Berliner Gasnetz: Im Kern kommunal
Stadtentwicklungssenator Geisel (SPD) will Gasag in ein landeseigenes Stadtwerk integrieren. Grüne, Linke und BürgerEnergie-Genossenschaft sind skeptisch
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hat einen Tag nach dem Senatskompromiss zur Energiepolitik das Thema erneut auf die Agenda gesetzt. „Wenn das Land Eigentümer oder Mehrheitseigner wäre, dann kann man überlegen, ob die Gasag Nukleus eines Stadtwerks werden kann“, sagte Geisel am Mittwoch im Umweltauschuss des Abgeordnetenhauses. Tags zuvor hatten sich SPD und CDU im Senat darauf geeinigt, bei Gasag und Vattenfall einzusteigen. Die Höhe der Beteiligung blieb offen – Ziel sei „maximaler Einfluss“.
Ein landeseigenes Stadtwerk gibt es zwar der Form nach schon. SPD und CDU hatten Ende 2013 unter dem Druck des nahenden Volksentscheids beschlossen, ein solches Unternehmen zu gründen. Die Christdemokraten, die von einem Stadtwerk im Grunde wenig halten, setzten jedoch durch, dass es nur selbst produzierten Öko-Strom verkaufen und keinen hinzukaufen darf. Durch diese Bedingung seien „die Möglichkeiten zum Aufbau eines Kundenstamms zunächst stark limitiert“, befand im Herbst 2014 selbst die CDU-geführte Senatsverwaltung für Wirtschaft. „Ein Bonsai-Stadtwerk“, witzelt die Opposition seither, oft mit dem Zusatz, dass man dem Bonsai mit dem Vergleich noch Unrecht tue.
Mit der bis Mitte der 90-erJahre landeseigenen Gasag als etabliertem Unternehmen lägen die Dinge für Senator Geisel offenbar anders. Er mochte sich aber nicht darauf festlegen, ob das Land das Unternehmen, das Eon (36,8 Prozent), Vattenfall und Gaz de France (je 31,6 Prozent) gehört, ganz oder nur zum Teil kaufen will. Wenn alle drei verkaufen wollen „und der Preis stimmt“, dann kann Geisel sich auch vorstellen, 100 Prozent zu übernehmen.
Es war der Grünen-Abgeordnete Michael Schäfer, der den Senator zu der Aussage zum Stadtwerk gedrängt hatte. Denn in dem tags zuvor präsentierten Energie-Beschluss des Senats findet sich das Wort „Stadtwerk“ kein einziges Mal. Schäfer kritisierte gegenüber Journalisten, die Landesregierung habe ihre energiepolitischen Ziele aufgegeben, weil sie sich statt einer kompletten Übernahme der Strom- und Gasnetze mit den Kohle- und Atomkonzernen Vattenfall und Eon zusammentun will.
Schäfer sieht bei den Großkonzernen kein Interesse an Neuerungen, die beim Thema Energiewende weiter helfen würden, aber in Euro gerechnet geringe Rendite bringen würden. Als Beispiele nannte er ein neues Klärschlammverwertungswerk, Blockheizkraftwerke und Solardächer auf Bahnhofsanlagen. „Das geht nur 100 Prozent kommunal“, sagte Schäfer.
Enttäuscht wie der Grünen-Abgeordnete zeigte sich auch die Genossenschaft „BürgerEnergie Berlin“, die das Stromnetz gerne in ihrer Hand hätte. Der Senat habe mit dem bisherigen Netzbetreiber Vattenfall im Hinterzimmer einen Deal ausgehandelt, sagte ihr Vorstandsmitglied Luise Neumann-Cosel – „das ist eine bodenlose Sauerei“. Der Senat habe offensichtlich aus vergangenen Volksentscheiden nichts gelernt und boote die Bürger bei der Netzvergabe aus.
Etwas zurückhaltender drückte es der Energieexperte der Linksfraktion und frühere Wirtschaftssenator Harald Wolf aus: Es drohe die Begünstigung von Vattenfall, wenn man das Vergabeverfahren für das Stromnetz fortsetze. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) will die Vergabe nach eigenen Worten bis Herbst 2016 abschließen. Das Strom-Verfahren liegt noch auf Eis, weil das Landgericht im Dezember die Entscheidung beim parallelen Gas-Verfahren kippte und man Ähnliches für die Strom-Vergabe befürchtet.
Die Konzerne zeigten sich angetan von der Kooperationsbereitschaft des Senats: Eon als Gasag-Teilhaber stehe „für den vom Senat gewünschten Dialog sehr gerne zur Verfügung“, ließ Unternehmen verlauten. Auch von Vattenfall hieß es, man sei kooperationsbereit.
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