie. Man hört sie außer Atem geraten, aber selbst das ist extrem charmant. Nie im Leben, hofft man, werden aus diesen begeisterten Menschen jene üblichen Tanzmuffel, die im Club herumstehen und sich nicht trauen, „weil du denkst dass deine Kiste / Nicht so swingt, wie sie swingen müsste“, wie Seeed einst sangen. Und gleich eine Lösung vorschlugen: „Dann trainier sie / Ich zeig dir wie!“ Jenni Zylka
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