Berliner Szenen: Kann man nix machen
Parallelgesellschaft
Froh sei er, dass er noch reingekommen sei, sagt der junge Mann, der im Kosmonaut neben mir an der Wand lehnt. Gerade habe ich ihn um eine Zigarette angeschnorrt und blieb noch ein bisschen stehen; unschlüssig, wohin mit mir. Denn bis die Hamburger DJs von Extrawelt ihre Rechner aufklappen, sollten noch zwei Stunden vergehen. Der Typ hat es als Gesprächsbereitschaft gedeutet. Damit liegt er nicht so falsch.
Ob ich eine Tüte rauchen wolle, fragt er. Die Unterhaltung ist inzwischen ein wenig vorangeschritten. „Ja“, sage ich. „Das fehlt mir noch zu meinem Glück heute.“ Wir setzen uns in den Vorraum. Aus einem Loch in der Wand bläst warme Luft. Ich halte meine vom in der Schlange stehen tiefgefrorenen Füße davor, während er baut.
Erzieher an einer Grundschule in Neukölln sei er, erzählt er mir dann in plötzlich einsetzender Redseligkeit. Ich vermute, die Substanzen, die er vorher aus einem Plastikphiölchen geschüttelt hatte, beginnen zu wirken. Oh, oh, Laberflash, denke ich. Aber ich habe auch nichts Besseres zu tun.
Die muslimischen Kinder, schwafelt er los. Mädchen, die kein Kopftuch trügen, würden gemobbt, vom Gruppendruck gebeugt. „Meine Schwester darf nicht tragen, was sie will“, sollen die Jungs ihm gesagt haben, da passten sie schon auf. Machen könne man da nix, Parallelgesellschaft, Zwangsheirat. Überhaupt, der Islam.
Wie viele Jungs so was sagen würden, will ich wissen. 600 Schüler rechnet er los, 300 männlich, 250 muslimisch, 150 davon arabisch. „Von denen alle“, sagt er überzeugt. Das sei verallgemeinernd, wende ich ein. Und dass sich im Leben eines Achtjährigen noch ziemlich viel ändern könne. Als er sich verabschiedet, ärgere ich mich, dass ich nicht vehementer war. Aber seit wann begegnet man Rassisten beim Kiffen in einem Club?
Marlene Halser
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