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Berliner MobilitätsgesetzGinge doch alles noch radikaler

Kommentar von Claudius Prößer

Berlins Rad-AktivistInnen lassen die grüne Verkehrsverwaltung einfach nicht in Ruhe. Ist das noch angemessen oder schon nervig?

Stand schon während der Brückensanierung im Visier: Regine Günther (Grüne) Foto: dpa

G leich an drei Stellen schien in dieser Woche wieder einmal der Konflikt zwischen den VerantwortungsträgerInnen in der Senatsverkehrsverwaltung und den Berliner Fahrrad-AktivistInnen auf, denen alle Bemühungen der Politik zu langsam, zu unentschlossen oder schlicht fehlgeleitet erscheinen.

Besonders heftig knisterte es bei der gerade erfolgten Neugestaltung der Oberbaumbrücke. Was die einen als radikale Verbesserung für den Radverkehr betrachten – ein deutlich breiterer Fahrradstreifen und eine Reduzierung der Kfz-Spuren von zwei auf eine –, empfinden die anderen als Zumutung: Der Radstreifen sei zum gegenseitigen Überholen zu eng, und die überbreite Solo-Spur für die Autos verleite deren FahrerInnen, auf den unverpollerten Schutzstreifen der Zweirädrigen auszuscheren. Mittlerweile hat Regine Günthers Haus durchblicken lassen, dass noch mal nachgearbeitet wird.

Rund um die Bergmannstraße regiert der ebenfalls grüne, aber deutlich experiementierfreudigere Stadtrat Florian Schmidt. Ihn hat nun, aktiviert durch einen AnwohnerInnenantrag, die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg aufgefordert, den Kiez noch radikaler verkehrszuberuhigen als bisher vorgesehen, nämlich allen Durchgangsverkehr zu verhindern. Was wiederum Zoff mit dem Senat ­geben dürfte. Der hält nämlich unter anderem eisern daran fest, dass die Achse Zossener StraßeVerzweifelte Radfahrer*innen–Friesenstraße als Alternative zum Mehringdamm erhalten bleibt.

Am Donnerstag dann „schwärzten“ AktivistInnen an der Schillingbrücke das, was vor ein paar Jahren noch als fortschrittliche Innovation galt: einen Radstreifen in Mittellage, von der Radlobby mittlerweile als „Angstweiche“ gelabelt. Für Changing Cities und Co. steht fest, dass solche Straßenmarkierungen genau das Gegenteil von Sicherheit erzeugen, potenzielle RadlerInnen fernhalten und somit dem Berliner Mobilitätsgesetz diametral zuwiderlaufen.

All diese Szenarien skizzieren ganz gut die anhaltende Verwerfung zwischen Regierung und (Rad-)Volk, bei der man als Beobachter manchmal nicht weiß, zu wem man halten soll: Einerseits haben die Lobbyorganisationen vollkommen recht, wenn sie den Geist des von ihnen erkämpften Mobilitätsgesetzes ernst nehmen und sich mit weniger als dem Machbaren nicht zufriedengeben. Andererseits kann man sich vorstellen, dass die bisweilen sehr kleinliche Kritik, immer mit dem Zentimetermaß in der Hand, auch für die fortschrittlichen VerkehrsplanerInnen dieser Stadt zermürbend ist.

Etwas mehr Anstrengung bei den einen, etwas weniger Fundamentalismus bei den anderen, das hätte was.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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1 Kommentar

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  • Die endgültige Würze bekommt das alles erst, wenn Radaktivist/in, es mit der noch im Keimstadium befindlichen Bewegung der FußgängerInnen zu tun bekommen wird. Aber vorher aktivistieren erstmal noch die Natur-, gegen die Akkuradler.