Berliner Stadtschloss: Preußenverherrlichung beenden
Die „Initiative Schlossaneignung“ fordert Aufklärung zu den rechtslastigen Spendern – aber die Bundestags-Petition droht zu scheitern.
Was Oswalt und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen immerhin erreicht haben, ist, dass ihre schon seit Langem erhobenen Forderungen im Gespräch bleiben. Und die Debatten rund um das Stadtschloss und das Humboldt Forum eben nicht einschlafen, wie sich das die Stiftung Humboldt Forum und inzwischen auch die Bundesbeauftragte für Kultur, Claudia Roth (Grüne), erhoffen.
Was Oswalt sich nicht bloß wünscht, sondern was er verlangt, sind im Wesentlichen zwei Dinge. Erstens: „Dass die Rolle der rechtsradikalen Spender bei der Gestaltung der Schlossfassaden aufgeklärt wird. Und dass daraus Konsequenzen gezogen werden.“ Zweitens: „Dass das Geschichtsbild, für das das Schloss steht, nicht so stehen bleibt. Dass durch Interventionen am Schloss andere Perspektiven auf die deutsche Geschichte ermöglicht werden. Und dadurch die Preußenverherrlichung, die auf rechtslastige Kräfte zurückzuführen ist, gebrochen wird.“
Oswalt hat schon vor Jahren damit begonnen, das Treiben des Fördervereins Berliner Stadtschloss zu untersuchen. Er konnte belegen, dass dieser gezielt im extrem rechten Dunstkreis etwa der Jungen Freiheit nach privaten Spendern suchte. Und dass dann auch diverse Schmuckelemente an der Außenfassade des Schlosses direkt von beispielsweise Dieter Stein, dem Herausgeber der Jungen Freiheit, mitfinanziert wurden.
Traum vom Kaiser
Oder von strammen Preußenvereinen, von denen manche davon träumen, dass in Berlins Mitte vielleicht irgendwann einmal wieder ein echter deutscher Kaiser residiert, wenn diese lästige parlamentarische Demokratie endlich überwunden ist.
Zigfach hat Oswalt seinen Unmut zu diesem Treiben und dem Umgang mit dem Thema kundgetan. Gegenüber der taz führte er seine Kritik gerne noch um ein Weiteres aus. Gemäß dieser konnte der Förderverein schon jetzt mehr Rekonstruktionswünsche verwirklichen, als ursprünglich im Beschluss des Bundestags 2002 zur Teilrekonstruktion des Schlosses vorgesehen war.
Und nun, wo alles so gut läuft für den Förderverein, werde der sich nicht einfach auflösen, sondern versuchen, weiter Einfluss zu nehmen. „Das ist eine Lobbygruppe und eine Spendenmaschine mit Kontakten in die Politik. Die wollen immer mehr Rekonstruktionen im Inneren wie im Äußeren“, sagt Oswalt.
Dem Humboldt Forum wiederum wirft er vor, sich nicht vom Förderverein zu distanzieren. Auch lasse der kaum Interesse erkennen, an der Aufklärung beizutragen, wie viele der teils anonym eingegangenen Spendengelder denn nun wirklich aus dem extrem rechten Spektrum kommen.
Bei der Leitung des Humboldt Forums mag Oswalt inzwischen als Nervensäge gelten, als einer, der keine Ruhe gibt. Und mit dem Förderverein befindet er sich derzeit in einem Rechtsstreit. Aber nicht wenige Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Forums sehen das ganz anders aus. Diese haben ungefähr zeitgleich mit dem Start der Petition der Initiative Schlossaneignung einen offenen Brief an die Spitzen des Forums verfasst, der der taz vorliegt.
Klar Position beziehen
Mit dem Brief, so heißt es, soll eine „klare Position gegen antidemokratische, geschichtsrevisionistische und rechtsradikale Tendenzen im Kontext des Humboldt Forums“ bezogen werden. Die Tätigkeiten des Fördervereins werden genauso kritisiert wie eine fehlende Distanzierung von selbigem.
Die etwa 70 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die unterschrieben haben, machen sich außerdem die Forderung Oswalts zu eigen, die Herkunft der Spendengelder zu untersuchen. Alles andere würde die Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit im Humboldt Forum, bei der es auch um postkoloniale Debatten geht, unterminieren.
Der Diskurs über den passenden Umgang mit dem vermaledeiten Schloss wird also auch weitergehen, wenn am Freitag das Einsammeln von Unterschriften für die Petition der Initiative Schlossaneignung endet. Ideen ohne Ende, wie diesem der stramme Preußengeist ausgetrieben werden könnte, liegen ohnehin vor.
Künstler und Künstlerinnen konnten solche bei einem von der Initiative ausgelobten Wettbewerb einreichen. Machbar, brauchbar, witzig – Ideen gibt es genug. Beginnend bei einer gequeerten Schlosskuppel in Regenbogenfarben bis hin zu einem Stadtschloss auf Rädern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann