Berliner Eishockey-Bundesligistinnen: Kaltstart in die Pandemie-Saison
Die Eisbärinnen beginnen am Samstag gegen die Titelkandidatinnen aus Ingolstadt die neue Spielzeit – mit dem jüngsten Team der Liga.
Wenn die Eisbärinnen an diesem Samstagabend um 19 Uhr gegen den ERC Ingolstadt die neue Saison eröffnen, werden sie genau einen Tag vorher zum ersten Mal gemeinsam trainiert haben: am Freitag. Vier Spielerinnen mussten wegen eines externen Coronafalls in Quarantäne, weitere drei leben in Hamburg und durften zwischenzeitlich nicht anreisen. Die Saisonvorbereitung fiel also praktisch flach, weil nicht alle gemeinsam aufs Eis durften, keine Vorbereitungsspiele, kein Trainingslager.
„Ich musste sehr flexibel reagieren“, sagt der neue Cheftrainer des Berliner Frauen-Eishockeyteams, Daniel Bartell. „Die Politik hat uns immer Steine in den Weg gelegt.“ Und so gibt es einen Kaltstart in die erste, so wichtige Partie gegen die starken Ingolstädterinnen. „Sie gehören zu den Top vier“, befindet Bartell, „uns eingeschlossen. Das Spiel wird ein Gradmesser.“ Was auch das gewachsene Selbstbewusstsein der Eisbärinnen demonstriert.
Seit 2017 sind die ehemaligen Eisladys des OSC Berlin Teil der Eisbären Juniors, des Stammvereins der ausgegliederten Eisbären GmbH, weshalb sie offiziell den eher unhandlichen Namen Frauen Eisbären Juniors tragen. Unter der Flagge des OSC waren sie fünffache Deutsche Meisterinnen, was allerdings schon eine Weile her ist. Als Eisbärinnen blieb der Rückstand zur Spitze spürbar. Im ersten Spiel wollen sie nun über Fitness und Kampf Richtung Spitze.
Denn die geballte Kraft des Frauen-Eishockey liegt in Bayern, bei den drei großen drei: Ingolstadt, Planegg, Memmingen. „Dadurch, dass der Bundesleistungsstützpunkt in Füssen ist, ist die Anreise zu den drei bayerischen Klubs für die Spielerinnen dort einfach attraktiver“, erklärt Bartell. „Außerdem steht in Bayern in jedem kleinen Nest eine Eishalle, es gibt eine größere Auswahl an Talenten.“ Die Eisbärinnen üben sich in einer anderen Strategie: Möglichst junge Talente, 16 oder 17 Jahre alt, werben sie an, die dann in der Eliteschule des Sports ihre Schulbildung erhalten. Ein ganzheitliches Konzept, das es in der Ersten Liga nur hier gibt. Aber die Spielerinnen sind dann eben auch jung. Ihr aktueller Altersschnitt von unter 21 Jahren ist wohl ein neuer Ligarekord.
Die Frauen Eisbären Juniors gibt es seit 2017. Damals wechselten die überaus erfolgreichen OSC Eisladies Berlin geschlossen den Verein. Die Eisbärinnen sind die einzigen Bundesligistinnen im Osten und Norden Deutschlands und bilden so ein Gegengewicht zu den Schwerpunkten in Bayern und NRW. Sie führen eine lange Tradition des Berliner Frauen-Eishockey fort: Nicht nur der OSC spielte Bundesliga, auch der DEC Eishasen Berlin, 1979 der erste eigenständige Frauen-Eishockeyklub überhaupt.
Der Berliner Nachwuchs soll langfristig von den Eisbärinnen profitieren. Jüngst hat der Eishockeyverein FASS Berlin das erste Berliner Mädchenteam gegründet, trainiert werden sie von einer ehemaligen Eisbärinnen-Spielerin. Kathrin Fring berichtet, die Frauen Eisbären Juniors könnten sich auch eine Kooperation vorstellen. Bisher kam die Pandemie dazwischen.
Die Frauen-Bundesliga (DEFL) besteht derzeit aus sieben Teams. Nach einer Hauptrunde treten die besten vier Teams in Playoffs nach dem Format „Best of 3“ um den Titel an. Die anderen drei Teams spielen eine Platzierungsrunde. Absteigerinnen gibt es derzeit nicht. (asc)
Kathrin Fring, bis zuletzt noch Spielerin und jetzt Co-Trainerin des Teams, vereint den alten OSC und die neuen Eisbärinnen. Mit dem OSC hat sie zwanzig Jahre Bundesliga gespielt; gemeinsam mit Bartell löst sie nun Ex-Coach Sebastian Becker ab, der selbst noch Student war und sich in der Rolle als Chefcoach etwas überfordert fühlte. Fring kennt die Vor- und Nachteile, die es mit sich bringt, Eisbärinnen zu heißen. „Beim OSC war unsere Sponsorensuche recht erfolgreich. Bei den Eisbären heißt es eher: Ihr habt doch Geld.“ Was nicht stimme; sogar die Kleidung bezahlten sie selbst, ihre Haupteinnahmen stammen aus der Deutschen Klassenlotterie. Die weiten Anreisen aus Berlin mit Übernachtungen, berichtet Fring, fressen 85 Prozent des Budgets – was auch eine Vorstellung von der Höhe des Budgets gibt. „Aber alle in der Liga kämpfen mit den gleichen Problemen.“
Kathrin Fring fordert vor allem eine andere Haltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. „Es heißt ‚Sportschau‘ und nicht ‚Fußballschau‘. Ich erwarte als Bürgerin, die dafür zahlt, dass etwas anderes gezeigt wird als 85 Prozent Männerfußball.“
Sportlicher Erfolg, habe sie festgestellt, durchbreche den Kreislauf nicht. Ob sie mit dem OSC Meisterinnen wurden oder nicht, am Ende sponserten immer dieselben paar Eishockeyfans kleine Summen. Dafür ändert sich anderes. Etwa 100 bis 120 ZuschauerInnen begrüßte das Team vor der Pandemie, im letzten Halbfinal-Playoff sogar 500. Viel für Frauen-Eishockey. Unter anderem werden sie jetzt von der Eisbären-Fangruppe „Black Corner“ unterstützt.
„Es gibt immer mehr Überschneidungen bei der Fanszene. Ich habe zwanzig Jahre in der Bundesliga gespielt und noch nie Fans erlebt, die einem in ein Kaff wie Planegg hinterherreisen und singen, bis die Gegnerinnen keinen Bock mehr haben“, so Fring. Auch solche Chancen bringt die Marke Eisbären mit sich. Zur Pandemie-Saison dürfen abgezählte 214 ZuschauerInnen ins Stadion kommen. Die finanziellen Einbußen sind also nicht gravierend.
Aber der organisatorische Aufwand für die EhrenamtlerInnen ist enorm. Selbst der Teammanager ist Ehrenamtler. Jetzt musste er sich täglich durch die Bürokratie wühlen, Quarantäneregeln, Orte, wo sie übernachten dürfen; alle Fans müssen sich vor dem Stadionbesuch registrieren. Die sportlichen Ansprüche sind gestiegen, die Träume auch. Letzte Saison schieden die Eisbärinnen im Halbfinale aus, jetzt hat Cheftrainer Bartell größere Wünsche: „Wir wollen ins Finale. Es ist ein ambitioniertes Ziel mit diesem jungen Team, aber sie sind extrem lernwillig und setzen schnell vieles um.“ Zumindest, sofern diese Saison zu Ende gespielt wird. Auch das weiß aktuell niemand.
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