Berliner Sumpf: Immobilienaffäre wird Notaren zu heiß

Der Skandal, der schon den Justizsenator das Amt kostete, weitet sich aus. Nach neuen Vorwürfen lassen die Schatzmeister der Notar- und Anwaltskammer ihre Ämter ruhen

Er war wohl nicht der Letzte, der wegen der Immobilienaffäre gehen muss: Kurzzeitjustizsenator Braun Bild: dapd

Die Schrottimmobilienaffäre fordert weitere Opfer: Der Schatzmeister der Berliner Notarkammer, Frank Leithold, und der Schatzmeister der Berliner Rechtsanwaltskammer, Joachim Börner, lassen mit sofortiger Wirkung ihre Ämter ruhen. Das gaben die Kammern am Montag bekannt. Damit reagieren die beiden Rechtsanwälte auf Vorwürfe, am Verkauf von Schrottimmobilien beteiligt gewesen zu sein. Wegen desselben Vorwurfs war Justizminister Michael Braun (CDU) vor einer Woche nach nur elf Tagen Amtszeit zurückgetreten.

Leithold und Börner gehören beide der Kanzlei Wollmann und Partner in Charlottenburg an. Diese war offenbar eine der wichtigsten Kanzleien für sogenannte Mitternachtsnotare, also Anwälte, die außerhalb der üblichen Dienstzeiten Beurkundungen vornehmen. Der Anwalt Jochen Resch vertritt nach eigener Aussage mehrere hundert Anleger, die in zumeist nächtlichen Terminen bei Börner und Leithold den Kauf von Eigentumswohnungen beurkundeten, die, wie sich später herausstellte, nur einen Bruchteil des Kaufpreises wert waren. Die Käufer werfen den Notaren vor, nicht ausreichend informiert worden zu sein, sodass sie teils nicht einmal gewusst hatten, dass sie einen Kaufvertrag unterschreiben.

Resch fordert Gesetzesänderungen. "Die Beweislast muss umgekehrt werden, sie kann nicht noch bei dem ohnehin Geschädigten liegen", sagte der Anwalt. Auch die an den Immobiliengeschäften beteiligten Banken müssten verantwortlich gemacht werden.

Jürgen Blache von der Schutzgemeinschaft für geschädigte Kapitalanleger sprach von einer "kriminellen Vereinigung". Die Verkäufe seien in dieser Form nur möglich gewesen, weil alle Beteiligten Bescheid gewusst und mitgespielt hätten. Er forderte, dass den beteiligten Notaren die Zulassung entzogen wird, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Daran zweifelt Blache nicht: "Niemand kann mir erzählen, dass solch hochgebildete Menschen nicht merken, dass es sich bei diesen dubiosen Abläufen um Betrugsfälle handelt." Notar- und Rechtsanwaltskammern hätten bei Beschwerden immer nur abgewiegelt, statt die Betroffenen an die Hand zu nehmen und sie zu unterstützen.

Bernd Pickel, Präsident des Landgerichts, zeigte sich "überrascht" von den Vorwürfen an Funktionäre der Notarkammer. "Wir arbeiten eng mit der Kammer zusammen. Dies würden wir nicht tun, wenn wir Zweifel an deren Vertrauenswürdigkeit hätten", so Pickel, kurz bevor bekannt wurde, dass die beiden Notare ihre Ämter ruhen lassen. Pickel liegen nach eigener Aussage keine Erkenntnisse über Verstöße Leitholds gegen die Amtspflicht vor.

Das Landgericht ist mit der Notarkammer zuständig für die Aufsicht über die Notare. Davon gibt es rund 900; darunter sei, so Pickel, "sicher auch mal ein schwarzes Schaf". Das Gericht hatte nach den Vorwürfen an Senator Braun Geschädigte aufgefordert, sich zu melden. Bisher seien 15 bis 20 Meldungen eingegangen. Diese würden geprüft, gegebenenfalls werde ein Disziplinarverfahren eröffnet. Zum Entzug des Notariats komme es jedoch nur selten, so Pickel. Auch eine striktere Richtlinie für Beurkundungen, wie sie die Bundesnotarkammer seit Jahren empfiehlt, könne nur die Berliner Notarkammer beschließen.

Diese teilte nach einer Krisensitzung am Montag mit, den Vorwürfen und Beschwerden werde ohne Ansehen der Person nachgegangen. Die Notarkammer hatte, als die gegen Braun erhobenen Vorwürfe Braun bekannt wurden, diese zunächst schnell entkräftet. Der Grünen-Abgeordnete Dirk Behrendt sprach von einem Sumpf, der trockengelegt werden müsse. Das Ruhenlassen der Ämter sei "der Schritt, der nötig ist". Nun sei einen Aufarbeitung durch die Kammern fällig.

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