Berliner Musiker „Tapete“: „Gema schränkt meine Freiheit ein“
Auch kleine Musiker können ohne die Gema von ihrer Kunst leben, sagt der Berliner HipHop-Künstler Tapete. Darum sei eine Mitgliedschaft nicht nötig.
taz: Tapete, würden Sie gern von Ihrer Musik leben können?
Tapete: Das kann ich gerade! Im Mai habe ich mich selbstständig gemacht und schaffe es jetzt, immer so auf null rauszukommen. Eigentlich wäre ich auch sauber durch den August gekommen, wären da nicht 300 Euro Strafe, die ich jetzt fürs Schwarzfahren bezahlen muss.
Wären 300 Euro nicht ein Klacks, wenn Sie Tantiemen von der Gema bekommen würden?
Ach, Geld bekommst du von denen nur, wenn du bekannt bist und ständig im Radio gespielt wirst. Mitglied bei der Gema zu werden kam für mich schon nicht infrage, als ich vor sechs Jahren mein erstes Album fertiggestellt habe. Ich brauche keine Behörde, die mich beaufsichtigt und meine Freiheit einschränkt.
Die große Mehrheit der 66.000 Gema-Mitglieder sind kleine, unbekannte Künstler.
Immer wieder wollen mir Leute verklickern, dass ihnen die Mitgliedschaft etwas bringt. Tut sie aber für die allermeisten nicht – es profitieren nur die wenigen sogenannten Großen. Ich habe das Gefühl, viele Musiker halten sich für vollwertiger, wenn sie Gema-Mitglied sind. Jeder hofft, dass er irgendwann doch noch eine fette Ausschüttung bekommt. Aber die Leute sollten einfach nicht mehr der Gema beitreten, und die DJs sollten keine lizenzierte Musik mehr auflegen. Nur dann ändert sich etwas.
Gegen die geplante Tarifreform der Rechteverwertungsgesellschaft Gema wollen am Donnerstag (6. September) bundesweit Betreiber von Klubs und Diskotheken protestieren. Die ab Januar 2013 steigenden Kosten würden Klubschließungen – insbesondere in Berlin – nach sich ziehen, teilte das Branchennetzwerk Clubcommission mit. Gefordert werden der Stopp der Tarifreform, eine gerechtere Verteilung der Gema-Gebühren an die Künstler sowie eine transparente Kontrollinstanz.
Kundgebungen sind auch in Städten wie München, Stuttgart, Nürnberg, Leipzig und Dresden geplant.
Der Protestmarsch in Berlin soll um 14.00 Uhr in der Schöneberger Keithstraße 7 nahe dem Wittenbergplatz mit einer Kundgebung beginnen und dann über den Kudamm zum Adenauerplatz führen. Angekündigt haben sich den Veranstaltern zufolge bis zu 15 Wagen. Im Juni hatten sich in Berlin 5.000 Menschen an einer Demonstration gegen die geplante Tarifreform beteiligt. (dapd)
Sie sind also nicht in der Gema, weil Sie damit eh kein Geld verdienen würden.
Es geht mir vor allem um eines: Als Gema-Mitglied könnte ich mein Zeug nicht ohne Probleme frei ins Netz stellen. Einen richtig fetten Song, der gerade perfekt in die Zeit passt, nicht direkt hochladen zu dürfen – das ist scheiße. Mein aktuelles Album habe ich ausschließlich auf meine Homepage gestellt, zum freien Download. Es wurde mehr als 11.000-mal heruntergeladen, das ist schon beachtlich.
29, beschreibt seine Musik als Mix aus HipHop, Rap, Chanson, Punk und Piano. Zu den bekanntesten Liedern des Berliners gehören „Brustmuskeldance“ und „Schwarzfahrt“. Freie Downloads unter www.tapeteberlin.de
Aber Geld haben Sie damit keines verdient.
Nein, keinen Cent. Ich denke aber schon über einen Spendenbutton für das nächste Mal nach: 1 Euro pro Download, freiwillig, das wäre schon in Ordnung. Aber auch aus den freien Downloads sind Engagements für Auftritte entstanden.
Reichen Auftritte denn aus, um einigermaßen über die Runden zu kommen?
Im Moment geht es gerade so. Aber das ist der Weg als sogenannter kleiner Künstler: Du musst mit sozialen Netzwerken und guten Musikvideos auf deine Lieder aufmerksam machen. Dafür brauchst du Ideen und Zeit. Und dann heißt es: auftreten, auftreten, auftreten.
Und nach jedem Auftritt müssen Sie eine Liste für die Gema ausfüllen.
Ja, immer! Selbst als gemafreier Künstler schreibe ich jedes Mal auf, welche Titel ich gespielt habe, samt meinem Namen und meiner Adresse. Damit der Veranstalter das weiterleiten kann. Und was folgt daraus? Ich bekomme Werbung von der Gema an meine Hausadresse geschickt! Zumindest landen die Briefe in Zukunft nicht mehr dort.
Warum nicht?
Ich habe es geschafft, meinen Künstlernamen in den Personalausweis eintragen zu lassen, und kann deswegen jetzt alles mit „Tapete“ unterschreiben. Auf meinen Gema-Listen wird nichts mehr stehen außer „Tapete“ und höchstens meine Postfachadresse.
Dafür könnten Ihnen bald die Veranstaltungsorte ausgehen: In Berlin prophezeien viele Clubs, dass sie pleitegehen werden, wenn die Tarifreform der Gema Realität wird.
Da muss sich das Denken ebenfalls ändern. Ein Club könnte doch einen Aufruf starten und sagen: Wenn ihr geile gemafreie Mucke macht, dann schickt uns euer Zeug und wir spielen es. Ein Club, der sogar ausschließlich gemafreie Musik spielen würde, der würde sofort laufen.
Sind Sie sicher?
Jede Wette. Das wäre eine geniale Geschäftsidee. Am liebsten würde ich das selbst machen.
Wo soll denn die ganze freie Musik herkommen?
Viele Künstler arbeiten mit Creative-Commons-Lizenzen: Da bestimmt der Urheber selbst, zu welchen Bedingungen und Zwecken jemand seine Werke nutzen darf. Da ist richtig viel gute Musik dabei, auch wenn die Gema schon versucht hat, Creative Commons zu diskreditieren.
Inwiefern?
Es gab mal einen Artikel auf der Gema-Homepage, in dem stand, Creative-Commons-Künstler seien nicht erfolgreich und die Qualität der Musik sei schlecht. Auch in Reaktion darauf haben mein Partner Crying Wölf und ich „Lip Gloss“ gemacht: Die Platte stand unter Creative Commons und ist gespickt mit Gema-Disses. Ich sage damit: Zeitgemäße Musik zu machen ist für mich das kleinste Problem, ihr Storyteller.
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