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Berliner PolizeirepressionenFähnchen führen in den Knast

Weil sie Wimpel dabeihaben, werden Teilnehmer der antinationalen Demo festgenommen. Laut Polizei hätten sie damit Gewalttätern Zeichen geben können.

Setzte auf Präsenz: Polizei bei der antinationalen Demo am Samstag. Bild: AP

Die Ausschreitungen am 1. Mai haben zu einem radikalen Umdenken bei der Polizei geführt. So wurde die antinationale Demonstration am Samstagabend nicht nur komplett von einem Polizeispalier begleitet. Wie erst am Montag bekannt wurde, mussten mindestens zwei Demoteilnehmer gar 14 Stunden im Gefängnis verbringen, nur weil sie kleine Fähnchen dabeihatten. Die Demoveranstalter planen nun rechtliche Schritte gegen das Vorgehen der Polizei.

Rund 2.000 Menschen waren am Samstag dem Aufruf linker Gruppen gefolgt, um unter dem Motto "Etwas Besseres als die Nation" gegen die Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik zu demonstrieren. Schon am Treffpunkt Rosa-Luxemburg-Platz habe die Polizei zahlreiche kleine Fähnchen beschlagnahmt, sagte Anwalt Stefan Krauth, der die Organisatoren des Aufzugs juristisch berät.

Die weniger als 30 Zentimeter großen Wimpel seien themenbezogen mit dem Demomotto oder Slogans wie "ums Ganze" bedruckt gewesen. Mindestens zwei Fähnchenträger seien "zur Verhinderung von Straftaten" bis Sonntagmorgen festgehalten worden, so Krauth. "Nach den Feststellungen der Polizei ist zu erwarten, dass der Festgenommene versuchen wollte, mit den mitgeführten Signalflaggen Zeichen zu geben, die Personen signalisiert, welche Handlungen gewaltbereite Personen im Versammlungsaufzug zum Zweck von Straftaten vorzunehmen haben", heißt es in einem der taz vorliegenden Beschluss des Amtsgerichts.

Ein weiterer Grund für die Freiheitsentziehung wird nicht genannt. Die Polizei bestätigte am Montag, dass insgesamt sechs Personen festgenommen worden seien. Vier davon seien "bis zum nächsten Morgen geblieben".

Doch auch nach der Aussortierung der Fähnchen und ihrer Träger durfte die Demonstration zunächst nicht losziehen. Die Polizei bemängelte, es gebe zu viele schwarz gekleidete Sonnenbrillenträger im vorderen Teil des Aufzugs. Kurzzeitig kam es zu einer Rangelei, als einige Demonstranten nicht mehr warten wollten. Das wiederum nahm die Polizei zum Anlass, den kompletten Aufzug mit engem Spalier zu begleiten.

"Das war geboten, weil wir mit weiteren Angriffen auf die Polizei rechnen mussten", erklärte Polizeipräsident Dieter Glietsch am Montag im Innenausschuss. "Es kann nicht sein, dass ein Demonstrationsbeginn von der Zahl der Sonnenbrillen und der Kleidungsfarbe der Teilnehmer abhängt", kritisiert Rechtsanwalt Krauth. Man werde sowohl wegen der Festnahmen als auch wegen der Demonstrationsverzögerung nachträglich Klage einreichen.

Während es die Polizei mit den Demonstranten derzeit wieder sehr genau nimmt, geht sie mit ihren eigenen Regeln lax um. Auffallend viele Beamte trugen am Samstag auf dem Rücken eine andere Kennnummer als auf dem Helm. Die vierstellige Zahl soll eigentlich bei der Identifizierung von Polizisten helfen, die im Einsatz über die Stränge schlagen. Der Zahlenwirrwarr sei nicht schön, sagte der Polizeieinsatzleiter zur taz. Wenn Beamte kurzfristig ihren Zug wechseln müssten, könne die fest aufgeklebte Helmzahl nicht geändert werden. Entscheidend sei die Rückennummer, die dank Klettverschluss ausgetauscht werden könne.

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18 Kommentare

 / 
  • D
    Demonstrant

    Was bleibt denn noch vom Demonstrant übrig, wenn wir mal zusammenzählen, was alles gefährlich in den Augen der Polizei ist? - NICHTS!

     

    Sollen wir demnächst nackt, mit abgehackten Händen und ohne Haare (evtl. Vermummung)kommen? Achja und vergesst euch nicht die Eisenkugel ums Bein zu binden, damit ihr gar nicht auf die Idee kommt euch der Staatsgewalt zu entziehen.

  • WN
    Wolfgang Noehricke

    @Sven

    Natürlich hast du recht mit dem schwarzen Block.

    Ich erwähnte nicht deutlich, dass mit Helden sicher nicht die Rechten Einschleicher und die Zivilpolizei die vermummt im schwarzen Block mitläuft und so den Verlauf einer Demo

    negativ zu beeinflussen, gemeint sind.

  • S
    Sven

    Vielen Danke Herr Noehricke für Ihren Kommentar.

    Hervorragend analysiert, nur mit dem schwarzen Block würde ich nicht soweit gehen. Wenn man da etwas tiefer gehend recherchiert, so scheint

    diese Truppe eher ein Sammelbecken an zweifelhaften

    Persönlichkeiten zu sein. Die rechte Szene findet sich genauso darunter, wie Leute die nur sonst irgendein Krawall wollen und Leute, die wie in Genua geschehen, mit der Polizei zusammen arbeiten, um genau diese Bilder zu liefern (Reportage WDR Gipfelstürmer - die blutigen Tage von Genua) und wem nützt denn Gewalt gegen Menschen, egal auf welcher Seite sie stehen?

  • R
    Rückennummer

    "Entscheidend sei die Rückennummer, die dank Klettverschluss ausgetauscht werden könne."

     

    Das erinnert mich doch an etwas:

    http://i41.tinypic.com/iog41z.jpg 

     

    Was für eine Nummer soll das denn bitte sein?

  • PL
    Peter Lustig

    Ich habe mal irgendwo gelesen, daß sich der Schwarze Block mit Handzeichen verständigt.

    Stelle ich mir lustig vor:

    "Oh Gott, sie haben Hände dabei! Sie haben HÄNDE dabei!!! Alle sofort festnehmen!!"

  • T
    taz-leser

    offtopic: schön, dass die taz seit london wieder mehr über solche sachen berichtet. hoffentlich bleibt es dabei. ich will als aktivist nicht auf propagandablätter wie die junge welt angewiesen sein, um eine zeitung zu bekommen, die ihrer rolle als wächter über die überwacher gerecht wird =)

  • A
    AstraFan

    Da muss ich Wolfgang Noehricke völlig recht geben.

  • WN
    Wolfgang Noehricke

    Ein Grundgesetz wird gefeiert mit Bier und Bratwurst.

    Doch so wenig "der" Deutsche wissen will was in seiner Bratwurst steckt, so wenig interessiert ihn das Grundgesetz inhaltlich.- denn als treugläubiger Christ und Deutscher

    ist Mensch kritiklos. Alles ist gut nur die Linken wollen das schöne Idyll zerstören!?

    Mord, Zerstörung, Ausbeutung und Elend weltweit, auch unter Beteiligung der Deutschen.

    Räuberische Weltwirtschaft, Korruption, Manager, Banker, Immobilienspekulanten, nutzlose öffentliche Ämter, all ihre Zuträger.. alles ist in Ordnung?

    Mal in Deutsch: Der Reichtum eines Teils der Deutschen

    der das Politische System benutzt und Judikative und Exekutive zu Spalierstehern für das Kapital macht ändert nach Belieben das Grundgesetz für eigene Zwecke.

    Ich bin nicht gegen Deutsche, aber ich bin gegen Lügner (Pinocciopolitik:), Unethische Verhaltensweisen (Massentierhaltung, Keulung, Tierversuche..,

    Unmoralische Geschäftemacherei, Den Auto-Wahnsinn und staatlich legitimierten Gewalttätern die sich jeder Einsicht entziehen.

    Wenn Mensch die Deutsche Geschichte liest ist dies eine Geschichte voller Blut, Elend und Heuchelei.

    Diese Geschichte wurde von eben diesen gemacht, die das Grundgesetz feierten: Inhaltsleer wie die Bratwurst - Rein Deutsch wie das Bier.

     

    Vielleicht sind die TN des schwarzen Blocks die letzen die sich nicht nur mit Worten gegen den Deutschen Urschleim

    durchzusetzen versuchen sondern wie aufrechte, ethisch und moralisch handelnde Menschen einfach Präsenz zeigen- neben Arbeit und Kindererziehung etc. also Zeit aufwenden ehrenamtlich positives zu bewirken anstatt durch Mehrfachposten abzukassieren.

    Die taz sucht Helden des Alltags- ich habe hier 2000 für euch.

    Wolfgang Noehricke, Berlin

  • T
    t.s.

    Es geht eben darum jedweder Opposition zu signalisieren, dass 'Unruhen' jedweder Art mit allen Mitteln - explizit auch extralegalen - unterbunden werden.

     

    Und nicht nur an dieser Stelle marschiert die taz Seit' an Seit' mit dem staatlichem Repressionsapparat. Denn - wer wenn nicht der Staat garantiert die Besitzstände und die Pfründe der ex-linken, nunmehr im bürgerlichen Lager arrivierten Inserenten und Anteilseignern der taz?

     

    Merke: Besatzung dient den Menschenrechten, Widerstand ist zwecklos und konservativ bedeutet aufgeklärt (!) und sexy zu sein. Das ist die hier herrschende Linie.

  • L
    Lars

    Auch hier muß man leider wieder sagen, daß das Verbot und Einziehen sogenannter "Signalfahnen" leider keine neue Methode ist. Genauso wenig wie das Begleiten linker Demos mit einem Spalier. Ich habe es ehrlich gesagt nie anders erlebt.

     

    @shenanigans1983

    Was haben die Videos der Polizeiübergriffe in London uns denn gezeigt? Dass alle Medien 3 Tage aufschreien und dann ist wieder alles vergessen. Mehr nicht. Der Normalbürger will nicht wissen, daß Polizisten prügeln und morden. Er will sich lieber mit Toto & Harry oder dem sonntäglichen Tatort berieseln.

     

    Aber wenn Bullen immer wieder das Ziel von Attacken sind ist die Empörung groß.

  • O
    O.T.

    Wer dieses Jahr am 1. Mai zum ersten Mal dabei war, war vielleicht überrascht von der "Brutalität", wer aber schon öfter da war, den überraschte dann eher die Berichterstattung. Nach den Verletzten-Angaben der Polizei muss ja jeder 15. Polizist verletzt worden sein, was sich ja fast schon mit nem Krieg vergleichen lässt.

     

    Die Polizei überschreitet Recht und Gesetz wo es ihr passt und die Polizei schaut zu (ach nee?!).

     

    Folgende Interpretationsmöglichkeit bietet sich:

     

    Der Polizei kann als juristisch nicht beigekommen werden, da dazu ja die Polizei helfen muss. Somit bleibt als Möglichkeit nur die gewaltsame Auseinandersetzung.

    Ist nicht meine Meinung, aber ich verstehe jeden der so an die sache rangeht.

     

    Und woher kommt denn der Hass auf den (Bullen-)Staat. Von solchen Dingen halt. Klar gibt's Chaoten und Idioten, aber wir leben nunmal in nem Rechtstaat und wenn sich die Polizei darüber hinwegsetzt ist das im höchsten Maße beunruhigend und traurig, dass man dann davon nur in der taz o.ä. erfährt.

  • S
    sven

    @Arnim ich glaube das Sie selbst ein paar Probleme mit Andersdenkenden haben. Ich zitiere:

    Stellt "linke" Demonstranten bitte nicht als die heldenhaften Opfer ...einem anderen umgang der staatsgewalt "mit dieser art von protestbewegung".

    Oder täusche ich mich da?

    Jedenfalls bin auch ich kein Freund von Gewalt,

    egal auf welcher Seite diese ausgeübt wird.

  • A
    armin

    Lächerlich wie hier die Relationen verloren gehn. Ich denke man sollte sich vergegenwärtigen, was in Berlin am 1. Mai ging. Da brannten Autos, flogen Steine, und der Schwarze Block war ganz vorn dabei.

     

    Dass die Polizei jetzt hart gegen diese Art von Demo vorgeht, war absehbar und geht in Ordnung. Über die Rechtmäßigkeit dieser Aktionen kann man natürlich streiten, auch auch ich bin dafür die Polizei nur in einem festgelegten, rechtsstaatlichen rahmen agieren zulassen. Aber ich vergaß: staat ist ja eh scheiße.

     

    Stellt linke Demonstranten bitte nicht als die heldenhaften Opfer staatlicher Gewalt da. Wenn es vielleicht mal gelingt, die "Steinigung" der Polizei durch schwarz-vermummte zu unterlassen, führt das möglicherweise zu einem anderen umgang der staatsgewalt mit dieser art von protestbewegung.

     

    unfassbar, wie sich hier darüber aufgeregt wird, dass 2 demonstranten kurzzeitig in haft waren, während niemand ein wort darüber verliert, dass am anfang des monats linke demonstranten mitunter wegen versuchten mordes verhaftet wurden. das erinnert mich an die aufrufe in kreuzberg: "lass euch von den bullenschweinen nicht provozieren". niemand provozierte. immerhin: aber auch eine möglichkeit, sich selbst eine opferrolle zu suggerieren und aus dieser heraus gewalt als notwehr zu rechtfertigen.

  • AY
    anon ym

    auch beim npd-bundesparteitag in bamberg 2008 wurden von der (münsteraner) polizei kleine fähnchen mit fast derselben begründung beschlagnahmt. und das nach der demo, als nur noch kleinstgrüppchen in der stadt unterwegs waren. man kann "gewalttätern" doch auch mit der hand vermeintliche ziele zeigen, oder?

  • S
    shenanigans1983

    Mir wird schlecht!

     

    Klage einreichen, und wie in London mit dem Fotohandy die Männer in Kampfmontur filmen. Ab auf YouTube und Vimeo damit, und via Facebook, Digg und StumbleUpon verlinken. Von brutalen Polizeiübergiffen und Fehlverhalten (was beides leider anscheinend mittlerweile wieder a.d. Tagesordnung ist) noch vom Handy aus twittern (geht von jedem Handy bei Eingabe einer bestimmten Nummer).

     

    Eigentlich bin ich kein unbedingter Freund von twitter und co., aber in solchen Dingen können diese ganzen Social Networking tools Wunder bewirken.

     

    Die Polizei scheint nicht zu ahnen, mit wem sie sich anlegt, wenn wir es geschickt angehen. Das Internet kann als "broadcaster" für jeden dienen, die Polizeiübergiffe in London haben das gezeigt. Unakzeptables Verhalten der Herren in Grün, aber wenn wir wollen sitzen wir am längeren Hebel!

  • P
    Paul

    Der polizeistaat wird kommen, wenn wir nichts dagegen tun....

  • S
    Sebastian

    Die zunehmende Repression durch die Polizei ist leider nicht nur in Berlin der Fall. In Stuttgart wurde einer Infoveranstaltung der Antifa gegen die Politik der NPD und der REPs bezüglich der Kommunalwahl miz einem massiven Polizeiaufgebot begegnet. Den etwa 40-50 Teilnehmern standen mindest genauso viele schwergepanzerte Polizisten gegenüber. Diese machten wieder Videos von allen Teilnehmern oder haben einen Teilnehmer verhaftet,weil dieser "sich zu weit von der Gruppe entfernte". Die zunehmende Abneigung gegen Staat und Polizei sollte bei solchen Aktionen niemanden mehr wundern.

  • F
    FREDERICO

    Wie kann Herr Asmuth im Zusammenhang mit unserer ach so tollen Polizei von Logik reden? Vielleicht haben diese Männchen in grün ja bloß die Strasse mit einer Flugzeuglandebahn verwechselt. Da gibt man soweit ich informiert bin mit Fähnchen Zeichen.

    Eigentlich sollte dieser Schwachsinn den Vorgesetzten, sowie unserem Innensenator doch zutiefst peinlich sein.

    Oder sind das etwa insgesamt die Konsequenzen aus unserem maroden Schulsystem?