Berliner Präparator für Tarantino-Film: Im Reich der platzenden Tiere

Der Berliner Präparator Ingo Kopmann hat für Regisseur Quentin Tarantino ganz spezielle Tauben gebastelt. In dem jetzt anlaufenden Film "Inglourious Basterds" fliegen sie Daniel Brühl und Kollegen kunstvoll um die Ohren.

In einer Szene des Films 'Inglourious Basterds' befehligt Lt. Aldo Raine (Brad Pitt) einen Trupp jüdischer Soldaten Bild: AP

Der kleine, unscheinbare Laden liegt in einer Seitenstraße in Charlottenburg. Ein verstaubter Dachs drückt seine graue Nase an die matte Fensterscheibe, einige Wiesel liegen lieblos umher, ein in die Jahre gekommener Wolf wartet auf seine Besitzer. An den Wänden hängen fette Fische, die aussehen wie vom Sperrmüll des Naturkundemuseums. In der Tat deutet nichts darauf hin, dass man gerade die Werkstatt des zweifachen Vize-Europameisters der Tierpräparatoren betreten hat.

Prunk und Protz liegen Ingo Kopmann fern. Graues T-Shirt, Jeans, Berliner Schnauze. So fühlt der 50-Jährige sich wohl. Im Chaos seiner winzigen, liebevoll schmuddeligen Werkstatt, die Regale gefüllt mit allerlei Heimwerkerbedarf, Farbdosen, Kaisernatron und Waschbenzin. Mitten im Raum surrt leise eine riesige alte Tiefkühltruhe - eine von insgesamt sieben. Sie ist vollgestopft mit Papageien, Tauben, Katzen, Waschbären. Auch ein 130 Kilo schwerer Keiler ist darunter: "Ohne Knochen, nur Kopf und Fell. Ordentlich gefaltet passt der inne Plastiktüte." Behände leert Kopmann eine Tüte aus, zwei tiefgefrorene asiatische Wickelbären poltern mit spastisch verdrehten Läufen auf die hölzernen Fußbodendielen: "Bis morgen sind die aufgetaut, dann kann ich sie präparieren."

In "Inglourious Basterds" - der Schreibfehler ist Absicht - ist Leutnant Aldo Raine (Brad Pitt) der Anführer einer Gruppe jüdisch-amerikanischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Ihr Ziel ist es, durch Anschläge hinter den Linien das Naziregime zu schwächen.

Auf einer ihrer Missionen stoßen sie auf die Schauspielerin und Geheimagentin Bridget von Hammersmark (Diane Kruger), die ein Attentat auf Hitler vorbereitet. Der Zufall will es, das die Kinobesitzerin Shosanna Dreyfus (Mélanie Laurent), deren gesamte Familie dem Nazi-Oberst Hans Landa (Christoph Waltz) zum Opfer fiel, etwas Ähnliches plant: Sie will die gesamte Nazielite, die sich bei ihr zu einer Filmpremiere angemeldet hat, auslöschen.

Besetzt mit vielen deutschen Schauspielgrößen wie Til Schweiger, Daniel Brühl und August Diehl entwirft Tarantino in "Inglourious Basterds" eine fiktive Geschichte über das Ende des Zweiten Weltkrieges, in der das Kino seinen Triumph über die Wirklichkeit feiert.

Der Film läuft ab heute in zahlreichen Berliner Kinos. Unter anderem im International und im Odeon ist er im Original mit Untertiteln zu sehen. Alle Termine in der Cinema-taz im taz-plan.

Kopmann kauft verendete Tiere von Zoos, Jägern, Züchtern und Privatleuten an. Auf Vorrat. Man weiß ja nie, was als Nächstes gebraucht wird - für einen Film, Werbung oder als Deko. "Beim Film sind Hunde und Katzen besonders beliebt", sagt Kopmann. "Erschossen, erhängt, plattgefahren oder ohne Kopf. Alles kein Problem. Kriegen wir hin." Bei Tarantinos Spezialwunsch musste der Präparator allerdings schon ein bisschen tüfteln: "Er wollte eben Tauben, die er in die Luft sprengen kann und wo nur Federn rausfliegen." Knifflig war das wegen der "Statik": Normalerweise halten Skelett und ausgehärteter PU-Schaum die Form der präparierten Dummys. Beides verwandelt sich bei einer Sprengung jedoch in zig Mini-Projektile. Nicht unbedingt angenehm für die umstehenden Schauspieler. In diesem Falle Daniel Brühl, der als Scharfschützenkönig Frederik Zoller aus einem Turm heraus französische Soldaten niederballert.

Doch der Berliner Präparator nahm die Herausforderung an. Er bastelte ein festes Innenleben aus Federn, Wolle und Garn, zog das graue Taubenmäntelchen drüber, mit Nadel und Zwirn zunähen und kleine Öffnung für die Sprengladung lassen. Fertig. Acht Exemplare hatte Tarantino geordert: erst fünf, dann noch mal drei. "Die wurden am Set bei wechselnden Kameraeinstellungen gesprengt", erzählt Kopmann - unter den gestrengen Profiaugen Tarantinos.

Der Berliner Präparator hat schon mit vielen Großen der Filmbranche zusammengearbeitet. Er zählt die Namen eher beiläufig auf: Rainer Werner Fassbinder, Roman Polanski, Jean-Jacques Annaud, Bryan Singer, Leander Haußmann und jetzt eben Tarantino. "Das Schöne bei denen ist, dass die einfach ihre Arbeit verdammt professionell machen. Die sagen mir ganz exakt, was sie sich vorstellen, und fragen mich dann, inwieweit das mit Dummys realisierbar ist." Kopmann schätzt den gegenseitigen Respekt, die Wertschätzung für die Arbeit des anderen. Bei kleineren Fernsehproduktionen hat er schon manchen Regisseur erlebt, der sich wie ein Möchtegern-Gott aufführte und Tobsuchtsanfälle bekam, wenn der Präparator ihm sagte, dass etwas schlicht nicht umsetzbar sei.

Am liebsten arbeitet Kopmann für amerikanische Produktionen, die in letzter Zeit recht häufig zu Drehs in die Babelsberger Studios nach Potsdam kamen, etwa auch Bryan Singer mit "Operation Walküre", die Stauffenberg-Verfilmung mit Tom Cruise in der Hauptrolle. Zwei Dinge sind es, die Kopmann an den Amerikanern mag: "Erstens: Geld spielt überhaupt keine Rolle. Im Gegensatz zu deutschen Produktionen, wo auf jeden Pfennig geguckt wird." Die acht Tauben haben Tarantino gut tausend Euro gekostet. Peanuts. Aber bei einer deutschen Produktion wäre die Szene wahrscheinlich nur mit zwei, drei Taubenversuchen gedreht worden - zumal, wenn es sich um ein Detail am Rande handelt.

Und das ist eben das Zweite, das Kopmann an amerikanischen Regisseuren schätzt: "Die haben so eine Liebe zum Detail. Wenn ich zum Beispiel ein angeschossenes Tier präpariere, dann wird beim Dreh gern mal ein Close-Up von der Wunde gemacht, also voll drauf." Da mache das Präparieren natürlich besonders Spaß, weil man sich ein bisschen mehr austoben könne und das kunstvoll-blutig Gestaltete, die reingesteckte Arbeit im Bild später dann auch richtig gewürdigt werde.

Denn das, was Kopmann und sein Kollege in mühevoller Kleinarbeit fertigen, ist mitunter nur für einen Augenblick im Film zu sehen. Tagelang haben sie etwa einen kapitalen Dammhirsch für Urs Eggers Fernsehfilm "An der Grenze" präpariert. Er sollte in einer Selbstschussanlage der DDR verenden, durchsiebt von Kugeln, aus zig Löchern blutend, plus blutiger Schaum aus den Nüstern. Im Film war das Tier am Ende eine Sekunde und dann noch mal eine halbe zu sehen. "Aber sah gut aus", sagt Ingo Kopmann und grinst dabei zufrieden.

Ähnlich das Schicksal der Tarantino-Taube. Ihr Auftritt ist im Film-Film, in dem Goebbelsschen Propagandastreifen, der am Ende beim großen Showdown in Shoshanna Dreyfus (Melanie Laurent) Kino über die Leinwand flackert. Eine Rolle, so klein, dass sich selbst die Leute von Universal Pictures Germany am Ende dann nicht mehr erinnern daran konnten, ob die Taube den Umschnitt, den Tarantino seinem Film nach der Cannes-Premiere im Mai noch mal verpasst hat, überlebt hat.

Schauen Sie also selbst, ob sie Kopmanns explodierende Taube in "Inglourious Basterds" entdecken. Im Zweifelsfall unscheinbar. Aber absolut professionell.

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