Berliner Seen zugefroren: Übers Wasser gehen
Der Dauerfrost hat die BVG-Fähre von Wannsee nach Kladow stillgelegt. Manch einer ist zwar unsicher, ob das Eis überall hält, trotzdem gehen Anwohner jetzt einfach zu Fuß.
Simon sieht nicht ein, warum er auf die öffentlichen Verkehrsmittel warten sollte. Der 17-Jährige greift zur naheliegendsten Lösung, um von der Schule nach Hause zu kommen, und geht über das Wasser. Behände klettert er durch die Brüstung am Hafenbecken des Wannsees und springt auf die massive Eisfläche. Gemütlich sein Mittagessen von der Dönerbude verspeisend, schlendert der Schüler entlang der Fährschiffe, die bombenfest eingefroren sind.
Seit dem Morgen des 7. Januar liegt der Fährverkehr in ganz Berlin still. Am Montag war der erste Tag, an dem Simon seine Abkürzung nutzen konnte. "Vorher war das ja echt mühsam, sich durch den Schnee zu kämpfen", sagt er. Doch die schneefreie Zeit, der beständige Wind und die kurze Tauwetterperiode vergangene Woche haben auf dem riesigen Areal spiegelglatte Flächen geschaffen.
Den kompletten See würde Simon allerdings nicht überqueren. Denn weiter draußen, wo die Havel für eine beständige Strömung sorgt, würden sich oft Löcher im Eis finden, so der Schüler. Dort, wohin Simon zeigt, spazieren Rosi Brüggemann und ihr Begleiter ganz genüsslich über die durchgängig geschlossene Eisdecke. "Aber man muss hier trotzdem ganz schön aufpassen", so Brüggemann. Denn die glatte Fläche sei kaum für Fußgänger geeignet. "Gestern bin ich böse gefallen", sagt die Anwohnerin. Sie und ihr Begleiter halten sich deshalb an die Schneewehen, die auf dem Eis wirre Muster bilden.
Dem 23-jährigen Jakob gefällt es auf den spiegelblanken Teilen des Sees besser. "Saukalt, staubtrocken und deshalb unglaublich schnell" sei das Eis, so der 23-Jährige. Er kommt aus Kladow, dem Ortsteil auf der anderen Seite des Sees, jenseits der Havelströmung, und fährt mit Schlittschuhen zur S-Bahn-Station Wannsee, um in die Stadt zu kommen. "Wenn die Öffentlichen schlappmachen, muss man sich halt selbst behelfen", kommentiert er die eingefrorene Fähre und rast davon.
Für Celine und Philip, 26 und 27 Jahre, ist der Weg das Ziel. Die beiden haben sich freigenommen für einen ganz besonderen Moment: "Wir wollten das einfach mal gemacht haben", verrät Celine. Philip erklärt: "Man kann ja nicht alle Tage über den Wannsee laufen!"
Ein Segel kreuzt den Weg der Studierenden. Auf drei Kufen kratzt der Schlitten unter dem Segel über das Eis. Der behelmte Steuermann ist hochkonzentriert dabei, sein Gefährt hart am Wind zu halten. Als Fährersatz ist es aber nicht ausreichend. "Kein Platz mehr!", ruft die Beifahrerin, die sich an der Reling räkelt. Wann der Fährverkehr wieder aufgenommen wird, ist laut BVG noch nicht abzusehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz