Berliner Olympia-Bewerbung: Fünf Ringer ringen um fünf Ringe
Berlin präsentiert mit vier anderen Bundesländern ein gemeinsames Bewerbungskonzept für die Olympischen Spiele. Gegner des Projekts machen bereits mobil.

Olympia nach Berlin zu holen, sei eine Chance, glaubt Wegner: „Für den Sport, für Berlin, für Deutschland.“ Denn die Spiele könnten etwas „Besonderes“ auslösen, das habe er auch in Paris gesehen. Von Olympia in Paris will das Fünf-Länder-Bündnis im geplanten Hauptaustragungsort Berlin deshalb lernen.
Denn, so Wegner, die Spiele hätten dort eines geschaffen: Zusammenhalt „trotz kritischer Stimmen am Anfang“. Auch Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) glaubt das. „Es gab in Paris bis zum letzten Tag viel Skepsis. Als es dann losging, wollte keiner mehr skeptisch sein.“
Die möglicherweise schwerwiegenden sozialen und ökologischen Folgen der Großveranstaltung blieben am Dienstag unerwähnt. Vielmehr ging es um die vermeintliche Nachhaltigkeit. Denn nachhaltig solle Olympia in Berlin auf jeden Fall werden, sagt Wegner: „Wenn das Olympische Feuer erloschen ist, müssen die Folgen mindestens 20 Jahre nachhalten.“
Kletteranlage auf dem Tempelhofer Feld
Ein großer Teil der benötigten Sportstätten bestehe bereits, so Iris Spranger. Beim Konzept „Berlin+“ gehe Sanierung vor Neubau. Und: Viele Sportstätten sollen nur temporär aufgebaut werden. Zusammen mit diesen Pop-up-Plätzen und den bestehenden Sportanlagen komme man auf 90 Prozent der benötigten Sportstätten, sagt Spranger. So solle vorhandener Platz sinnvoll und eben „nachhaltig“ genutzt werden. Auf dem Tempelhofer Feld etwa will sie eine Kletteranlage sehen.
Ein Schlüsselprojekt wäre demnach das Olympische Dorf an der Messe Berlin im Westen der Stadt. Nach den Spielen sollen dort 2.500 Wohneinheiten für bezahlbares Wohnen zur Verfügung stehen. „Ökologisch, sozial, ökonomisch“: Das soll das inoffizielle Motto sein.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) singt unterdessen das Loblied auf die Investitionen. „Jeder in den Sport investierte Euro hat einen riesigen sozialen Return, wie ich es aus keinem anderen Politikfeld kenne“, sagt Schuster. Und was kostet die Welt? Im Berliner Haushalt stehen derzeit 500.000 zur Verfügung, um für die Hauptstadt als Austragungsort zu werben, freut sich Spranger. „Wir müssen die Menschen für Olympia begeistern“, fordert Wegner.
Der Regierende spricht sich bei der Gelegenheit auch noch einmal explizit für eine Olympia-Austragung 2036 aus – 100 Jahre nach den Berliner Nazispielen. Auf Jahreszahlen, beteuert Wegner, komme es ihm aber nicht an: „Wir wollen Olympische Spiele, ich mache das nicht an Zeitfenstern fest.“
Welche Sportstätten die Politiker:innen für mögliche Olympische und Paralympische Spiele im Sinn haben, ließen sie bei dem Jubeltermin offen. „Berlin+“ bleibt damit vorerst nur ein Zeichen des Haben-Wollens.
Der regionale Wirtschaftsspitzenverband UVB ist trotzdem schon jetzt ganz aus dem Häuschen und schwärmt von zu erwartenden „traumhaften Bildern“. Berlin dürfe sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. „Entscheidend wird sein, auch die Berlinerinnen und Berliner für diesen Traum zu gewinnen“, sagt UVB-Chef Alexander Schirp.
Nolympia kündigt Volksbegehren an
Doch wie sich das gehört für Berlin: Die Gegner:innen der Träume stehen längst bereit. Pünktlich zum länderübergreifenden Statement im Olympiastadion erklärte das Bündnis Nolympia Berlin, ein Volksbegehren gegen die Austragung der Spiele zu starten. Mit dabei: die Grünen, die Linke, der SPD-Nachwuchs Jusos, der Naturschutzbund, die Naturfreunde Berlin.
Für einen erfolgreichen Antrag auf ein Volksbegehren müssen 20.000 gültige Unterschriften nachgewiesen werden. In einem zweiten Schritt müssten dann etwa 170.000 Berliner:innen gegen das Vorhaben abstimmen. Dann kommt es zum Grande finale – einem Volksentscheid.
Bündnis Nolympia Berlin
Das Nolympia-Bündnis kritisiert nicht zuletzt die mit der Ausrichtung verbundene „finanzielle Gigantonomie“. Berlin stehe beim Schul- und Nachwuchssport schlecht da, schaffe es nicht mal, seine maroden Sportanlagen für den Breitensport in Schuss zu bringen – meint aber zugleich, „schuldenträchtige Großevents“ an Land ziehen zu müssen.
Dem IOC mit seinem „undurchsichtigen Geschäftsgebaren“ geben die Bündnispartner in einer gemeinsamen Erklärung noch einen Gruß aus der Küche mit: „Wir wollen das IOC nicht in unserer Stadt.“
Albtraum Olympia – schon in den 90ern
Name und Sound des Bündnisses erinnern nicht von ungefähr an die breite Bewegung gegen die Bewerbung Berlins für Olympia 2000 in den 90er Jahren. Auch damals träumte sich ein schwarz-roter Senat die Stadt richtig groß, auch damals begriffen viele Berliner:innen die Aussicht auf Olympia vor allem als Albtraum.
Zur offiziellen Übergabe der Berliner Unterlagen im Januar 1993 im schweizerischen Lausanne hatten die Gegner:innen eine Videobotschaft vorbereitet: An deren Ende warnte ein Punk mit einem Pflasterstein vor den Folgen einer IOC-Entscheidung für Berlin mit den Worten: „We will wait for you.“ Die Spiele gingen dann nach Sydney. Berlin war bereits in der ersten Runde ausgeschieden.
„Unser Steuergeld ist bei Sportvereinen besser aufgehoben als beim IOC“, sagt Klara Schedlich, die sportpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Zugleich widerspricht sie dem immer wieder heruntergebeteten Argument von der unglaublichen „Stadtrendite“, die mit sportlichen Großereignissen verbunden sei. Dass die „nicht automatisch positive Effekte“ bringen, habe die Fußball-EM 2024 gezeigt: „Der versprochene Kunstrasen wurde zur Hälfte weggeworfen, die Hotelauslastung war schwach.“
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