Berliner Riesenrad-Plaung steht auf der Kippe: Jemand dreht am großen Rad
Es sieht nicht gut aus für die geplante Touristenattraktion am Zoo. Die Fondsgesellschaft kann für Anleger einen "wesentlichen Kapitalverlust" nicht ausschließen.
Für die einen wie den SPD-Stadtentwicklungspolitiker Daniel Buchholz wäre es eine Bereicherung der City-West. Für andere wie die Grünen-Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig würde das geplante 175 Meter hohe Riesenrad am Bahnhof Zoo das Stadtbild verschandeln. Derzeit sieht es so aus, als ob die Grüne aufatmen könnte. Denn laut der hinter dem Projekt stehenden Fondsgesellschaft fehlen für den Bau weiter 70 bis 80 Millionen Euro. Dabei drängt die Zeit: Bis Ende Oktober 2011 müsse das Riesenrad stehen, hat die Finanzverwaltung des Senats klargemacht. Ansonsten sei eine Vertragsstrafe oder ein Rückkauf möglich.
Eine Bank, die wie ursprünglich geplant die noch fehlende Summe zuschießen könnte, ist offenbar nicht in Sicht - laut Fondsgesellschaft nicht aus Zweifeln am Projekt, sondern wegen der fortwährenden Wirtschaftskrise. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht dennoch keinen Grund, einzugreifen oder sich vorbeugend Gedanken über eine andere Nutzung des Geländes zu machen, das früher Wirtschaftshof des Zoos war. "Wir sind da ganz raus, bis wir von den Verantwortlichen etwas anderes hören", sagt ihr Sprecher Mathias Gille. "Ich glaube nicht, dass die schon am Ende sind."
Selbst Riesenrad-Fans wie der SPD-Abgeordnete Buchholz aber räumen ein, dass sich die Lage zumindest von außen betrachtet nicht so günstig darstellt. Grünen-Politikerin Eichstädt-Bohlig ist es deshalb zu wenig, wenn sich die Senatsverwaltung auf Abwarten beschränkt: "Der Senat muss das Heft des Handelns in die Hand nehmen und nicht darauf warten, dass irgendwann ein Investor mit dem nächsten Projekt kommt." Sie befürchtet, dass die Fondsgesellschaft das Gelände sonst weiterverkauft, "ohne dass es eine sinnvolle Stadtentwicklung gibt".
Überlegungen zu einem Riesenrad in Berlin existieren schon länger. 2004 gab es Pläne, dass zur Fußball-WM zwei Jahre später am Gleisdreieck ein ebenfalls 175 Meter hohes Rad stehen sollte. Auffällig an der aktuellen Initiative ist unter anderem, dass hier viele Einzelanleger ab 2006 in einen Topf einzahlten. Dieser Fonds sollte nicht nur ein Berliner Riesenrad finanzieren, sondern auch zwei weitere in Peking und Orlando in Florida. 208 Millionen kamen auf diese Weise zusammen. Rund ein Viertel davon ging laut Fondsangaben für Grundstück, Abrissarbeiten und Planung nach Berlin.
Kritiker werfen der Fonds-Geschäftsführung vor, dass sie die Grundstücke kaufte, bevor die nötige Kofinanzierung durch eine Bank gesichert war. Die Fondsgesellschaft selbst, die zur international tätigen ABN Amro Gruppe gehört, räumt ein, ein "wesentlicher Kapitalverlust" könne nicht mehr ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund hat sie den Anliegern zu Monatsbeginn einen Ausstieg angeboten. Wer fürchtet, alles zu verlieren, soll seine Anteile zurückgeben und dafür Ende Mai 60 Prozent des eingezahlten Gelds zurückbekommen können. Wer aussteigen will, aber bereit ist, auf die Rückzahlung bis 2018 zu warten, dem sagt die Fondsgesellschaft 85 Prozent zu.
Eine Gruppe von Anlegern aber stemmt sich als Initiative "Pro Riesenrad" gegen das Rückkaufangebot und fordert Mitanleger auf, die Offerte nicht anzunehmen. Sie wirft der Geschäftsführung schlechtes Management vor und fordert ihre Abwahl bei einer Gesellschafterversammlung Ende April. "Ohne Sinn und Verstand" seien Fondsgelder ausgegeben worden, heißt es auf der Webseite der Initiative.
Die derart angegriffene Fondsgesellschaftsspitze will sich dazu nicht äußern. "Kein Kommentar", sagte Geschäftsführer Christian Hareiner der taz. Nach seiner Darstellung würden sich durch den Rückkauf die Chancen für das Riesenrad nicht verschlechtern, sondern verbessern. Eine schlüssige Begründung für diese optimistische Sichtweise vermochte er jedoch nicht zu liefern.
SPD-Politiker Buchholz bleibt derweil zwar Fan der Idee - "so ein Riesenrad ist immer ein Touristenmagnet" -, ordnet aber vorsorglich schon mal die Verantwortlichkeiten: "Die Politik ist nicht schuld, wenn das Rad nicht kommt - wir haben bisher alle Ampeln auf Grün gestellt."
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