Berliner Kino zeigt „Smoleńsk“: „Der Film entlarvt sich selbst“
Am Freitag läuft der umstrittene polnische Film „Smoleńsk“ in einem Berliner Kino – auf Initiative des Clubs der polnischen Versager: Ein politisches Wagnis.
taz: Herr Gusowski, haben Sie den Film „Smoleńsk“ schon gesehen?
Adam Gusowski: Nein.
Der Film gilt als Propagandastreifen, ganz im Sinne der rechtspopulistischen Regierung in Polen.
Ich kenne die Art, wie der Regisseur Antoni Krauze Filme macht. Ich habe den Trailer gesehen, und wenn man die Bilder sieht und weiß, wie die Story gestrickt ist, reicht das aus, um festzustellen: Das ist wahrlich kein Kunstwerk.
War es eine Witzidee, dass Sie den Film am Freitag als Deutschland-Premiere zeigen?
Teilweise. Aus Zeitungen – also nicht mal direkt aus der polnischen Community – hatten wir erfahren, dass die deutsche Uraufführung des Films in Berlin geplatzt ist. Weil keines der Kinos, die der polnische Botschafter dafür angefragt hatte, den Film zeigen wollte. Da sagte jemand bei uns im kleinen Club der polnischen Versager in Mitte: „Hier wäre Platz genug für den Film.“ So entstand die Idee.
Sie zeigen den Film jetzt aber im Kino Babylon, das immerhin 400 Plätze hat. Noch mal: Warum wollen Sie den Film zeigen?
Es steht ja die These im Raum, dass „die Deutschen diesen Film nicht zeigen wollen“ – so stand es zumindest in der rechtskonservativen Presse in Polen. Dass also in Deutschland die „polnische Wahrheit“ blockiert werde. Diese These wird immer größer, bedeutender, je länger der Film nicht gezeigt wird.
geboren 1973 in Stettin, lebt seit 1988 in Berlin, arbeitet als Autor, Satiriker und Journalist und ist einer der Gründer des Clubs der polnischen Versager.
Der Club existiert 2001, derzeit untergebracht neben dem Schokoladen in der Ackerstraße in Mitte. Er bezeichnet sich selbst als „ein Ort der naiven Begegnung, ein Symbol des offenen Dialogs, eine Stimme der polnischen Satire im Exil und keine Kirche oder Glaubensgemeinschaft“.
Sie präsentieren am Freitag also die „Wahrheit“?
Wir bemühen uns seit Jahren um den deutsch-polnischen Dialog. Wenn wir den Film nicht zeigen, wird seine Wirkung noch größer, die Stimmung noch aufgeheizter. So lassen wir aus diesem Propaganda-Ballon die heiße Luft raus: Wir zeigen den Film so, wie er ist. Er entlarvt sich selbst. Das ist zumindest die Idee.
Wer wird zur Vorstellung am Freitag kommen?
Es ist ein Angebot an die Berliner. Der Film läuft auf Polnisch mit englischen Untertiteln. Es werden aber auch Polen kommen, die in Berlin leben, die sich mit der aktuellen politischen Situation in Polen auseinandersetzen und eine Bildungslücke schließen wollen oder müssen.
Haben Sie den polnischen Botschafter eingeladen?
Jeder stellt diese Frage. Aber wir machen diesen Film nicht, um den Botschafter bloßzustellen. Es ist ihm nicht gelungen, den Film im Kino zu zeigen – aber es wäre nicht das erste Mal, dass die polnische Diplomatie wie ein Elefant im Porzellanladen auftritt. Wahrscheinlich ist der Botschafter einfach zu polnisch aufgetreten.
Der Film: „Smoleńsk“ ist ein 2016 veröffentlichter zweistündiger Spielfilm des Regisseurs Antoni Krauze, der den Flugzeugabsturz von 2010 thematisiert, bei der der damalige polnische Präsident Lech Kaczyński und 95 weitere Insassen der Präsidentenmaschine beim Anflug auf einen Flughafen in Westrussland ums Leben gekommen sind. Der Film unterstützt die populäre Verschwörungstheorie vom russischen Attentat auf den polnischen Präsidenten, die auch von nationalkonservativen Politikern der Regierungspartei PiS vertreten wird.
Der Botschafter: Der neue polnische Botschafters in Deutschland, Andrzej Przyłębski, wollte den Film Anfang November im Delphi zeigen. Doch das Kino zog kurzfristig zurück, offiziell aus Sicherheitsgründen, weil der Film zu umstritten sei. Bislang hat der Botschafter kein anderes Kino in Berlin für seine geplante Galavorstellung gefunden.
Die Vorführung: Auf Initiative des Clubs der polnischen Versager zeigt das Kino Babylon Mitte den Film am Freitag, 20 Uhr. Anschließend findet eine Podiumsdiskussion statt. (bis)
Was heißt das?
Er hat wohl ignoriert, dass die Deutschen die Tragödie von Smolensk nur am Rande interessieren könnte, während sie in Polen seit sechs Jahren ein Top-Thema ist – egal zu welchem politischen Lager man gehört. Mir ist bewusst, dass der Absturz eine Tragödie ist und auch eine bleibt – es ist aber eine zweite Tragödie, was man daraus macht. Wir müssen das trennen. Aber zurück zum Botschafter: Er wollte den Film unbedingt in Berlin sehen, und wenn er das ehrlich gemeint hat, wird er am Freitag kommen.
Nach dem zweistündigen Werk wird am Freitag darüber diskutiert. Warum denn, wenn der Film sich doch selbst entlarvt?
Es gibt eine Podiumsdiskussion, weil ich die Leute nicht einfach so nach Hause schicken will. Zwei Experten und ich werden den Film einordnen. Sie sind alle versiert, aber auch witzig. Ich will diese Veranstaltung humorvoll beenden – aber es ist keine Bloßstellung der Tragödie, die das Land erschüttert und die Gesellschaft gespalten hat. Das werde ich auch klar machen.
Wird es im Publikum zu Auseinandersetzungen kommen?
Ich glaube nicht. Der Botschafter hatte ja Angst vor dem Komitee zur Verteidigung der Demokratie – vielleicht sollten wir auch vor denen Angst haben, weil sie sagen könnten: Das ist Propaganda, die darf man nicht zeigen. Die Reaktionen auf Facebook sind eher positiv.
War es schwierig, den Film vom Verleih zu bekommen?
Leichter, als ich dachte. Schwierig war vor allem der Zeitdruck. Wir haben uns Anfang Dezember entschieden, ihn zu zeigen – das war recht knapp. Aber ich habe mit der Veröffentlichung des Termins gewartet, bis ich die Festplatte samt Codes vom Verleih in den Händen hielt. Der weiß natürlich um die politische Brisanz.
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