Berliner Szene: Abschied von der Kita
Das Schralaffenland
Ich werde ganz wehmütig, als Fup auf dem Sommerfest seiner Kita in der Hasenheide offiziell verabschiedet wird und eine riesige Schultüte überreicht bekommt, die mit Papier, Gummibärchen und Luftballons gefüllt ist. Außerdem kriegt er ein selbst gebasteltes Fotoalbum überreicht, in dem seine viereinhalbjährige steile Karriere von ganz unten bis hinauf zum Bestimmer dokumentiert ist.
Nun ist die Zeit vorbei, in der er „Mecki im Schralaffenland“ vorgelesen bekam, vorbei die Zeit, in der er von den im Haus wohnenden „Twingelies“ erzählte, die ihn anhimmelten, weil er im Unterschied zu ihnen keinen Schnuller mehr brauchte, und vorbei die Zeit, als er noch auf Begrenzungsmäuerchen „bangsalierte“, denn mit dem Beginn der Schule wird er wie alle anderen auch balancieren müssen.
Diese schönen Neuschöpfungen haben nicht nur Eingang in meinen Sprachgebrauch gefunden, ich habe Fup auch nie verbessert. Die Schule wird diese originären Erfindungen schnöde als falsch abtun und sie gnadenlos als Irrtümer bloßstellen. Harry Rowohlt hat sich noch die Mühe gemacht, mit der Übersetzung von Kinderbüchern wie „Die grüne Wolke“ von A. S. Neill Worte wie „Verfatz dich“ aus dem Rotwelschen zurück in den Sprachgebrauch der Kinder zu schmuggeln. Jetzt wurde er zu Grabe getragen, und jemand wie er muss erst wieder geboren werden, der den Kindern zeigt, dass es noch etwas anderes gibt als das schwachsinnige „Peter Pan“ auf Kika.
Ich drücke die Stopp-Taste meines inneren Erregungsmonologs und beobachte etwas abwesend Fup, der gerade zu seinem besten Freund sagt, dass er ihn später einmal heiraten werde, worauf ein anderer bester Freund sagt: „Boah ey, das ist ja assig!“ – „Wieso?“, sagt Fup. „Wir wollen nun mal keine Kinder.“ Klaus Bittermann
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